
520 BERICHTE ÜBER DIE F^ORTSCHRITTE
in deren Bereich die Bewaldung nach unten und nach oben abgegrenzt
ist, sie gelangen daher, auf den vorliegenden Ketten zurückgehalten,
nicht in den Einschnitt des Issyk-Kul und der inneren Längsthäler^
weil der See bereits im Niveau von 5000' und die letzteren noch viel
höher liegen. Der Winterschnee, der im Waldgürtel niederfällt und
den See nur eben noch erreicht, giebt, während er im Sommer bis zur
Schneelinie abschmilzt, den Bäumen das erforderliche Maass von Feuchtigkeit,
welches sie in grösserer Menge in Anspruch nehmen als die
Steppenpflanzen. Da die Regenwolken des Sommers in einer weit
höheren Region schweben, so kommt ihr Niederschlag, der an Masse
geringer ist. den letzteren zu Gute. So wird der Thianschan zu einem
wahren Steppengebirge, der in seinen inneren und südlicher gelegenen
Theilen um so weniger Wald erzeugt, je weiter sie von ihrer Wolkenquelle,
den äusseren, Sibirien zugewendeten Abhängen entfernt liegen.
Also ist es doch die abnehmende Bewässerung, welche in den Thälern
und auf den Höhen die Steppenflora gleichmässig hervorruft. Man
wird aber doch auch zugleich annehmen müssen, dass in den Waldregionen
im Sommer eine stärkere Insolation stattfindet und dadurch
die den Bäumen nöthige, längere Vegetationsperiode erreicht wird.
Einige der von Sewerzozv gesammelten Gewächse waren von RttprecJit
beschrieben worden (in dessen Sertum Thianschanicum), aber
die beiden Tannen, die den Waldgürtel bilden und die er als Pinus
thianschanica und P. Schrenkiana unterscheidet, sollen nur wenig durch
die Form der Schuppen von einander abweichen (43, S. 31). Sie werden
von einer Sorbus-Art begleitet (S. thianschanica R.) und von
Beeren tragenden Sträuchern (Ribes atropurpureum und Rubus idaeus).
Man beobachtet hier, wie in mehreren Orten Sibiriens und Russlands,
dass, wenn der Nadelwald abgeholzt ist, nicht selten im säcularen
Wechsel Laubhölzer, Birken oder Espen, an die Stelle treten. Sehr
bedeutend ist der Höhenunterschied der Vegetationsgrenzen, der durch
die Hochflächen erzeugende Massenerhebung des eigenthchen Thian-
-schan gegenüber der vorderen Kette bewirkt wird, die dem Tieflande
Sibiriens zunächst an der Nordseite des Issyk-Kul liegt und die Seine-
1I0ZV den transilensischen Alatau nannte. Sie ist am stärksten bewaldet
und besitzt unterhalb der Coniferenregion noch einen Gürtel von Laubhölzern,
von Apfel- und Aprikosenbäumen, der bis 3200', also noch
tiefer zur Steppe hinabsteigt, Semenozv im untere Waldgrenze
des Alatau angenommen hatte. Hier beginnt die Region der Coniferen
bei 5600' und hört an der Baumgrenze im Niveau von 8600' auf (42,
S . 5). Im eigentlichen Thianschan ist die untere Grenze der Tannen
wegen der örtlichen Abweichungen nicht sicher bestimmt (die Angaben
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IN DER GEOGRAPHIE DER PFLANZEN. 521
schwanken zwischen 5000 und 8500'): von ihrer oberen Grenze, die
auch hier die Baumgrenze ist, liegt eine Reihe von Schätzungen und
eine Messung von Bunjakotvski (43, S. 92) vor, woraus ein Mittelwerth
von 10,000' entnommen werden kann (die Schätzungen gehen bis
9500' herab, die Messung erreicht die höchste Zahl von 10,760'). Die
Schneehnie, die in der transilensischen Kette zu 11,000' geschätzt wird
(42, S. 5), hebt sich im inneren Thianschan auf 13,000 (S. 41) und
lokal auf 14,000' (43, S. 9]: alpine Sträucher (Zwergwachholder) wurden
daselbst bis zum Niveau von 11,500' angetroffen.
Die Physiognomie der Hochsteppen des Thianschan entspricht
im Niveau von 10,000—12,000' noch durchaus den Grassteppen des
russischen Tieflandes. Das Aksai-Plateau (41" n. Br.) gleicht an gewissen
Stellen dem schluchtenreichen Hügellande an den Quellen des
llek in der Orenburger Kirgisensteppe (43, S. 10). Hier, wie dort,
giebt es Schwingelgras, Artemisien und salzige Stellen mit Halophyten,
aber der spärliche Pflanzenwuchs gewährt den Hausthieren der Kirgisen
, den Pferden, Schafen und Kameelen, doch ein ausgezeichnetes
Futter. Diese hohen Steppen sind die Weidegründe des Pamirschafes
(Ovis Polii), welches hier erlegt wurde und dem im Thianschan sich
noch mehrere andere Arten desselben Geschlechtes anreihen. Es ist
anzunehmen, dass , wie es in Tibet der Fall ist, in diesen Hochländern
auch alpine Stauden mit den Steppenpflanzen des Tieflandes in Gemeinschaft
wachsen.
Aus dem seit dem vorigen Bericht (IV, S. 463 f.) in russischer
Sprache erschienenen Reisewerke Prshezvalskis ^ welches mir durch
die englische Übersetzung zugänglich geworden ist, sind nachträgliche
Erweiterungen der früheren Darstellung und auch einige Berichtigungen
zu entnehmen, nachdem die gegen 600 Arten umfassende
botanische Ausbeute von dieser denkwürdigen und auch durch den
Beobachtungsgeist des kühnen Forschers hervorragenden Unternehmung
von Maxiniozvitsch bearbeitet zu werden begonnen ist (Mongolia,
the Tangut country and the solitudes of Northern Tibet, by Prejevalsky
^ translated by D. Morgan. Vol. i. 2. London, 1876). Die
Gobi wurde zwei Mal in ihrer ganzen Breite durchreist, zuerst auf der
bekannten Strecke von Kiachta nach Kaigan und Peking, sodann auf
dem Rückwege in dem bis dahin unerforschten Centraltheil von Süden
nach Norden, zwischen Dinyuaning, der Hauptstadt von Aläschan, und
Urga während des hohen Sommers (26. Juli bis 17. September 1873).
A n der Kalgan-Strasse (i, S. 19) ist der Boden der eigentlichen Gobi
mit Kiesgeröllen bedeckt, die zuweilen mit beweglichen Sandflächen
wechseln und nur spärlichen, niedrigen Graswuchs aufkommen lassen:
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