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BERICHTE ÜBER DIE FORTSCHRITTE
angepasst ist. als je einer der beiden Mutterpflanzen zukommen. Ganz
ebenso verhält sich eine hybride Primel (Pr. v^iri^ibilis), die nach Kerncr
bei Wien sehr vereinzelt zwischen den Stammarten (Pr. grandiflora und
Pr. officinalis) gefunden wird und in einigen Gegenden Frankreichs,
ohne von einer der letzteren begleitet zu sein, zu einer selbstständigen
Art geworden ist. Dass indessen solchen Erscheinungen keine allgemeine
Bedeutung für den Ursprung der organischen Schöpfung beizumessen
sei^ ergiebt sich schon daraus, dass aus hybrider Befruchtung
nur Mittelformen von schon bestehenden Arten, niemals aber die Endglieder
einer Reihe verwandter Organismen hervorgehen konnten.
Wiewohl wir d^iher keineswegs berechtigt sind, Linné's Meinung, dass
alle Arten einer und derselben Gattung auf diesem Wege entstanden
seien, durch solche doch immer nur auf besondere physiologische Bedingungen
eingeschränkte und als Ausnahmsfälle zu betrachtende Thatsachen
allgemein begründet zu halten, so stehen sie doch in entschiedenem
Gegensatz zu dem Darwinismus, der den Ursprung jeder eigenthümlichen
Organisation nicht auf Hybridität, sondern auf Variation
zurückführen will. Hierdurch werden vielmehr, wie mir scheint, die
Ansichten Nägelis über die Hieracienformen in ihr wahres Licht gestellt,
welche Danvin als thatsächliche Begründungen seiner Lehre mit
Eifer begrüsst hat (Descent of man. Deutsche Ausg. I, S. 200). Nägeli
hatte nämlich die Meinung geäussert, dass die Zwischenglieder der
Hieracien durch Transmutation aus untergegangenen oder aus noch
bestehenden Formen hervorgegangen wären, die Arten selbst aber
noch nicht so vollständig getrennt seien, wie dies in den meisten anderen
Gattungen durch Verdrängung der Mittelformen erfolgt wäre
(Botanische Mittheilungen , Bd. 2, S. 346). Wiewohl zur Begründung
dieser Ansicht behauptet wird,- dass die Übergangsformen der Hieracien
wegen ihrer Beständigkeit und der isohrten Art ihres Vorkommens mit
den Gesetzen der Hybridität nicht vereinbar seien, so lässt sich doch
nicht verkennen, dass dieselben sich genau eben so verhalten, wie die
von Kerncr und mir angeführten Beispiele aus anderen Gattungen.
Denn wenngleich die meisten der von Fries und Anderen unterschiedenen
Hieracien noch nicht auf Stammarten, die sich kreuzten, zurückgeführt
sind, so ist diese Aufgabe doch in der Sektion Pilosella mit Erfolg
gelöst worden und bei den übrigen lässt sich nach der Analogie
erwarten, dass durch fortgesetzte Beobachtungen hier dasselbe künftig
werde geleistet werden. Wenn nun aber auch in gewissen Gattungen,
sei es durch Hybridität und nachfolgende geographische Absonderung
oder vielleicht auch durch selbstständige Ausbildung klimatischer Varietäten
, neue Arten wirklich entstanden sind, so sind dies doch nur
IN DER GEOGRAPHIE DER PFLANZEN. 405
seltene Erscheinungen, auf die keine allgemeine Theorie über den Ursprung
der organischen Natur aufgebaut werden kann.
Die verwandte, von Wallace herrührende und im vorigen Bericht
besprochene'Separations-Hypothese if. Wagner's hat diesen im weiteren
Verfolg seiner Überlegungen aus einem Anhänger in einen Gegner
der Darzvifi^zh^xx Lehre umgewandelt (Über den Einfluss der geographischen
Isolirung und Kolonienbildung auf die morphologischen
Veränderungen der Organismen, Sitzungsberichte der bayerischen
Akademie, 1870, Juli). Er meint, dass die Umbildung einer Art unter
neuen Lebensbedingungen in kurzer Zeit vor sich gehe und dass individuelle
Formen, wenn sie durch Variation im Sinne Darwin's entstanden
wären, alsbald durch gegenseitige Befruchtung mit dem unverändert
gebliebenen Stamm in diesen zurückschlagen müssten. Wären
sie dagegen geographisch isolirt gewesen, so würden sie, nur durch
ihre eigenen Befruchtungsorgane fortgepflanzt, sich dauernd erhalten
können. Hieraus würde sich auch erklären, dass bei den endemischen
Arten keine Übergänge zu den verwandten Formen bemerkt werden,
die flu- die Variationen eben das entscheidende Merkmal sind. Ohne
auf die früheren Bemerkungen über diese Ansichten zurückzukommen
will ich hier gegen die Allgemeingültigkeit derselben nur noch hervorheben,
dass die zahlreichen Fälle von vikariirenden Arten in entfernten
Erdstrichen, zwischen denen eine Übersiedelung undenkbar ist sich
mit solchen Vorstellungen nicht vereinigen lassen. Wie soll man sich
beispielsweise eine einstige geographische Verknüpfung zwischen den
Storaxbäumen (Liquidambar) und Platanen Kleinasiens und Nordamerikas
, den Eriken des Caplandes und Westeuropas möglich denken
oder zwischen den zwiefach belaubten Akazien auf den Sandwichinseln
und auf Bourbon, die sich so nahe stehen, dass man sie noch nicht
sicher unterscheiden konnte, und die doch durch den halben Umfang
der Erde von einander getrennt sind ?
Fasst man den Endemismus von einem allgemeinen Standpunkt
auf, so zeigt sich, dass die eigenthümlichen Arten um so zahlreicher
werden, je grösser die mechanischen oder klimatischen Hindernisse
sind, die ihrer Ausbreitung und Vermischung entgegen stehen (Vegetation,
I, S. 210). Dieses Ergebniss lässt sich mit einer Abstammunoderselben
von einander schwer vereinigen und fügt sich am leichtesten
der Vorstellung, dass sie unabhängig von einander an bestimmten
Ausgangspunkten (ihren Vegetationscentren) entstanden sind und sich
von hier aus bis zu ihren heutigen geographischen Grenzen verbreitet
haben. Indessen hat Bentham mit Recht gegen diese Auffassung cxeltend
gemacht, dass die eng begrenzten Wohngebiete ebensowohl aus
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