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534 BERICHTE ÜBER DIE FORTSCHRITTE
Flora durch den sorgfältigen Anbau des Landes in grossem Maassstabe
verloren gegangen und auf entlegene Gegenden zurückgedrängt, oder
durch die Sitte, die Tempel nur mit Nadelhölzern zu umpflanzen, gleichsam
verfälscht worden. Eine grössere Reise führte Rem zur Zeit des
japanischen Sommerregens (Mitte Juni bis Mitte Juli) von Jedo bis zur
Westküste nach Kanasawa. Überall fand er, in grossem Gegensatz
gegen die Erfahrungen der Europäer im Innern von China, bei den Bewohnern
freundliche Aufnahme, aber die Reise war beschwerhch, da
die Wärme unter den oft gewaltigen Regengüssen i6°—20° R. betrug
und, als die Niederschläge aufgehört, während des darauffolgenden
Monats auf 28" R. im Schatten anstieg. Die untere Region waldiger
Gebirgsthäler wetteiferte in der Üppigkeit des Grüns und in der Mannigfaltigkeit
der Vegetationsformen und Farben mit dem Reiz einer tropischen
Landschaft. Auf einer anderen Wanderung nach dem durch
die Schönheit der Gebirgsnatur und durch seine Tempel in Japan hochberühmten
Nikko (36° 44' n. Br.) wiederholte sich derselbe Eindruck.
Hier bestand der Wald aus mehr als hundert Arten von verschiedenen
Bäumen und Sträuchern, epiphytische Farnkräuter wucherten an den
Tannenstämmen, und die Eichen und Buchen waren von den verschiedensten
Schlinggewächsen umwunden (namentlich von Wistaria, Akebia,
Actinidia, Schizophragma, Rhus Toxicodendron, also Gattungen
aus den fünf verschiedenen Gruppen der Leguminosen, Lardizabaleen,
Ternstroemiaceen, Saxifrageen und Terebinthaceen). Wenn die Baumformen
an Europa erinnern, so überwiegen die fremdartigen Bestandtheile
unter den niedrigen Holzgewächsen.
Bei Nikko wurde der 7700' hohe erloschene Vulkan Nantaisan bestiegen.
Die Laubwaldregion reicht bis 5200', der oberen Grenze der
Eichen, während die Buchen bei 4300' aufhören. Ein einförmiger
Tannenwald, aus Pinus Tsuga gebildet und häufig mit Birken gemischt,
bedeckt den oberen Theil des Berges; eine alpine Region ist hier nicht
abgesondert, sondern die Bäume werden in der Nähe des Gipfels nur'
zu Knieholz. In dem hohen Gebirgszuge, welcher die Westküste Nippons
von dem Osten der Insel trennt und klimatisch absondert, untersuchte
Rem den Hakusan, einen Trachytberg, der unweit Kanasawa
zu 7800' sich erhebt. Hier wurde die obere Grenze der Bambusen zu
1720, von Diospyros Kaki zu 2150' bestimmt, und von vielen anderen
Laubhölzern auf etwa 3000' geschätzt (namentlich für die immergrünen
Eichen, Juglans, Castanea, Aesculus, Planera acuminata). Umfassendere
Nachrichten erhalten wir endlich über den Vulkan Ontake, nach
dem Fusijama der höchste Berg Japans, der, auf halbem Wege zwischen
Jedo und Kioto, in der nach dem Fluss Schinano benannten
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IN DER GEOGRAPHIE DER PFLANZEN. 535
Provinz liegt und sich zu 9200' erhebt. Diese Gebirgslandschaft steht
im Winter unter der Herrschaft sibirischer Luftströmungen und ist nach
den Schneemassen j die sich dann aus den Wasserdämpfen des japanischen
Meeres niederschlagen ^ mit der californischen Sierra Nevada
zu vergleichen: selbst in den Thälern liegt der Schnee in dieser Jahreszeit
oft 18' hoch und mehr. Unter diesen Bedingungen hat sich hier
eine reiche Hochgebirgsflora ausgebildet, deren alpine Bestandtheile
zuerst erforscht zu haben, ein besonderes Verdienst von Reiris Reise ist.
Regionen des Ontake:
Bis 4600'. Grasbewachsene Abhänge wechseln mit Mischwald von
Nadel- und Laubhölzern (Kiefern, Tannen, Retinospora; Quercus,
Fagus", Acer^ Alnus, Betula, Magnolien und Aesculus turbinata).
4600—5550'. Nadelholzregion, von anderen Coniferen als weiter
abwärts zusammengesetzt, von Tannen (P. Tsuga und bicolor) und
Lärchen (P. leptolepis) ; von Laubhölzern sind nur noch Birken, Erlen
und Pyrus sambucifolia übrig; die Zwischenräume zwischen den Stämmen
bedeckt einegeseUigeZwergbambuse (Phyllostachys bambusoides).
5550—6160'. Knieholz aus Pinus parviflora, der Yezokiefer, nebst
Birken- und Erlengesträuch; reiche subalpine Formation, in welcher
endemische und europäisch-sibirische Arten gemischt sind, z. B. Rhododendron
Metternichii und Schizocodon mit Vaccinium Vitis idaea,
iVlnus viridis und Cornus canadensis.
6160—9200'. Alpine Region, in die zwar zum Theil auch die subalpinen
Sträucher eintreten, aber zahlreichen Stauden und Halbsträuchern
Raum geben. Diese letzteren übergab mir Rein zur Untersuchung
: ich fand darunter nur wenige , aus Japan bekannte , endemische
Arten. An die übrigen knüpft sich das Interesse, dass, gerade wie im
Verhältniss der Alpen zum hohen Norden Europas, dieselben auch im
Tieflande Ostasiens unter hoher Breite oder in Kamtschatka wiederkehren.
Sechs Arten davon waren in Japan noch nicht beobachtet,
fehlen wenigstens in der neuen sorgfältigen Zusammenstellung der japanischen
Flora von Franchet und Savatier oder bei Miquel (Geum
rotundifohum, Saxífraga androsacea, Azalea procumbens, Rhododendron
chrysanthum, Campanula lasiocarpa und Carex tristis): sie scheinen
sämmtlich in der Nähe des Gipfels gesammelt zu sein, ihr Vorkommen
ist aus atmosphärischen Bewegungen gewiss am einfachsten zu erklären.
Der khmatische Gegensatz zwischen dem milderen Osten Nippons
und der vom japanischen Meer bespülten Westküste ist auch durch die
Polargrenzen der Vegetationsformen ausgedrückt, worüber Rein einige
Beobachtungen mitgetheilt hat. Die immergrünen Eichen gehen im
wilden Zustande an der Ostseite wohl nicht über die Breite von Jedo
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