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A.
•8 ÜBER DEN EINFLUSS DES KLIMAS
erscheint und bald wieder verschwindet. Es erhellt aus diesen Gesichtspunkten
hinlänglich, dass überhaupt diese Erscheinungen viel complicirtersind,
wie es den Anschein hatte, und dass man daher, um zu
sicheren Principien zu gelangen, zuerst alle klimatischen Momente einzeln
untersuchen, ihre Beziehung zu den Pflanzen und zu den Floren
würdigen müsse, und dann erst erfahren könne, wie gross der Antheil
jedes einzelnen sei, wenn man die Flora als ein Produkt mehrfacher
Bedingungen anzusehen sich gedrungen sähe, und in welchem Gesetze
die Abhängigkeit der Floren von dem Klima begründet sei, oder ob
sich ein solches überall nachweisen lasse. Um diese Frage indessen
bestimmter zu stellen, müssen wir zuerst die Art der Schlussfolge näher
zu bezeichnen suchen, die die klimatischen und pflanzengeographischen
Erscheinungen in Zusammenhang zu bringen sucht: i) Welche klimatische
Differenzen, fragt es sich zuerst, lassen sich innerhalb des Gebiets
e i n e r natürlichen Flora, so wie sie botanisch begrenzt ist, nachweisen,
und müssen daher von den klimatischen Bedingungen ganzer Floren
ausgeschlossen werden? sie können höchstens für die Vertheilung der
Formationen in der Flora wirksam sein, ohne für sich einen Einfluss auf
die Grenzbestimmung derselben äussern zu können. So findet sich,
dass diejenige Differenz in der jährlichen Temperaturkurve, die das
Inselklima von England dem Continentalklima von Mitteleuropa gegenüberstellt,
keinen solchen pflanzengeographischen Werth habe, um
eine eigenthümliclie Flora zu begründen: denn sowohl die Formationen
Englands sind den unsrigen gleich, als die Quotienten der vorherrschenden
Familien übereinstimmen. 2) Welche klimatische Momente bestimmen
den Umfang einer Flora? Dies kann nur von den klimatischen
Grössen behauptet werden, die an den botanischen Grenzen der Flora
gleichfalls eine wesentliche Modifikation erleiden, innerhalb derselben
aber eine grössere Gleichartigkeit zeigen, als anderswo. 3) Giebt es
klimatische Differenzen zwischen den Hauptzonen der Erde, die es nicht
gestatten, dass dieselbe Flora aus einer Zone in die andere übergreife?
Da nun, wie wir sehen werden, wesentliche Differenzen dieser Art
zwischen dem Klima der Tropenländer und dem der übrigen stattfinden,
so ist deren pflanzengeographische Bedeutung wiederum empirisch festzustellen
, ob nämhch ein solches Uebergreifen derselben Flora über
die Wendekreise hinaus beobachtet werde. Gehen wir nun zu einer
speciellen Betrachtung der klimatischen Momente selbst über, die auf
die Verbreitung der Pflanzen von Einfluss sein könnten.
Da die mechanische Zusammensetzung der Atmos
p h ä r e auf der ganzen Erde und auf allen der organischen Welt zugänglichen
Höhen nach ihren beiden Hauptbestandtheilen dieselbe ist.
AUF DIE BEGRENZUNG DER NATÜRLICHEN FLOREN. 9
so kann sie die Pflanzengeographie, die nur auf Diff"erenzen in den Zuständen
der Atmosphäre ihr Augenmerk richtet, nicht interessiren:
eben so wenig der Reichthum an Kohlensäure, deren Quantitätsverhältnisse
keine allgemeine Beziehungen enthalten.
Man könnte die Verminderung des D r u c k s derAtmosphare
für die klimatische Ursache der Eigenthümlichkeiten alpiner Floren
halten: aber die Wiederkehr von vielen dieser Pflanzen am Pol beweist
das Unhaltbare einer solchen Flypothese, die noch entschiedner durch
den Umstand widerlegt wird, dass man in botanischen Gärten a l l e jene
Gewächse mit dem besten Erfolge kultivirt.
Man kann den Einfluss der a tmo s p h ä r i s c h e n Feuchtigkeit
auf pflanzengeographische Erscheinungen auf eine dreifache Weise betrachten,
indem man i) von der Tension des Wasserdampfs ausgeht
und die mittlem Werthe desselben für verschiedene Floren vergleicht;
oder indem man 2) die Geschwindigkeit voranstellt, mit der an einem
Orte die Aggregatzustände des Wassers in der Atmosphäre wechseln,
wozu man nur die meist unsichern Angaben über die Mengen des niedergeschlagenen
und verdunsteten Wassers benutzen kann; oder indem
man 3) die Vertheilung beider Werthe auf das Jahr, ihre Intensität in
den verschiedenen Vegetationsperioden für die einzelnen Floren untersucht.
Eine einfache Betrachtung des Pflanzenlebens lehrt indessen,
dass psychrometrische Werthe gegen die atmosphärischen Niederschläge
für die Vegetation verschwindende Grössen sind, und dass ferner die
absolute Menge des niedergeschlagenen Wassers viel bedeutungsloser
ist, als die Häufigkeit und gleichmässige Vertheilung der Niederschläge:
eiri Grundsatz, der bei der Wiesenbewässerung und bei künstlichen
Begiessungen seine praktische Anwendung findet, und der darauf beruht
dass das Wasser hier nur als Nahrungsmittel der Pflanzen zu betrachten
ist, oder vielmehr, dass ihr Leben von der Geschwindigkeit
abhängt, mit der liquides Wasser von der Wurzel absorbirt und gasförmiges
von der Epidermis ausgeschieden wird, also auch von der
G e s c h w i n d i g k e i t , mit der die Circulation des Wassers
d u r c h die A tmo s p h ä r e vor s i eh geht, die der Wurzel das liquide
Wasser zuführt. Mag auch der organische Verdunstungsprocess theilweise
von der Tension des Wasserdampfs der Atmosphäre abhangen,
so kann man darin doch nur ein sehr untergeordnetes Moment erkennen:
andererseits aber hängen bekanntlich die Niederschläge nicht allem von
der Menge des gasförmigen Wassers ab, das z. B. durch herrschende
Winde in andere Länder fortgeführt werden mag und also den Organismen
verloren geht, die es zum Theil producirten. Ferner lässt sich
nicht nachweisen, dass die Fülle oder die Art der Vegetation in einem
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