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500 BERICHTE ÜBER DIE FORTSCHRITTE
Die arktische Baumgrenze verläuft nach der beigegebenen Karte
so, dass die waldlose Küstenebene im Westen an der Grenze Norwegens
unter 6g n. Br. in den Continent eintritt und von hier auSj ostwärts
allmählich sich erweiternd , etwa die nördliche Hälfte des russischen
Lapplands j sowie vollständig die von nassen Tundren erfüllte
Halbinsel Kanin einschliesst. Bestimmt wurde die Baumgrenze an folgenden
Punkten: unterhalb Kola unter 69^ n. B.; am mittleren Laufe
des Ponoi 6f \ von wo sie südwärts zum Polarkreise ausweicht und die
Südostküste unter 66" 20' erreicht; an der Westküste von Kanin beginnt
sie ebenfalls in der Nähe des Polarkreises unter 66"40', bildet
dann in gleichem Abstände von der Küste der Tschesker Bucht eine
Kurve bis 66" 10' und von diesem südlichsten Punkte hebt sie sich im
Westen der Petschora wiederum bis 6 7" 40'.
Die grossen Waldbestände im russischen Lappland sind nach der
Schätzung der beiden Reisenden so zusammengesetzt, dass die Kiefer
(Pinus sylvestris) die Hälfte, die Fichte (P. Abies var. obovata) den
dritten und die Lärche (P. Larix var. sibirica) den sechszehnten Theil
der Waldfläche einnimmt, während der noch übrige Raum sich auf
andere Bäume vertheilt j unter denen die Birke die erste Stelle einnimmt.
Die nördlichsten Wälder bei Kola bestehen aus Kiefern ^ die
durchschnittlich nicht über einen Fuss dick werden und stark mit Usneen
behangen sind. Die Fichten erreichen an der Baumgrenze daselbst
kaum eine Höhe von 20'. Die stärksten Kiefern^ die gemessen wurden
und die nach der Anzahl ihrer Jahresringe go—100 Jahre alt waren,
waren 40' hoch., bei einem Stammdurchmesser von 18—21". Bäume,
die im Alter von 60—70 Jahren stehen und dann gewöhnHch zu Grunde
gehen, waren nur halb so hoch, bei einer Stammdicke von 12—14".
Das frühzeitige Absterben, noch bevor die Bäume ausgewachsen sind,
geht von der Krone aus und ist von Harzfluss begleitet. Auch die
Stämme der Birken und Espen verlieren ihren Holzkörper leicht durch
Fäulniss, die allmähhch von innen und oben nach aussen und abwärts
fortschreitet. Von anderen Bäumen wurden im russischen Lappland
namentlich folgende beobachtet: Pinus Pichta besonders im Kreise
Onega (nordwärts bis 64" n. Br. im Gouvernement Olonez), P. Cembra
im Kreise Mesen (unter 58"), P. Larix var. sibirica ebendaselbst und
an der Pinega, einem Nebenfluss der Dwina, bis 64".
Nach der Entdeckung von Überresten arktischer Pflanzen in Schonen
, welche Nathorst nachgewiesen hat, sind die streitigen Ansichten
über die klimatischen Änderungen seit der Glacialperiode und über
den Ursprung der Vegetation des Waldgebietes einer erneuten Prüfung
zu unterwerfen (Ofversigt Vetensk. Akad. Förhandl. 1873). Fünf
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IN DER GEOGRV^PHIE DER PFLANZEN. 501
phanerogamische Gewächse , die jetzt der arktischen Flora angehören,
wurden im Grunde von Waldmooren in Schonen unmittelbar über
Glacialschutt und unterhalb der Baumreste aufgefunden : Dryas octopétala,
Betula nana, Salix reticulata, polaris und herbacea. Diese und
ähnliche Beobachtungen sind auch von Steenstrup in den Torfbildungen
Seelands bestätigt und von Nathorst in der Folge auf verschiedene
Gegenden des mittleren Europas ausgedehnt worden, auf die baltische
Ebene an den Grenzen der Mark und Mecklenburgs, auf die Schweiz
zwischen dem Bodensee und Zürich, auf Devonshire und Norfolk in
England. Zuerst kommt die Frage in Betracht, ob man aus dem Vorkommen
dieser Pflanzen, die nach der Glacialzeit dort einheimisch
waren, und aus ihren heutigen Vegetationsbedingungen mit Sicherheit
darauf schliessen kann, dass damals ein arktisches Klima zwischen dem
56. und 48. Breitengrade in Westeuropa geherrscht habe. Man kann
gegen diese Folgerung einwenden, dass Dryas noch jetzt in die Tiefe
der Thäler von Oberbayern herabsteigt und Betula nana auf Torfmooren
in Schwaben wächst, ferner dass auch von den drei Polarweiden
wenigstens eine Art, Salix reticulata, mit Dryas in Gesellschaft abwärts
bis zum Seestrande an der Westküste Norwegens gefunden wird. In
diesen Fällen sind es benachbarte, alpine Gebirge, die diesen Gewächsen
die dem arktischen Klima entsprechenden Standorte zu Theil
werden lassen, und es ist, da aus ihrem Vorkommen im tiefsten Niveau
ihre Adaptationsfähigkeit an die verschiedensten Lebensbedingungen
hervorgeht, ebenso gerechtfertigt anzunehmen, dass ihre Keime aus
den baumlosen in die unteren Regionen übergegangen sind, als dass
sie die übrig gebliebenen Zeugen einer vergangenen Zeit wären, die
sie mit der Glacialperiode in Verbindung setzt. Namentlich ist Dryas
von klimatischen Einflüssen so unabhängig, dass sie in den Alpenthälern
und am Fusse der norwegischen Fjelde ebenso üppig und gesellig gedeiht,
wie in den alpinen Eiöhen. Sahx polaris ist zwar jetzt auf die
arktische Flora eingeschränkt, aber sie steht nach ihrer Organisation
mit den beiden anderen Polarweiden unter gleichen physischen Bedingungen
des Vorkommens und man hat daher keinen Grund zu behaupten
, dass sie in Folge von klimatischen Veränderungen da verschwunden
sei, wo die eine der letzteren sich noch jetzt erhalten hat.
Wenn man auf der anderen Seite in Erwägung ziehen will, dass
Schonen zu weit von den Gebirgen Norwegens entlegen ist, als dass
eine Verpflanzung alpiner Gewächse in der Weise, wie sie jetzt durch
die Flüsse der Alpen bewirkt wird, möglich wäre, und dass die Zwergbirke
der schwäbischen Torfmoore in den bayerischen Hochgebirgen
überhaupt nicht vorhanden ist, so führt dies zu dem Problem über die
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