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ÜBER
DIE VEGETATIONSLINIEN DES NORDWESTLICHEN
DEUTSCHLANDS.
EIN BEITRAG ZUR GEOGRAPHIE DER PFLANZEN.
In einer früheren Abhandlung i habe ich gezeigt, dass die mittlere
Wärme der Vegetationszeit, vom 46. bis über den 60. Breitegrad hinaus
und unter den verschiedensten Meridianen unseres Erdtheiles übereinstimmend,
als gemeinschaftliche klimatische Bedingung der Vertheilung
der vorherrschenden Gewächse über dieses mitteleuropäische Gebiet
zu Grunde liege. Hierdurch war der allgemeine Charakter von dessen
Pflanzendecke bestimmt und somit der gesetzliche Zusammenhang
zwischen Klima und Vegetation für jenen Kreis von Erscheinungen
nachgewiesen, welcher unter dem Ausdruck „mitteleuropäische Flora"
begriffen werden kann. Aber innerhalb des Gebietes derselben wurde
durch solche Darstellungen die örtliche Mannigfaltigkeit nicht erklärt,
wiewohl eben so wenig geleugnet. Meine Untersuchung bezog sich
vielmehr nur auf gewisse Pflanzenformen, aber auf diejenigen, welche
durch Wanderung die weiteste Verbreitung erlangt haben und zugleich
durch ihre Gruppirung den Formationen Mitteleuropas den gemeinsamen,
landschaftlichen Typus verleihen, worauf der Begriff einer natürlichen
Flora zunächst begründet ward. Diese Gewächse, grossentheils
auch auf den Gebirgen am Mittelmeer wiederkehrend, machen zwar
kaum den dritten Theil der in Mitteleuropa einheimischen Arten aus,
aber da die übrigen auf mehr oder minder enge Areale und oft nur auf
einzelne Örtlichkeiten eingeschränkt sind, so ergiebt sich hieraus die
bemerkenswerthe Thatsache, dass auf kleinen Räumen jene allgemein
mitteleuropäischen den örtlich, enger begrenzten Formen gegenüber bei
Weitem die Mehrzahl bilden, ja auf manchen Quadratmeilen wohl an
80 Procent von der Gesammtzahl der Phanerogamen ausmachen können.
' Über den Einfluss des Klimas auf die Begrenzung der natürlichen Floren.
ÜBER DIE VEGETATIONSLINIEN DES NÖRDWESTE . DEUTSCHLANDS . 1 3 7
Schloss ich damals von meiner Betrachtung die specielleren Verhältnisse
aus, welche eine weitere Gliederung der mitteleuropäischen
Flora möglich machen; so wurde doch die in^ der That schwierigere
Untersuchung über die klimatischen Bedingungen der engeren Vegetationsareale
bereits durch die Bemerkung vorbereitet 1, dass diePolarund
Äquatorialgrenzen der letzteren von anderen klimatischen Momenten
abhängig seien, welche z. B. in dem Verhältnisse der einzelnen Entwickelungsphasen
einer Pflanzenart zu den Temperäturgraden bestehen,
denen sie zu einer bestimmten Zeit unterworfen ist. Nach diesem Satze
würden zu den allgemein verbreiteten solche Pflanzen gehören, deren
Entwickelung von den Ungleichheiten unter den verschiedenen Temperaturkurven
Mitteleuropas unabhängig ist, deren Temperatursphäre
einen Umfang hat, gross genug, um von jeder möglichen Schwankung
in den Ordinaten der Kurven, denen die einzelnen Phasen der Vegetation
entsprechen, unberührt zu bleiben. Die Pflanzen beschränkteren
Areals hingegen, die man als nördliche, südUche, ostliche oder westliche
Formen der Flora zu bezeichnen pflegt, sind nach jener Andeutung
diejenigen, deren Temperaturgrenzen, sei es überhaupt oder in
Bezug auf einzelne Ordinaten , näher zusammenhegen , und die daher
irgendwo innerhalb des Gebiets entweder Polar- oder Äquatorialgrenzen
erhalten, oder sich nach Meridianen absondern müssen. Denn ähnhch
wie Nord und Süd gegenüberstehen und sich durch die Dauer der Vegetationsepoche
unterscheiden, so auch Küsten- und Continentalklima im
Sinne von West nach Ost. Mit solchen und anderen klimatischen Bestimmungen
ist also der Einklang wirklicher Beobachtungen über das
Vorkommen der Pflanzen nachzuweisen: es muss untersucht werden,
ob die klimatischen und botanischen Areale zusammenfallen, um jene
Unterscheidungen sicherer zu begründen.
Mit dieser pflanzengeographischen Aufgabe ist der hauptsächhchste
Gegenstand der vorliegenden Arbeit bezeichnet, die sich unmittelbar
an die frühere anschliesst. Sie beschränkt sich inzwischen auf einen abgesonderten
, willkürlich begrenzten Bezirk, weil die Beobachtungen,
so unendlich zahlreich dergleichen in den botanischen Topographien
vorliegen, doch für ganz Mitteleuropa viel zu unvollständig sind, um
die Areale der wirklichen Verbreitung jeder Speeles auszudrücken.
Ebenso werden aus demselben Grunde Untersuchungen dieser Art nur
auf phanerogamische Pflanzen bezogen, da die Verbreitung der Kryptogamen
nur in einzelnen Gegenden genügend erforscht ist.
Unser Bezirk begreift den grössten Theil des Weser- und Ems