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316 DKR GEGENWÄRTIGE STANDI'UNKI^
das Klima erkkären lässt, darf sie nicht als eine Vegctationslinie, sondern
muss als aus unvollendeter Wanderung hervorgegangen und daher als
veränderlich betrachtet werden.
Bei weitem leichter lassen sich demnach die klimatischen Grenzen
der natürlichen Floren erkennen, wo ganze Formationen von Pflanzen
geographisch abgeschlossen sind und nicht selten auch neue, physiognomisch
bedeutende Pflanzenformen zuerst auftreten. Nur ist es erforderlich,
hierbei auch die Art und Weise der klimatischen Einwirkung
auf den Lebensprocess in Betracht zu ziehen, um nicht durch scheinbare
Ausnahmen verwirrt zu werden. Die Waldgrenze des mittleren
Russlands gegen die Steppenflora hängt eben so wie die im Norden am
Saume des baumlosen Samojedenlandes von der Verkürzung der Vegetationszeit
ab. Dort beruht dieselbe auf dem regenlosen Sommer, der
der vegetativen Entwickelung nach dem Schmelzen des Schnees nur
emcn kurzen Frühling übrig lässt; hier ist es die lange Dauer des arktischen
Winters, welche den Sommer auf weniger als 3 Monate einschränkt.
Allein in beiden Fällen folgen die Bäume den Flusslinien
ni das waldlose Gebiet vordringend, doch nur eine kurze Strecke weit
mi Norden, während in den Stromniederungen der Steppe die Baumkultur
unbeschränkt ist. In dem ersteren Falle sind es die Thaleinschnitte
des Petschora-Gebiets, welche ein früheres Steigen und späteres
Smken der Temperatur bedingen, bis die wachsende Polhöhe auch
diesen geringfügigen Schutz unter das-Maass, dessen die Bäume bedürfen,
herabdrückt; in den Steppen hingegen wird der Nachtheil der
bommerdürre durch das in den Boden eindringende Grundwasser des
Stromes m der ganzen Länge des Thalweges, so weit dessen Bodenbeschaffenheit
es zulasst, aufgehoben. Eben so ist es eine Folge des
regenlosen Sommers-im Gebiete der Mediterranflora, dass die Wiesen
des Nordens durch andere Formationen ersetzt werden; aber aus demselben
Grunde fehlen sie weder dem Meeresufer noch den spärlich auftretenden
Flussniederungen und eben so wenig den gebirgigen Landschaften
m einem gewissen Niveau, wo der geneigte Boden und dessen
Waldbekleidung auch im Sommer die erforderlichen Niederschläge hervorruft.
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Was man nach Httmboldfs Begriffsbestimmung in der Geobotanik
Pflanzenformen oder physiognomisch bedeutsame Gestaltungen der
Vegetation nennt, ist von den auf die Reproductionsorgane gegründeten
Gliederungen des botanischen Systems in vielen Fällen ganz unabhängig.
Für die Lorbeerform Humboldts ist die Familie der Laurineen
nur em einzelnes Beispiel, sie umfasst die verschiedensten Dikotyledonen.
Die Form der Succulenten wird in Amerika vorzüglich durch die
DER GEOGRAPHIE DER PFLANZEN. 317
Cacteen^ in Afrika durch Euphorbien und Gewächse anderer Familien
vertreten. Nur die Monokotyledonen und Kryptogamen zeigen eine
grössere Übereinstimmung der morphologischen und geobotanischen
Systematik. Aber die letztere ist in allen Fällen eins der wichtigsten
Elemente, um die Eigenthümlichkeiten der natürlichen Floren darzustellen,
denn sie soll nicht eine willkürhche Klassifikation des Pflanzenreichs
nach vegetativen Merkmalen sein ^ sondern nur diejenigen
Vegetationsbildungen verdienen als selbstständige Pflanzenformen unterschieden
zu werden, die einer eigenthümlichen Einwirkung des Klimas
angepasst sind. Die treffenden Grundzüge der geobotanischen Systematik
j welche Humboldt in seinen „Ansichten der Natur" gab, sind
später nur wenig bearbeitet und wissenschaftlich weiter ausgebildet
worden. Sie bedürfen sowohl, was die Reihe der unterschiedenen Formen
betrifft, einer erheblichen Vervollständigung, als einer umfassenden
Untersuchung über die klimatischen Bedingungen, von denen ihre
geographische Verbreitung abhängt. Um nur zwei Beispiele zu erwähnen,
so sind die halb succulenten Chenopodeen und die Dornsträucher, unter
denen man die Tragacantha-Form Vorder-Asiens als typischen Repräsentanten
hervorheben kann, zwei Bildungen des Steppenklimas, die
sich eignen, den Zusammenhang desselben mit einer besonderen Organisation
zu erläutern; dort benutzt sie, wie Willkomm zuerst andeutete,
die Salze des Bodens, um das Wasser in den fleischigen Organen anzuhäufen
und während der trockenen Jahreszeit zurückzuhalten, hier unterdrückt
sie die Flächenentwickelung des Blattes, um den Verdunstungsprocess
zu beschränken, und erfindet gleichsam in beiden Fällen eigenthümliche
Einrichtungen, der Ungunst des Klimas Widerstand zu leisten.
Fallen die Arealgrenzen gewisser Pflanzenformen mit denen einer
natürlichen Flora zusammen, wie es für die Mehrzahl der eigenthümlichsten
Tropenerzeugnisse gilt, so wird das besondere Gepräge ihrer
Landschaften dadurch ungemein gesteigert. Li Europa beruht darauf
die so einleuchtende vierfache Gliederung unseres Erdtheiles durch die
beiden Baumgrenzen am Saume der arktisch-alpinen Flora und der
Russischen Steppe und durch das Auftreten der immergrünen Laubhölzer
im Mediterrangebiet. Li anderen Fällen bilden die Pflanzenfornien
wenigstens bestimmte Vegetationslinieii innerhalb einer natürlichen
Flora, wie die Palmen in den wärmeren Gegenden beider gemässigten
Zonen. Indessen giebt es auch einige Formen, die den verschiedensten
Klimaten sich anzupassen scheinen, was die Paläontologen, wenn sie
aus den Pflanzenresten auf die Temperatur früherer Erdperioden schliessen,
zu wenig zu beachten pflegen. Sumatras Pinus-Art zeigt, dass
dieselbe Baumform eben so gut am Äquator wie an der arktischen
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