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288 ÜBER DIE GRAMINEEN HOCIIASIENS.
scheinen zwar nur auf das wärmste Klima am Fusse des Gebirges beschränkt
zu sein, aber unter denen ^ die hoch in die gemässigte Waldregion
hinaufsteigen, fehlt es nicht an ausgezeichnet tropischen Formen.
Allgemein auf der Halbinsel verbreitete Bambusen, Chlorideen und
Paniceen sind hier noch anzutreffen. Erst im Niveau von 9 —10,000' ,
also etwa 3000' unterhalb der Baumgrenze, hören diese Formen auf.
Charakteristische Beispiele dieser vertikalen Verbreitung sind: Bambusa
vulgaris und Sieberi — 9000'; Arundinaria falcata — 8900'; Tripogon
filiforme — 10,000'; Paspalum scrobiculatum, Panicum colonum,
frumcntaceum und antidótale, diese Paniceen sämmtlich — 9000'
beobachtet. Die Vermischung solcher Formen mit denen höherer
Breiten ergiebt sich nun aus einer Reihe nordeuropäisch-sibirischer
Wald- und Wiesengräser, die im indischen Himalaya bis zum Niveau
von 6—4000', also an die untere Grenze der gemässigten Region hinabsteigen.
Dahin gehören, nach dem beobachteten tiefsten Niveau geordnet:
abwärts — 6000' Brachypodium sylvaticum; Poa bulbosa,
pratensis und trivialis ; Milium efifusum;
— 5000' F^estuca gigantea, Bromus asper, Dactylis glomerata;
Agrostis alba; Alopecurus pratensis; Digitaria sanguinalis;
— 4000' Poa memoralis; Stipa sibirica; Digitaria glabra.
Diese Verbindung der Pflanzenformen aus verschiedenen Gebieten
in derselben Gebirgsregion lässt sich so auffassen, dass die indischen
Bestandtheile der regelmässig geordneten Befeuchtung des Monsunklimas
bedürfen, aber nicht an tropische Wärme gebunden sind, und
dass die Gewächse des Nordens hier die ihrem Bau entsprechende Temperatur
wiederfinden.
Das Steppenklima der Hochthäler Tibets, welches durch den
Hauptkamm des Himalaya so' scharf von dessen bewaldeten Abhängen
gesondert ist, äussert auf die Verbreitung der Gramineen einen verhältnissmässig
geringen, aber doch bereits deutlich nachweisbaren Einfluss.
Die tibetanische Sammlung, die ohne Zweifel noch weit unvollständiger
ist, als die aus dem indischen Himalaya, umfasst 72 P'^ormen, von denen
aber fast drei Viertel (53) auf der Südseite des Kammes ebenfalls beobachtet
wurden. Löst man aber die tibetanischen Gräser in ihre geographischen
Bestandtheile auf, so verliert diese Erscheinung alles Auffallende.
Die tibetanische F^lora besteht nämlich aus einem Gemisch
von P^ormen der verschiedensten Herkunft, unter den eingewanderten
Pflanzen oder, um genauer zu sprechen, unter denen, welche ein grosses
Areal bewohnen, kann man nach ihrer klimatischen Bedeutung europäische
und arktisch-alpine Arten von der eigentlichen Steppenvegetation
unterscheiden. Die europäischen Gramineen sind zum Theil auf
ÜBER DIE GRAMINEEN HOCHASIENS. 289
die tiefer eingeschnittenen Thalstufen Tibets beschränkt und können,
da der Indus dem Austausch einen Verbindungsweg öffnet, an beiden
Abhängen gleichmässig sich verbreiten. Dasselbe gilt von den übrigens
weniger zahlreichen arktisch-alpinen Gräsern und von denen überhaupt,
welche sich, wie Poa annua, noch in der Nähe der SchneeHnie zu behaupten
vermögen. Zu diesen Kategorien gehört die Mehrzahl der
Gramineen (32), welche zugleich in Tibet und im indischen Himalaya
beobachtet smd. Plierzu kommen noch einige endemische Arten (8),
die meist ebenfalls in höherem Niveau wachsen , und drei Cerealien,
welche in den Flussthälern gebaut werden, sowie ein tropisches Gras,
welches sie begleitet (Setaria italica). Es bleiben also nur wenige gemeinsame
Arten übrig (9) , welche an ein trockenes Khma gebunden
sind. Diese sind fast ausnahmslos auf den westlichsten Theil des Himalaya
beschränkt und bewohnen daselbst entweder die oberen Regionen
oberhalb der feuchteren Wälder, oder wo dieses nicht der P^all oder nicht
nachgewiesen, gehören sie zu den Steppenformen des Punjab, welches
durch Afghanistan, ebenso wie Tibet durch Turkestan, mit den trockenen
Klimaten Asiens und Afrikas in unmittelbarer Verbindung steht.
Diese Tibet und dem westlichen Himalaya gemeinsamen Steppengräser
sind folgende: bis zur Songarei verbreitet Nephelochloa songarica, Poa
attenuata; bis Anatolien Melica micrantha; bis Arabien Melica persica,
bis Ägypten Arundo isiaca, bis Algier Andropogon laniger; vom Punjab
aus ansteigend Crypsis compacta, Sporobolus paUidus. Die einzige
Art, welche auch ausserhalb des westlichen Himalaya in der heissen
Region am Fuss der Khasyaberge gesammelt wurde , ist der persische
Bromus crinitus, der als Steppengras auch am Aralsee vorkommt (B.
gracillimus Bg.), aber dies ist eine einjährige Graminee, die vielleicht
dem Ackerbau gefolgt ist.
Es bleiben nun 19 tibetanische Gramineen übrig, welche im Süden
der Himalaya-Pässe nicht vorkamen und die daher wenigstens zum
Theil als Beispiele der durch den klimatischen Gegensatz beider Gebirgsseiten
bedingten Trennung zweier Plorengebiete gelten können.
Es kommen dabei nicht in Betracht einige europäische (4) und einige
alpine (3) Formen, die vielleicht nur zufällig an der Südseite der Pässe
nicht gesammelt wurden, aber es bleiben noch zwölf theils endemische,
theils der Steppe eigenthümliche Gramineen übrig, die schon durch
das der indischen Flora fremdartige Überwiegen der Stipaceen klimatisch
charakterisirt sind. Dazu kommt, dass die nicht endemischen
P^ormen sämmtlich in den russischen Steppen weit verbreitet sind und
also den Zusammenhang der Plora Tibets mit der der nördlicher gelegenen
Theile Asiens selbst bis zu den Tiefen des kaspischen De-
A. Grisebaoh, Gesainiiielte Schriften. 19
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