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586 Ü B E R VON RICIITIIOFEN' S CHINA.
leichter verlieren die Ergebnisse an Bedeutung. Bei allem Verdienst
der Arbeit wird doch der Blick auf das Ganze geschwächt und das Ziel^
das so nahe zu Hegen schien ^ rückt in immer weitere Fernen. Denn
die Natur ist einfach in ihren Grundzügen, aber unerschöpflich in den
Erscheinungen, die aus dem Zusammenwirken ihrer Kräfte hervorgehen.
In der Geologie erblickte v. Buch in den Erhebungen des Bodens
das Gegengewicht gegen die nivellirenden Bewegungen des Wassers
^ die, wären sie allein wirksam, zuletzt die Continente in das Meer
versenken müssten, aber wie wenig ist von seinen Vorstellungen über
die Mittel übrig geblieben, welche die Natur zu dieser Ausgleichung
verwendet, und je klarer sich die Wirklichkeit der Hebungen und Senkungen
herausgestellt hat, desto mehr sind ihre Ursachen dem Gesichtskreise
der Beobachtung verhüllt geblieben. Auf allen Gebieten der
Naturwissenschaften wird es von Jahr zu Jahr fühlbarer, dass die Lösung
vereinzelter Probleme erstrebt und höher geschätzt wird als die
Anschauungen des Zusammenhangs der Erscheinungen, die doch weiter
führen als die Entdeckung einer neuen Thatsache. Nun ist es an
der Zeit, einen andern Weg einzuschlagen, der von den Thatsachen
zu der Theorie zurückführt, und manche Zeichen sprechen dafür, dass
solche Richtungen an Einfluss zu gewinnen anfangen. Unter diesem
Gesichtspunkte möchte ich hier, wo der Reichhaltigkeit des vorliegenden
Werkes nachzukommen der Raum verbietet, dessen Tendenzen
besprechen, deren hervorragendes Verdienst eben darin besteht, dass
V. Richthofcn über den Zusammenhang von Geologie, Geographie und
Geschichte schöpferische Gedanken entwickelt hat, die geeignet sind,
dem Fortschritt der Untersuchungen fruchtbare Bahnen vorzuzeichnen.
Den Ausgangspunkt bilden die Beobachtungen am Löss des nördlichen
China, deren Bedeutung durch characteristische Holzschnitte
sofort zur anschaulichsten Auffassung gebracht wird. Diese Formation
, die dem Reisenden vom Rhein und von der Donau her wohl bekannt
war, fand er dort in einer niemals vorher gekannten Mächtigkeit
wieder, zu tausend Fuss und mehr in die Tiefe reichend und durch
senkrechte Abstürze aufgeschlossen. Hätte er, wie es früher von ihm
geschah, nur die Beobachtung mitgetheilt, und die Folgerungen ausgesprochen,
die er schon damals daran knüpfte, so würde die Bildungsgeschichte
des Löss der Gegenstand widerstreitender Meinungen, wie
bisher, vermuthlich gebheben sein. Nachdem aber v. Richthofefi nunmehr
seine Löss-Theorie zuerst durch unwiderlegbare Thatsachen
sicher begründet und die den ganzen Umfang der Geologie umfassende
Bedeutung derselben klar entwickelt hat, kann man erwarten, dass
eine neue Gestaltung dieser Wissenschaft von seinen Untersuchungen
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ausgehen wird. Der alte Kampf zwischen den Vulkanisten und den
Neptunisten war längst ausgeghchen. Jeder der beiden Standpunkte
war zu seinem Recht gekommen, den vom Innern des Planeten ausgehenden
Kräften wurde das Hervortreten des Festlandes aus dem
Meere, den Bewegungen des Wassers die Veränderungen an der Oberfläche
zugetheilt. So sollte auch der Löss, der als ein fruchtbarer
Lehmboden von sehr eigenthümlichen Eigenschaften im Rheinthale
zuerst die Aufmerksamkeit fesselte, aus einer ehemahgen Wasserbedeckung
dieser Landschaften hervorgegangen sein.
Der Mangel jeder Schichtung, die den Ablagerungen im Wasser
eigen ist, die allgemeine Verbreitung der wohlerhaltenen Gehäuse von
Landmollusken, während die im Wasser lebenden ausgeschlossen sind,
neben den gelegentlich vorkommenden Überresten von Säugethieren
des Festlandes, und die vom Niveau unabhängigen Auflagerungen des
Löss auf geneigten Ebenen bis zur Höhe der Gebirgsabhänge begründeten
die Meinung v. Richthofens ^ dass dieser Lehm aus dem Staub
der Atmosphäre abstamme, der während langer Zeiträume zu einer
mächtigen Decke über jedem Boden, sofern er nicht unter einem Wasserspiegel
liegt, sich in langsamem Aufbau anhäufen könne. Allein das
entscheidende Argument für die Richtigkeit der Theorie besteht darin,
dass die sogenannte capillare Structur des Löss aus den Wurzeln von
Gräsern hervorgegangen ist, die durch ihr Wachsthum in dem thonigen
Erdreich zarte Röhren bilden und nach ihrer Verwesung leer zurücklassen
, worauf dieselben das einsickernde Wasser der atmosphärischen
Niederschläge mit Leichtigkeit aufnehmen und in der Folge von kohlensaurem
Kalk incrustirt werden. Die Übereinstimmung dieser Capillargänge
mit der Richtung und Verzweigung von Wurzeln kann man am
Löss überall und auch in den tiefsten Lagen desselben erkennen, wie
ich mich in der Sammlung des Verfassers an einem chinesischen Flandstück
selbst überzeugen konnte. Hieraus ergiebt sich , dass jeder jetzt
in der Tiefe verborgene Querschnitt des Bodens einstmals dessen Oberfläche
und damals mit Gräsern bewachsen war, bis diese, von atmosphärischem
Staub überschüttet, zu Grunde gingen und neue Generationen
gleicher Art in aufsteigender Richtung nachfolgten, wie sie
noch jetzt die natürliche Pflanzendecke bilden können. Im nördhchen
China ist auch bei heiterem Himmel die Atmosphäre beständig trübe
und wie von einem Schleier verhüllt, der die Fernsichten verdunkelt
und die Landschaft ihres Schmucks beraubt. Das sind die Staubmassen
, welche die regelmässig wehenden, nördlichen Winde von der
hohen Gobi und ihren Randgebirgen herbeiführen, die sie, das Schwerere
von dem Leichtern sichtend, in der Weise vertheilen, dass der