
ÜBER
DEN VEGETATIONSCHARAKTER VON HARDANGER
IN BERGENS STIFT.
In der Nähe des 60, Breitegrades, am Söefjord im westlichen
Norwegen, hat man mehrmals vergeblich versucht die Buche anzupflanzen
: dagegen ist dies an der äussern Küste des Meers mehrere
Meilen nördlich von Bergen gelungen, ja es sollen nach Blytt ^ sogar
über den 63. Grad hinaus einige Bäume noch bei Christiansund fortkommen.
Aber dies sind auch die beiden einzigen Punkte an der ganzen
norwegischen Westküste, wo Buchen gefunden werden. Solche
Anomalien in der Verbreitung der Gewächse verdienen unsere Aufmerksamkeit,
nicht bloss, wenn wir die natürlichen Hülfsquellen eines
Landes darstellen wollen, sondern vorzüglich bei der Untersuchung der
Einflüsse, welche theils das Klima, theils die Gestalt der Erdoberfläche
auf die Pflanzen äussern. In der Provinz Bergens Stift giebt es noch
mehr ähnliche Probleme zu lösen. So will auch die Rothtanne, der vorzüglichste
Baum Tellemarkens, an der Seeküste nicht gedeihen, und in
dem weitläuftigen Bezirke des Hardangerfjords, wo ich mich während
des Julius und August im Jahre 1842 aufhielt, habe ich nur an einer
einzigen Localität, auf dem Passe, der nach Vossevangen führt, diesen
Baum gesehen. Eine der häufigsten Pflanzen jener Gegend ist Digitalis
purpurea, allein, wenn man von Hardanger nach Teilemarken reist, sieht
man sie nicht mehr, sobald man über den kleinen See Odde-Vand gesetzt
ist. Doch wir wollen zunächst bei der Buche verweilen, wir wollen
uns mit der Frage beschäftigen, weshalb dieser Baum nur an zwei weit
entlegenen Punkten auflcommt.
• Die Temperatur, innerhalb deren eine Buchenvegetation möglich
ist, kennen wir mit hinlänglicher Genauigkeit. Die meteorologischen
Beobachtungen auf der Sternwarte zu Christiania geben hiezu einen
1 I n j Plantelaere. Kiöbenhavn 183 7-
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sichern Anhaltspunkt: denn wenige Meilen südlich von dieser physikalischen
Station stehen die letzten Buchen am Fjord bei Holmestrand.
In dem Klima von Christiania selbst hingegen gedeihen sie nicht mehr.
Es ist merkwürdig, dass die Buchenwälder nirgends so üppig und hochstämmig
sind, als in der Nähe von deren Polargrenzen : so auf den dänischen
Inseln unter 56° n. B., da der Baum in Schweden doch schon
unter 57° sehr selten wird, und so ist auch der einzige grosse Buchenwald
Norwegens, welcher neben der Einfahrt in den Meerbusen von
Frederiksvärn hegt und vom 59. Breitengrade geschnitten wird, nur 7
Meilen von jenem Scheidepunkt, von Holmestrand entfernt. Es unterliegt
keinem Zweifel, dass aus der Reihe der die Vegetation beherrschenden
Factoren die Temperatur es allein ist, welche vom nördlichen
Gestade des Christianiafjords die Buchenwaldungen ausschliesst. Die
mittlere Wärme beträgt daselbst nur 5^,4 C., noch etwas weniger als zu
Stockholm, von wo man bis zu den nördhchsten schwedischen Buchen
schon eine mehrtägige Reise zu machen hätte. Auch der jährliche Gang
der Temperatur in den beiden skandinavischen Hauptstädten ist ziemlich
derselbe. Vergleiclien wir damit die khmatischen Verhältnisse von
Gothenburg, wo die Buche noch vorkommt, so schliessen wir zwischen
diesen Werthen die wahre Grenze des Buchenklimas ein. Zu diesem
Zweck ist das arithmetische Mittel beigefügt.
Mittlere Wärme
Winterkälte
Sommerwärme
Kälte des kältesten
Monats
Christiania. ^
+
- 5",o-
+ 15",5 -
,4 -
Stockholm.2
- 3",5-
4", 3
Gothenburg.
+ 7",9C.
- o",3-
+ 16",9 -
1 -
Mittel.
- 2^9-
- -
Nehmen wir nun an, das^ die Polargrenze der Buche in Skandinavien
durch dieses arithmetische Mittel, d. h. durch mittlere klimatische
Werthe zwischen drei in der Nähe derselben im Niveau des Meers gelegenen
Orten ausgedrückt wird, so können wir weiter aus den am Ufer
des Hardangerfjords angestellten Messungen folgern, ob diese Gegenden,
in denen die Buche nicht einheimisch ist, noch innerhalb des Buchenklimas
liegen oder nicht.
Ullensvang.^
Mittlere Wärme + C.
Winterkälte -
1 Nach Hansteen in Magazin for Naturvidenskaberne 1841.
2 Nach Mahlmanns Tafehi in Dove s Repertoriinn der Physik. Bd 4. S. 33.
3 Daselbst S. 33 und 136.
4 Daselbst S. 31.
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