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blick erleichtern, um die Bedeutung der Geschichtsvölker zu
verstehen.
Um die reichen Felder ethnologischer Beobachtung, die in diesem
Bande betreten werden, irgendwie erschöpfend zu behandeln,
hätte sich mindestens jedes Capitel zu einem Bande erweitern
müssen. Zu wiederholen, was schon genugsam früher gesagt
und in jedem für U nterhaltung oder Belehrung bestimmten Buche
sich reproducirt findet, scheint zwecklose Papierverschwendung;
oberflächliches Kaisonnement dagegen über Gegenstände, die erst in
ihrem Detail festgestellt sein müssen, ehe sie überhaupt zum
Gegenstand eines Raisonnements werden können, dürfte nicht nur
keine Förderung, sondern geradezu ein Verderb und der gefährlichste
Feind des Wissens sein. Ich konnte deshalb nur in
möglichster Kürze auf alle die, oder doch die hauptsäch-
1 ichsten der Punkte hindeuten, die bei einer späteren Specialbehandlung
einzelner Parthien Berücksichtigung verdienen und für
Herstellung des richtigen Sachverhaltes im Auge zu behalten sind.
Dies gesammte Detail würde erst gründlich durchstudirt werden
müssen, ehe Jemand auf diesem Areal als Lehrer auftreten dürfte,
obwohl es immer nur ein beschränktes ist im Verhältniss zur
ganzen Ausdehnung der Ethnologie. In der Ethnologie können
wir erst wenig lehren, weil wir im gewissenhaften Sinne der
Naturforschung so ziemlich noch nichts in ihr wissen. Es handelt
sich zunächst nur darum, Anregung zu weiteren Detailstudien
zu geben.
Die Art und Weise, wie in den ethnologischen Lehrbüchern
gewirthschaftet wird, das unbedenkliche Selbstvertrauen und die
Gemüthsruhe, mit der man Stämme und Völker in Rassen zusammenpackt
oder mit grammatischen Sprechzungen versieht,
zeugt eben so sehr von bewundemswerther Kühnheit, wie von
I verwunderlicher Unkenntniss. Das lesende Publikum hört freundlich
zu und lässt sich die bequem eingefassten Erzählungen,
die ohne grosse Denkarbeit übersichtlich erlernt werden können,
recht gern gefallen. Den Naturforscher aber packt ein Grausen
in dieser gespenstischen Welt ethnologischer Missschöpfungen,
die eine mit unvollkommen und grossentheils entstelltem Material
operirende und also nothwendig auf verworrenen Irrwegen wan-
I delnde Syllogistik je nach der subjectiven Laune des Augenblicks
um sich heraufbeschwört.
Neben der Herbeischaffung und Vervollständigung des auf
allen Punkten bedürftigen Materials, seiner Sichtung und Klärung,
muss das Streben der Ethnologie für’s Erste besonders darauf
| gerichtet sein, die Berechtigung der inductiven Forschungsmethode
in der Psychologie zur Anerkennung zu bringen, und
damit die unserer Gegenwart adäquate Weltanschauung.