Am gewöhnlichsten, wie Stanley bemerkt, ist in der Statistik der
Irrthum, der aus der Annahme einer zu engen Berechnungg-
oder Vergleichungsbasis entspringt, und da die Statistik niemals
täuschen kann, muss eine unvollkommene eben so nothwen-
dig verkehrte Resultate geben, wie eine vollkommene richtige.
Erst wenn der Chemiker aller Reactionen eines neuen Körpere
gewiss ist, kann er ihn mit Sicherheit in sein System einordnen,
und bis dahin lässt er, als ächter Jünger der Naturwissenschaft,
seine Entscheidung in suspenso.
Die früheren Versuche, mit Hülfe der exacten Forschungsmethode
in die Psychologie einzudringen, mussten auch deshalb
fehlschlagen, weil die Vorbereitungsstudien noch nicht hinlänglich
gereift waren, um zur abschliessenden Spitze aufzusteigen,
In den Reichen der Naturwissenschaft treibt stets ein sprossender
Zweig aus dem ändern hervor, und wie die Physiologie der
Thiere kaum ohne die der Pflanzen verstanden werden könnte,
und diese nicht ohne die chemisch-physikalischen Processe, so
auch nicht die Psychologie ohne Physiologie. In der Physiologie
selbst aber scheint man gerade jetzt die äusserste Grenze
erreicht zu haben, bis wohin dieselbe fortzuschreiten fähig
sein wird, da sie bereits das Grenzgebiet der Psychologie erreicht
hat. Die grossartigen Entdeckungen über die Natur des
Lichtes, in Verbindung mit den physiologischen Experimenten
über das Sehen, haben das optische Gesichtsbild bis dicht an
den Gedanken hinangeführt, bis an die schon unsichtbare Stelle,
wo das Gesehene in das Gedachte verschwindet, und die Physiologie
wird uns hierüber hinaus keine weiteren Aufschlüsse,
gewähren können, da ihre Domäne dort abschliesst. Den hier abgerissenen
Faden haben wir nun wieder aufzunehmen in einer ändern
Wissenschaft, in der Ethnologie, wo wir den psychisch schon
verwirklichten Gedanken deutlich reflectirt sehen in den Ideen-
sohöpfungen, die den Horizont der verschiedenen Gesellschaftskreise
auf Erden umschweben. Allerdings werden wir diesen
Gedanken, auch wenn wir auf die rohesten und primitivsten
Anfänge in den Naturvölkern zurückgehen, immer erst in einem
verhältnissmässig schon weit vorgeschrittenen Stadium erkennen,
in einer Entwicklungsphase, die bereits durch eine breite Kluft
von demjenigen Momente getrennt is t, wo das Gesichtsbild der
Retina unseren physikalischen Instrumenten sich entzog, aber
immer ist es ein Gewinn, zwei feste Punkte markirt zu haben,
und vielleicht wird es beim Entgegenarbeiten von beiden Seiten
gelingen, den Zwisehenraum mehr und mehr zu vermindern oder
in der Mitte zusammen zu treffen.
Diese ergänzende Fortsetzung zu den physiologisch-psychologischen
Studien kann nur die Ethnologie bieten, die
Psychologie in ihrer ethnologischen Gewandung, nicht etwa
die individuelle Psychologie. Wenn wir in dieser an die
Physiologie anschliessen wollen und über d ie, Physiologie und
Psychologie scheidende, Linie hinausdenken, so denken wir
im Denken und kommen bald, trotz aller Abstraction, zu einem
Stillstand, da der Begreifer ohne ein zu Begreifendes nichts begreifen
kann (wie für Kant „die verlangte Aufgabe von dem
Sitz der Seele, die der Metaphysik zugemuthet wird, auf
eine unmögliche Grösse führt“). Um das Unbekannte in Functionen
bekannter Grössen zu bestimmen, muss der Stoff für die
Denkarbeit au fs Neue von aussen herbeigetragen, in den That-
sachen der Ethnologie gesucht werden, die uns die subjectiven
Gedanken in ihrer objectiven Spiegelung als Völkergedanken
zeigt, und für diese Betrachtungen werden sich am besten die
mythologischen und socialen Vorstellungen eignen, da sie uns
in grössten Mengen, und also in vielseitigster Vergleichung, zu
Gebote stehen. Wenn wir dann, die fünf Continente überschauend,
überall die gleichen und durchaus identischen Gedanken hervorwachsen,
unter ihren Localfärbungen hindurchblicken sehen, so