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ÜBl'lR DEN VKGRTATIONSCITARAKTER
Sommerwärme . . . .
Kälte des kältesten Monats .
Wärme des wärmsten Monats
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Das Klima am Meeresufer von liergens Stift und von Bohuslän
stimmt daher in den VVärmeverhältnissen beinahe überein : nur ist die
Sommerwärme an der norwegischen Küste geringer, aber doch in
Ullensvang nur um 0,4" unter den für die Polargrenze der Buche in
Skandinavien gefundenen Werth gesunken. Liegt nun hierin die Ursache,
dass dieser Baum am Söefjord nicht gedeiht? Solch ein Schluss
aus spärlichen Daten würde sehr gewagt sein, indessen ganz unbegründet
stellt er sich dar, wenn wir die Verbreitung der 13uche auf den britischen
hiseln berücksichtigen, wo die Wärme der Sommermonate nach
Norden rasch abnimmt und z. B. in Edinburgh nur noch iC. beträgt.
Ferner ist der Sommer an der äusseren Meeresküste bei Bergen
viel kühler, als in den inneren Fjorden: dort soll dessen Wärme nur
13^,2 C. betragen, und eben dort giebt es Buchen, wie oben angeführt
wurde. Endlich ist es bekannt, dass die Polargrenze der ]5uche in Russland
einer Lsochimene ziemlich parallel läuft: die Vegetation dieses Baumes
ist daher von der Sommerwärme weit unabhängiger als von der Kälte
des Winters, und diese ist in Ullensvang geringer als in Gothenburg.
Wir müssen daher jene lirscheinungen aus andern Ursachen ableiten,
wir dürfen sie nicht auf die Temperatur beziehen. Die übrigen
klimatischen P^aktoren sind zu wenig untersucht, allein wir bedürfen
deren auch nicht, indem die höchst merkwürdigen Bodenverhältnisse
von Bergens Stift weit entschiedener unser Interesse in Anspruch nehmen.
Von diesen wird der Vegetationscharakter der ganzen Provinz
bedingt, nur diesen localen PLigenthümlichkeiten glaube ich es zuschreiben
zu müssen, dass die Buche nicht gedeiht in einem Lande,
wo der Winter so mild ist, dass die schmalen wellenlosen Plüssen <yleieilenden
Meerbusen nicht einmal gefrieren. Wäre der Boden ihr günstiger,
so möchte sie doch wenigstens in jenen tief eingeschnittenen,
abgeschlossenen Thälern sich ansiedeln, in denen der Sommer keineswegs
' so übermässig feucht und durch unaufhörliche Wolkenbildung
erkältet ist, wie an der bergenschen Küste, deren Klima Christian Smith
nicht liinlänglich von dem der Fjorde unterschieden hat.
In den Profilen zu L. 7/. BucJUs nordischer Reise sind Norwegens
Niveauverhältnisse deutlich skizzirt, aber kaum ist es möglich, sich,
ohne das Land zu sehen, eine rechte Vorstellung davon zu machen.
' So schreibt Henherg gerade dem Kirchspiel Kinservig in l lardanger einen
und regenlosen Sommer zu (Ihulstikker 1818 Nr. 86),
warmen
VON HaRDANGKR EN BERCi l iNR StIKT. 33
Und doch wird das rflanzenleben durchaus davon bedingt. Es darf hier
nicht blos die Rede sein von hoher oder tiefer Lage, es hängt der Charakter
des Ganzen von Verhältnissen ab, die mit keinem andern europäischen
Gcbirgslande das Geringste gemein haben. Die gewohnten
Anschauungen von Bergketten, Thälern, Pässen, Wasserscheiden muss
man vergessen, um sich in norwegischer Natur heimisch machen und
die Ordnung ihrer vegetabilischen Decke begreifen zu können. Ich
spreche hier nur vom südwestlichen, dem eigenthümlichstcn Theile des
überall merkwürdigen, wiewohl einförmigen, Landes, von dem einer
Gebirgswüste vergleichbaren Gebiete zwischen Kongsberg und Bergen,
zwischen der Strasse über den Dovrefjeld und Gap Lindcsnaes. Dieses
ganze Gebiet ist ein Tafelland ohne Randgebirge, die engen Thalwege,
die von allen Seiten, jedoch in grossen Ab.ständcn, in dasselbe einschneiden,
werden nicht durch Bergketten, sondern durch Hochflächen
weit von einander abgesondert: deshalb gleichen sie entlegenen Oasen
der Wüste, denn die Fjelde, d. h. der ganze Rücken des Landes ist
unbewohnt und wird nur hier und da im Sommer von Viehheerden
beweidet. Dieses liochland ist von Osten nach Westen zu drei Gebirgsmassen
von verschiedener Structur gegliedert. Die mittlere und oberste
Terrasse, Schoim's Oropedion, insgemein die Langfjeldc genannt, ist
bei einer Meridianlänge von 58 — 62" n. B. fast überall 12 — 15 geogr.
Meilen breit. Diese ganze Hochfläche von etwa 800 • Meilen ist durchaus
oberhalb der Baumgrenze gelegen, eine Steppe mit schwacher
Humusdecke, sparsam mit Alpenkräutern und Cyperaceen bewachsen,
häufiger von ödem Gneissgerölle bededct, wellenförmig gebaut, ohne
alle symmetrische Thalbildung, hier und da zu isolirten Felsblöcken,
den höchsten Erhebungen des Landes, aufgetürmt, den grössten Theil
des Jahres überall zugeschneit, während des Sommers den geschmolzenen
Schnee oder im Torfmoore angesammelten Nebel in den Niederungen
zu Seen vereinigend, aus denen auf unsichern Wasserwegen an
den^'Seitenwänden der Terrasse oft in mächtigen Kaskaden die Ströme
des tieferen Tafellandes gespeist werden. Von den Thälern, welche
alle diese Gewässer aufnehmen, sind die beiden untern Terrassen tief
eingefurcht, durch diese Einschnitte unterscheiden sie sicii von den
Langfjelden weit auffallender, als durch ihr Niveau. Dadurch allein
werden sie bewohnbar, weil nur in den Thalwegen urbare Ackerkrume
liegt, dadurch stehen sie mit dem Meere in unmittelbarer Verbindung,
von'hieraus können die Fjelde zur Sennwirtschaft genutzt werden.
Die östliche Seitenterrasse ist wieder ganz verschieden von der westlichen
gebaut; sie senkt sich allmählich unter die Baumgrenze, sie neigt sich
minder schroff gegen die Thalwege, weite Abhänge sind mit Nadelholz
A. ü r i s e b a c h . Gesammelte Schriften. ^
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