
t
I I { FSL
I i
]: i i
AM I 1R
590 ÜBER VON RICHTHOFEN'S CHINA.
grosse Abschnitte der Erdkugel ist der allgemeine Beweis für Anschauungen
gegeben, die bis dahin nur unvollständig zu begründen waren^
und damit ein neues und nothwendiges Verbindungsglied zwischen der
unorganischen und organischen Natur klar hervorgetreten. Was das
Wasser allein nicht leisten kann, um die Vegetation in unveränderlicher
Frische der Lebenskraft zu erhalten, das wird ihr durch die Bewegungen
der Atmosphäre zu Theil. Die Formationen, die hiedurch gebildet
werden, bezeichnet e/. Richthofcn schon in früheren Schriften den neptunischen
gegenüber als subaerische, indem er neben dem atmosphärischen
Staube bei der Entstehung des Löss auch noch andere Bewegungen
als mitwirkend betrachtet und unter jenem Ausdruck alle
Gebilde zusammenfasst, die nicht im Wasser abgelagert wurden. Man
möchte vielleicht der Bezeichnung atmosphärischer Formationen vor
dem ersteren den Vorzug geben, da wenigstens die vulkanischen
Eruptivstoffe nicht darunter begriffen sind, die doch auch zwischen
dem trockenen Boden und der Luft sich anhäufen. Auch die Bewegungen
des Gletscherschutts haben, als Glacialbildungen allgemein bezeichnet,
zu den atmosphärischen Formationen keine nähere Beziehung.
Zu den Quellen von Bewegungen, die neben dem Winde und der
Schwerkraft zu der Bildung des Löss beitragen, zählt der Verfasser das
auf geneigten Flächen herabrieselnde RegenWasser, welches den Gebirgsschutt
abspült, und eine eigenthümliche Thätigkeit in der Vegetationsdecke
selbst. Nach ihm wirkt die Capillarstructur des Löss wie
ein System von Röhren, in welchen das Regenwasser rasch in die Tiefe
dringt und sich aufstaut, so dass die Salze, die es auslaugt, durch Diffusion
aus dem Innern der Formation den Wurzeln beständig zugeführt
werden. Diese Diffusionsbewegung bringe demnach Stoffe an
die Oberfläche, die die Fruchtbarkeit des Bodens erhöhen und nach
der Verwesung der Pflanzen, die sie ernährten, an dem Orte zurückbleiben,
wo sie gebunden wurden. Solche Vorgänge mögen in der
That zu der Incrustation der Capillarröhren- mit Kalksalzen mitwirken.
Fasst man Alles zusammen, was über die Bildungsgeschichte des Löss
gesagt wird, so wäre es schwer, in den beobachteten Thatsachen oder
den Schlussfolgerungen daraus irgend eine Lücke zu finden. Die einzige
Vervollständigung, die zu wünschen wäre, möchte darin bestehen,
dass der Verwesungsprocess in den Wurzeln und der Übergang der
durch sie ausgefüllten in leere Capillarröhren noch nicht unmittelbar
beobachtet worden ist. Auch wurden im Löss eingeschlossene Pflanzenreste
nicht gefunden, wohl weil die gefässarmen Wurzeln eines Grasrasens
zur Erhaltung wenig geeignet sind.
Dem Standpunkte des Verfassers ist es entsprechend, dass er bei
ÜBER VON RICHTHOFEN'S CHINA. 591
allem Umfange seines Gesichtskreises und seiner Gelehrsamkeit die
eigenen Anschauungen über die Beziehungen von Boden und Klima
zur Vegetation aus seinem eigensten Fache, der Geologie, schöpft.
Ihm ist die Gegenwart mit ihren heutigen Lebensbedingungen und die
kurze Zeitspanne, welche die menschliche Überheferung umfasst, nur
ein Moment in der Geschichte der Erde, und was diese an ehemahgen
Veränderungen ihrer Zustände aufweist, wird ihm zu einer fortbestehenden
Entwicklung. Flieraus entspringt - die Gefahr, der Sorge,
welche die Natur auf die Erhaltung des Bestehenden verwendet, nicht
immer bewusst zu bleiben und Veränderungen, die geologischen Zeiträumen
angehören, auch noch dann anzunehmen, wenn die Fortdauer
derselben sich nicht erweisen lässt. Ich sehe es jedoch gerade als ein
besonderes Verdienst an, dass hier diese geologischen Gesichtspunkte
bis in ihre letzten Folgerungen durchgeführt werden. Denn eben hieraus
ist auch auf andern Gebieten Belehrung zu schöpfen, und, wenn
sich Einschränkungen ergeben, so kann doch nur aus der gegenseitigen
Anpassung verschiedener Forschungskreise ein bleibender Gewinn entstehen.
Die asiatischen Steppen werden hier nicht blos als eine Folge heutiger
khmatischer Bedingungen gewürdigt, sondern sie erscheinen unter
dem geologischen Gesichtspunkte zugleich als ein wandelbares, im
Werden und Vergehen begriffenes Gebilde, insofern das Klima selbst
von der plastischen Entwicklung des Festlandes abhängig ist. v. Richthofen
sucht einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Entstehung
der Steppen und den atmosphärischen Formationen nachzuweisen.
So führt er an, dass, wie der Löss sich in geneigten Ebenen vom Tieflande
biß zu den Gebirgshöhen erstreckt, so auch die Steppenvegetation
, bekanntlich vom Niveau wenig beeinflusst, vom Caspischen
Depressionsgebiete bis zum Hochlande von Tibet in ihren physiognomischen
Zügen unverändert bleibt. Der Landschaftscharacter der
Hochflächen Centraiasiens steht im entschiedensten Gegensatze gegen
den Absturz der äusseren Gebirgsumwallung zu den Tiefländern, die
sie umgeben. Dort ragen die Gebirge, die die Hochebenen einschhessen
und gliedern, wiewohl sie die höchsten der Erde sind, doch nur zu
relativ massigen Erhebungen über der Grundfläche empor, in weiten
Fernen, aus sanften Böschungen, die zu den spärlichen und wenig tief
eingesenkten Flusslinien des Steppenbodens hinabführen. An der
Aussenseite Centraiasiens hingegen, im indischen Himalaya oder in den
Altaiketten, tritt der alpine Character des Hochgebirges mit seinen
schroffen Gehängen, den hochaufragenden Gipfeln und tief eingeschnittenen
Thälern im grössten Maassstabe entgegen. Diese Unter-
Iii"
Ii