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562 DIE WIRKSAMKEIT HUMBOLDT'S
ins Dasein rufen ^ stellt er sodann die Thatsache gegenüber, dass die
Fichten Mexicos in Peru nicht wiederkehren und dem Gebirge von
Caracas die Eichen fehlen, die auf gleichem Niveau in Neugranada
vorkommen. Nicht aus klimatischen Einflüssen sei die Verbreitung der
Melastomen zu erklären, noch die Thatsache, dass keine Rose in der
südlichen Hemisphäre gefunden sei.i So lässt er das Problem ungelöst,
wie es noch heute bestritten ist, und meint, dass der Physiker seine
Aufgabe erfüllt habe^ wenn er die Bedingungen nachweist,- von denen
die Verbreitung einer Pflanze beherrscht wird. Was für Kräfte die
Wirklichkeit ins Leben riefen, sei in diesem Falle ein unlösbares Räthsel.
An diesem Beispiel erkennt man den Nachtheil, in welchem sich
der beobachtende Forscher demjenigen gegenüber befindet, dessen
Aufgabe ist, durch Versuche oder durch Rechnung ein Geheimniss der
Natur aufzudecken. Der erstere sammelt Bausteine, ohne zu wissen,
ob es jemals dem menschlichen Geiste gelingt, das Gebäude zu vollenden,
welches seiner Phantasie lebendig vor Augen steht: aber es wäre
eine Ungerechtigkeit, seine Thätigkeit geringer zu achten, deren W^erth
nicht blos nach abgeschlossenen Erfolgen, sondern auch nach der
Grösse seiner Ideen zu bemessen ist.
In Cuba beschäftigte Humboldt die Erscheinung dass die Vegetation
dieser Insel dieselben Pflanzenformen vereinigt wie der Continent
Südamerikas in der Nähe des Äquators, obgleich die Temperatur
der Wendekreiszone weit grössern Schwankungen nach den Jahreszeiten
unterworfen ist. Die Unterschiede des kältesten und wärmsten
Monats betragen im Innern von Cuba fast 10° R., an der Nordküste
von Venezuela zu Cumana kaum 2,4°. Aber die tiefsten Temperaturen
liegen dort dem Frostpunkte doch fern (12,8^), und da die Abkühlung
der Luft nur von geringer Dauer ist, so leiden die tropischen Erzeugnisse
darunter nicht. Allein nicht aus Idimatischen Einflüssen kann es
erklärt werden, dass in Cuba und Haïti eine Fichte (Pinus occidentalis)
bis zu der heissen Region herabsteigt und auf der flachen Insel Pinos
mit dem Mahagonibaume (Swietenia) gemischt wächst. Dieser Fall
ist vielmehr ein merkwürdiges Beispiel, dass verwandte Arten derselben
Gattung unter ganz verschiedenen klimatischen Bedingungen stehen
können. Denn die Form der Nadelhölzer, welche hier den tropischen
Bäumen sich anreiht, erscheint auf dem mexicanischen Continent erst
über dem Niveau von 3000' und verhält sich dort, wie in höheren Breiten,
als ein Erzeugniss gemässigter Khmate. Diese Beobachtungen
waren die erste Andeutung des allgemeinern und noch nicht hinlänglich
1 Relation historique, II, 385. 2 Ebend. III, 371—377.
IM GEBIETE DER PFLANZENGEOGRAPHIE UND BOTANIK. 563
gewürdigten Verhältnisses, dass in räumlich genäherten Schöpfungscentren
auch bei klimatischer Ungleichheit ebensowohl ähnliche Organisationen
entstanden sind^ wie an entfernten Orten, deren Khma
übereinstimmt.
Von der Ungewissheit, welche die Betrachtung vergangener
Epochen nothwendig übrig lässt, wendete sich Humboldt^ seiner Neigung
zu exacten Beobachtungen gemäss, mit grösserer Vorliebe zu
den klimatischen Bedingungen, von denen die Anordnung der Pflanzen
bestimmt wird. Nach der von ihm gewählten Methode konnten indessen
nur die allgemeinsten Beziehungen zwischen Wärme und Vegetation
Gegenstand der Untersuchung werden. Nachdem das geographische
Gebiet festgestellt war, welches eine Pflanze, sei es in ihrer natürlichen
Verbreitung, bewohnt, oder infolge ihres Anbaues einnimmt, wurde
aus den meteorologischen Jahrbüchern der Umfang von mittleren
Temperaturen abgeleitet, welche in denselben Gegenden vorkommen.
Hierbei bleibt der physiologische Zusammenhang zwischen der Organisation
und ihren klimatischen Bedingungen unerörtert. „Die mittleren
Zahlenwerthe sind'^, nach Humboldts Ausspruch 1, „der letzte
Zweck, ja der Ausdruck physischer Gesetze, sie zeigen uns das Stetige
in dem Wechsel und in der Flucht der Erscheinungen." Aber je mehr
die Grenzen der die Vegetation eines Orts bestimmenden, klimatischen
Grössen auseinanderrücken und je ungleicher die einzelnen Phasen des
Pflanzenlebens sich zu den Abschnitten der verschiedenen jährhchen
Temperaturkurven verhalten, desto weniger genügt ein arithmetisches
Mittel, die räumlichen Bedingungen einer bestimmten Organisation zu
begreifen. Unter den Tropen, als dem Schauplatz von Humboldts umfassenderen
Studien, wo die Jahreskurve der Temperatur sich wenig
von ihrem Mittelwerthe entfernt, hat dieser Einwurf eine geringe Bedeutung,
hier behaupten daher seine F'orschungen, die sich auf das
Vorkommen einer grossen Anzahl von characteristischen Gewächsen
erstrecken, einen dauernden Werth. Späterhin hat er selbst die Bedeutung
der Temperaturkurve anerkannt ^ und wenigstens die Mittelwerthe
des Sommers und Winters berücksichtigt. Wenn er indessen
die Ausdehnung des Weinbaues nun auch von diesen abzuleiten versucht
so bemerkt er doch zugleich, dass auch die genaueste Bestimmung
der mittleren Sommertemperatur nur ziemlich unvollkommen die
Hindernisse erkläre, welche sich der Erzeugung eines trinkbaren Weins
entgegenstellen, weil der Ertrag der Ernten von der Wärme und Feuch-
1 Kosmos, l, 82.
II, 107. Kosmos, 1,
Ebenda I, 350. 3 Centraiasien, Ausg. von Mahlmann^
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