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574 D I E WIRKSAMKEIT HUMBOLDT'S
Familien zurückzuführen, beschäftigte Humboldt sogleich lebhaft, als er
(1815) die Einleitung zu dem systematischen Werke über seine amerikanischen
Pflanzensammlungen 1 herausgab, die zwei Jahre später als
besondere Schrift 2 erschien und worin diese Untersuchung neben der
erneuten Bearbeitung seiner Ideen den Hauptinhalt bildet. Seine Darstellungen
wurden allgemein und namentlich von R. Brown mit grossem
Beifall aufgenommen, der sie in seiner Abhandlung über die Flora von
Congo (1818) besprach und schon damals bemerkte, dass diese Verhältnisse
wahrscheinlich nicht allein vom Klima abhängen. Als einige
Jahre später (1822) die Geographie der Pflanzen von ^C/^ÖZ^OT nach einem
umfassenden Plane bearbeitet wurde, finden wir die botanische Statistik
bereits als leitenden Gesichtspunkt angewendet, um die Florengebiete
nach Maassgabe der vorherrschenden Familien abzugrenzen. Auch
in den spätem Auflagen seiner »Ansichten der Natur« 3 fährt Humboldt
fort, die statistische Methode zu empfehlen, und doch hat er im Kosmos^
(1845) sich gegen den Versuch Schouw's, geographische Reiche
nach dem überwiegenden Vorkommen einzelner Pflanzengruppen aufzustellen,
mit Entschiedenheit ausgesprochen. Nicht in dem relativ
grössern Reichthum gewisser Familien, sondern indem Zusammenleben
der Formen, also in den Formationen sei der Charakter einer Flora begründet.
Durch die Formationen und Formen der Vegetation steht die Geographie
der Pflanzen mit der physiognomischen, durch die Statistik
mit der natürlichen Klassifikation in Beziehung. Die letztere Methode
bestimmt die absolute Anzahl von Arten, welche in einem Florengebiet
zu jeder Familie gehören. Sie vergleicht dieselbe mit der Gesammtzahl
der daselbst einheimischen Arten von Gewächsen. Es giebt Gattungen,
selbst ganze Familien, die ausschliesslich gewissen Zonen oder
auch nur einzelnen Ländern oder Continenten angehören, die meisten
sind in ungleichen Verhältnissen über einen grossen Theil der Erde
verbreitet. Da es sich nur in seltenen Fällen nachweisen lässt, dass die
Organisation der Fortpflanzungsorgane, nach welcher die Abtheilungen
des natürlichen Pflanzensystems entworfen sind, von den physischen
Einflüssen, die auf sie einwirken, bedingt werde, so weisen die endemischen
Erzeugnisse vielmehr auf jene unbekannten Kräfte hin, die bei
der Entstehung der heutigen Arten thätig waren und die der Geschichte
der Erde angehören. Gramineen finden sich überall, jede Art hat ihre
1 Nova genera et species plantarum, Bd. I. 2 Prolegomena de distributione
plantarum, 1817. 3 Ansichten der Natur, a. a. O., II, 127-137. 4 Kosmos
I, 376.
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IM GEBIETE DER PFLANZENGEOGRAPHIE UND BOTANIE 575
klimatische Sphäre, aber wir wissen nicht, warum gewisse Gattungen
in der gemässigten, andere in der heissen Zone überwiegen und weshalb
im tropischen Afrika diese Familie sich mannigfaltiger als im neuen
Continent gestaltet hat. Wie könnte man nach den physischen Verhältnissen
der Erdtheile einen Grund davon angeben, dass die Palmen in
Amerika so zahlreich sind, da doch die wenigen Arten Afrikas durch
die Häufigkeit ihres Vorkommens gleichfalls bedeutend in der Physiognomie
der Landschaft hervortreten, oder dass dort die meisten Formen
aufrecht wachsen, in Asien hingegen Schlinggewächse sind? Die Statistik
der Pflanzenfamilien behauptet denselben Werth für die Unterscheidung
der Schöpfungscentren, wie die Darstellung der Vegetationsformen
und ihrer Anordnung die Einsicht in die physischen Einflüsse
befördert, welche jedem Lande sein physiognomisches Gepräge verleihen.
Beide Aufgaben sind gleichberechtigt, aber wenn Himboldt der
letztern späterhin eine grössere Bedeutung als anfangs beizumessen
scheint, so möchte dies darauf beruhen, dass die Statistik im Fortschritt
ihrerBearbeitung den gehegten Erwartungen nicht ganz entsprochen hat.
Die Verhältnisszahlen der Familie zeigen sich bei der Vergleichung
von Ländern, die nach ihren Vegetationsformen zu demselben
Gebiet gehören, nicht so übereinstimmend wie Humboldt vermuthet
hatte. Zum Theil liegt dies freilich nur an den Schwierigkeiten, die
numerischen Elemente nach einer sichern Methode zu bestimmen.
Welche Formen als selbständige Arten aufzufassen seien, ist in vielen
Fällen eine nicht zu schlichtende Streitfrage der Systematiker. Von
den verschiedenen Erzeugnissen eines Landes lässt sich oft nicht ermitteln
, ob sie dessen Centren ursprünglich angehören, oder erst durch
spätere Einwanderungen einheimisch geworden sind. Anders aber verhält
es sich mit denjenigen Anomalien der statistischen Verhältnisszahlen,
welche je nach dem verschiedenen Umfange der verglichenen
Räume hervortreten und die nicht blos von der ungleichen Wanderungsfähigkeit
der Arten, sondern auch von der Vertheilung der Formationen
abhängig sind. Hier zeigt sich, dass die letzteren, dem Klima sich anpassend
und einer bestimmten Beschaffenheit des Bodens folgend,
einem andern geographischen Maassstabe unterworfen sind wie die Verhältnisszahlen
der Familien. Es wäre hiernach ein vergebliches Bemühen,
die Florengebiete nach statistischen Thatsachen abzugrenzen,
und insofern hatte Humboldt recht, die Formationen zu ihrer Charakteristik
zu empfehlen. Aber wenn die numerischen Elemente von den
ursprünglich einheimischen Gewächsen abgeleitet werden, bieten sie das
einzige Mittel^ die Schöpfungscentren zu vergleichen und in das Geheimniss
einzudringen, welches die Entstehung der Organismen verhüllt.
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