breiten Felsenkamme, auf dem wir uns befanden, in den Abgrund ge-
stossen zd werden, und nur der schleunigste Rückzug auf einen breitem
Platz konnte uns retten.
Die irrige Ansicht, dass das Condorweibchen nur alle zwei Jahre
brüte, wurde in neuester Zeit auch von Darwin, wiewohl ohne allen
Grund, wieder aufgenommen.
Bei den alten Peruanern spielte der Condor in religiöser Beziehung
eine grosse Rolle. D’Orbigny gibt darüber einen fleissigen Auszug aus
den Comentarios von Garcilaso de la Vega. — Gegenwärtig nimmt er
eine wichtige Stelle im Arzneischatze der Indianer ein; sie geben sein
Herz roh oder getrocknet und dann pulverisirt gegen Epilepsie. Die
Scbleimhant des Magens wird äusserlich gegen Verhärtung und Scirrhus
der weiblichen Brüste angewendet; wir haben mehrmals den günstigsten
Erfolg von dieser Behandlung gesehen und auch Aerzte von französischen
Kriegsschiffen haben uns das Nämliche versichert.
Ili- T. Humboldt leitet den Namen »Condor« von »Cuntuni«, gut
riechen, ab; d’Orbigny von »Conturi«, Name des Condors in der Ay-
marasprachc. In der Quichoaspracke heisst er »Cuntur«. W ir glauben
nicht, dass die Abstammung dieses Wortes weiter nachgewiesen werden
könne. Von den Spaniern wurde es corrumpirt nnd in Condor umgewandelt.
Der S. condor tritt unter 4® N. B. schon auf und erstreckt sich bis
an die Südspitze von Südamerika, verirrt sich aber nie nach Osten
in das Flachland von Brasilien; sein Hauptverbreitungsbezirk ist in der
Cordilleren- und Punaregion.
Nach zahlreichen übereinstimmenden Angaben der Indianer und
nach eigenen Beobachtungen nehmen wir fast mit Gewissheit an, dass
eine zweite Species von Sarcoramphus in Peru vorkömmt, die sich durch
den Mangel des Nasenkammes und weissen Halsbandes nnd durch die
tiefbraune Färbung vom S. condor auszeichnet. W ir haben dieselbe
nur ein einzigesmal, und zwar in einem sehr schlechten Exemplare,
untersuchen können. Ob dieses Thier vielleicht ein S. californicus war,
wagen wir nicht zu entscheiden 1).
*) Prof. Schimper aus Slrassburg hat mir bei seiner Durchreise durch Berlin mitgetheilt, dass
er einen Condor, muthmasslich aus Chile stammend, besitze, der von S. gryphus verschieden
2. S. PAPA. Dum.
Der Scheitel nnd das Gesicht sind fleischroth, mit kurzen, steifen,
borstenähnlichen Federchen besetzt. Die rundlichen Warzen hinter und
unter dem Auge sind dunhelroth; von diesen zieht sich jederseits eine
wulstige Falte nach dem Hinterhaupte, verlängert sich längs des Nackens
und ist ebenfalls mit ähnlichen Federchen bedeckt. Der Nasenkamm ist
klein und schwärzlich; die Wachshaut, der Hals und die Brust sind
hellgelb; der nackte Hals ist nach unten von einem Halsbande umgeben,
welches aus steifen, ziemlich weitfaserigen, dunkel aschgrauen Federchen
besteht.
Der Vorderrücken und die obern Flügeldecken sind lebhaft isabellfarben;
der Hinterrücken, die Fittig- und Schwungfedern, die Eckflügcl
und der Schwanz sind ganz schwarz, die Schwungfedern meistens am
äussern Fahnenbarte grau gesäumt. Der Bauch, die Schienen und untern
Flügeldecken sind rein weiss.
Die Jungen sind auf dem Rücken dunkelbraun. Der Schnabel ist
schwärzlich hornfarben, die Füsse weisslich, die Iris lebhaft rostgelb.
Ganze Länge 2 ' 8 ", Schnabel 2", Tarse 5 " 6"', Flügel 1' 8".
Verhältniss der Tarse zum Flügel 1 :5,8.
Wie der Condor die Aufmerksamkeit der ersten Reisenden in
Peru auf sich zog, so that es in Mejico und dem östlichen Theile von
Südamerika der S. papa. Er wird schon von Hernandez Mejico p. 310
angeführt. Sein lebhaftes, elegantes Gefieder, wie es bei keinem andern
Raubvogel vorkömmt, verdiente ihm den Namen Rex vulturum,
unter dem ihn Brisson Ornitk. I. pag. 470. tab. 36 auffiihrt. Linne
Syst. Nat. XIII. I. pag. 246 macht seinen Vultur papa daraus und Du-
meril zog ihn zu seinem Genus Sarcoramphus, zu welchem er mit mehr
Recht als zum Genus Cathartes gestellt wird, obgleich er nur halb so
gross als die beiden übrigen Species ist und auch in den Nasenlöchern
scheine. Das Exemplar soll nicht schwarz, sondern mehr dunkelbraun sein. Die starken und
abgenutzten Krallen sprechen gegen die Annahme, dass es 6in junges Thier von S. gryphus sei.
Er habe desshalb an Temminck geschrieben, aber keinen Aufschluss darüber erhalten. Ich theile
Ihnen diese kurze Bemerkung mit, weil sie mit Ihren mir früher gemachten Mitlheilungen über
eine neue Art Condor, die Sie auf Ihrer Reise beobachteten, übereinstimmt.
Cabanis.