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•28 UBER DEN EINFLUSS DES KLIMAS
Wenn Beobachtungen den Beweis liefern, dass die Bedingungen
der extratropischen Floren durch ihre Phytoisothermen dargestellt werden,
und dass ihre Grenzen sich ebensowohl durch Temperaturbeobachtungen,
wie durch botanische Untersuchungen bestimmen lassen, so
wird auch hierin ein wesentlicher Gegensatz gegen die tropischen Floren
nachgewiesen werden können, deren Winterschlaf, wie wir sahen, von
der Vertheilung der Feuchtigkeit auf das Jahr abhing. Für diese letzteren
werden die thermischen Bestimmungen, da die Differenzen in den
Ordinaten ihrer Jahreskurven gering sind oder doch nie die Vegetation
unterbrechen, durch die Isotherme mit hinreichender Genauigkeit ausgedrückt
werden können. Dazu kommen ferner die Temperaturmaxima
und Minima, die auch in den Floren höherer Breiten neben der Phytoisotherme
Berücksichtigung verdienen. Da die Temperaturmaxima auf
der Erde nirgends so gross sind, um das Pflanzenleben aufzuheben, da
sie in ihren Extremen nur im Stande sind, mittelbar durch Entziehung
der Feuchtigkeit ein Schlafen der Vegetation zu veranlassen: so wird
man dagegen in den Temperaturminimis absolute Grenzen des vegetabilischen
Daseins erkennen, und diese Grenzen des Pflanzenreichs in
vertikaler und horizontaler Richtung nach ihrer klimatischen Gleichartigkeit
untersuchen müssen. Hier genügt es, neben den Florengrenzen
unter einander auch auf ihre äussern Grenzen und deren Abhängigkeit
vom Klima hinzudeuten. Spätere Untersuchungen haben
zunächst die Aufgabe, die Phytoisotherme anderer Floren kennen zu
lernen, wozu es eriaubt sein mag, das Interesse, das neue Beobachtungen
haben würden, nochmals hervorzuheben.
Zum Schlüsse stelle ich die Hauptergebnisse der bisherigen Untersuchung
in folgenden Sätzen zusammen:
1) Die Vegetation der Erde zerfällt in scharf begrenzte natürliche
Floren, die gemeinsame botanische und klimatische Charaktere haben.
2) Die Floren zerfallen in zwei Hauptklassen, je nachdem sie eine
dauernde oder eine durch Winterschlaf unterbrochene Vegetation haben.
3) Floren mit dauernder Vegetation finden sich nur in der Nähe
des Äquators.
4) Der Winterschlaf der Floren hängt entweder von Trockenheit
oder von gesunkener Temperatur ab. Hierdurch unterscheiden sich die
tropischen von den extratropischen Floren.
5) Das Klima einer tropischen Flora mit dauernder Vegetation
wird durch die mittlere Jahrestemperatur gemessen.
6) Das Klima einer Passatflora wird durch die Dauer der Regenzeit
und durch die mittlere Temperatur während derselben bestimmt.
AUF DIE BEGRENZUNG DER NATÜRLICHEN FLOREN. 29
7) Das Khma einer extratropischen Flora wird durch die mittlere
Temperatur der Vegetationszeit gemessen.
8) Andere Idimatische Momente haben auf die Grenzbestimmung
der natürlichen Floren keinen nachweisbaren Einfluss.
g) Die mittlere Temperatur der Vegetationszeit ist im ganzen Gebiete
der mitteleuropäischen Flora identisch, ebenso diejenige Ordinate
der Jahreskurve, die den Endpunkten des Winterschlafs entspricht.
10) Die Endpunkte des Winterschlafs treten mit dem Aufsteigen
des Frühlingssaftes und der herbstlichen Blattentfärbung ein.
11) Ob die Idimatischen Gesetze der mitteleuropäischen Flora für
alle extratropischen Floren Gültigkeit haben, kann aus Mangel an Beobachtungen
über die Dauer der Vegetationszeit noch nicht nachgewiesen
werden: ebensowenig, ob es ehie klimatologische Diagnostik
sämmtlicher Floren gebe.
12) Die Nordwestküste von Europa gehört zum Gebiete der mitteleuropäischen
Flora und man kann in Europa nur drei Floren unterscheiden:
die Flora mediterranea, europaea media und alpina.
G ö t t i ngen ,.den 16. Februar 1838.
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