halten, doch deuten Ueberreste der Festungsmauer den weiten Umfang
an, den sie früher einnahm, und auch die Fundamente der fürstlichen
Paläste sind erhalten. Die Parkanlagen, in denen die Häuser jetzt dorfartig
zerstreut liegen, ziehen sich in dichten Alleen hundertjähriger Bäume
zum Fusse der Tempel hin, die in ausgedehnten Terrassen übereinander
emporstreben und auf breiten Stufen erstiegen werden. Granitene Triumphbogen
führen zu den Brücken, die den äusseren Graben überspannen und
directen Zutritt zu dem Hauptgebäude des Centrums geben. Europäische
Touristen finden indess dieses regelmässig geschlossen, da die Mönchspriester
oder Kami-musie (die Wirthe der Götter), sobald sie von Weitem
die Ankunft dieser unerwünschten Besucher erspähen, Thüre und Fenster
des Tempels verriegeln und sich in den Zellen ihrer Klöster einschliessen.
Nur bei einer seitlichen Capelle konnte man in das Innere blicken, wo
die Figur eines Biesenschimmels mit rothen Augen stand. Sie stellte das
Lieblingspferd des Kubo Sama (des gebietenden Herrn) vor, dessen Waffen
und Trophäen in dem obersten Tempel neben seinem Sarkophage aufbewahrt
werden. In dem Tempel des Kriegsgo'ttes Hatziman oder Fatz-
man soll sich eine Sammlung portugiesischer Büstungen finden, die bei
der Vertilgung der Europäer in Japan zur Zeit der Christenverfolgung
erbeutet wurden. Die in den Heiligthümern umherwandernden Pilger
schienen besonders einem Omanko-sama genannten Steine Aufmerksamkeit
zu schenken, der wegen Kindersegen verehrt wird und die Symbole
des Lingamdienstes auf seiner Oberfläche ausgehauen trug.
In den Theehäusem des Fleckens konnte man sich die gewöhnlichen
Erfrischungen des Landes verschaffen und auf den weichen Matten des
reinlichen Zimmers ausruhen. Der Japanese übertrifft fast noch den Chinesen
in seiner Verehrung des „belebenden aber nicht berauschenden
Tässchens,“ wie es der Engländer nennt (the cup which cheers, but dont
inebriate), und Thee findet sich in allen Orten und bei jeder Gelegenheit
angeboten. Bei Spaziergängen findet man die Theeverkäuferin am Wege
Rocken, mit den Tassen auf einem niedrigen Tischchen und dem Kohlenbecken
daneben, auf der Keise begegnet man in der Thür des Gasthauses
der, Wirthin mit einer Tasse Thee in der Hand, und in den Städten besucht
man die malerisch angelegten Theegärten, die stets im Schmucke
der von der Jahreszeit gebotenen Blüthen prangen, um im Genüsse einer
reizenden Fernsicht eine Tasse des zugleich erheiternden und beruhigenden
Getränkes zu schlürfen, das als eine Panacee für jede Art geistiger
und körperlicher Verstimmung gilt. Der japanesisehe Thee hat angefangen,
seinen Weg zum europäischen und besonders zum amerikanischen Markt
zu finden, und obwohl auf eine solche Ausfuhr nicht vorbereitet, meinen
die Japanesen doch leicht eine noch grössere versorgen zu können, da
sie bisher immer nur einen Theil der Ernte gesammelt und die übrigen
B lätter, als den Bedarf übersteigend, auf den Büschen zurückgelassen
haben.
Die jugendlichen Aufwärterinnen der Theegärten gehören gewöhnlich
einem jener Japan eigenthümlichen Mädchenpensionate an , die nach
westlichen Begriffen ebenso unvereinbar mit Schicklichkeit und guten
Sitten scheinen, wie die freie und ungenirte Manier, mit der die Badehäuser
im Beiche des Sonnenaufgangs benutzt werden. Alcock sah in
einem Tempel Yeddos eine Bildergallerie aufgeputzter Frauen und erfuhr
von seinem Führer, dass sie die Porträts der berühmtesten Courti-
sanen Japans darstellten und dort für ihre ehrenvolle Erinnerung ausgehängt
seien. Eine ähnliche Achtung genossen die durch Geist oder
Körpervorzüge glänzenden Hetären im Beiche der Liehnavifürsten im
alten Magadha, und in Aegypten verewigte eine Pyramide den Namen
der schönen Bhodope.
Am ändern Ende Kamakuras findet sich der in Japan weitberühmte
Tempel des Daibot, bei dem die Toleranz der buddhistischen Weltreligion
einen freundlicheren Empfang verspricht, als ihn die durch nationale
Vorurtheile engherzigen Priester des Sintodienstes gewähren. Indess
muss der Fremde auf den etwas öden Wegen, die über das Areal der
jetzt vom Erdboden verschwundenen Stadt dorthin führen, auf seiner Hut
sein und seine Waffen in Bereitschaft halten, da dort schon mehrfach
Angriffe vorgekommen sind und noch kürzlich wieder zwei englische
Officiere auf solchem Spaziergang hinterrücks niedergehauen wurden.
Diese heimtückischen Meuchelmorde, die Japan so berüchtigt gemacht
haben, gehen hauptsächlich von den Lonin aus, einer Klasse von Banditen,
die sich selbst für Geächtete erklärt haben, um ihre gesetzwidrigen
Unthaten desto rücksichtsloser verüben zu können. Die Verkleidungen
der muthmasslich verschämten Bettler, die mit grossen Korbhüten das
Gesicht verdecken und oft auf den Strassen angetroffen werden, geben
den Lonin eine gute Gelegenheit, unerkannt das Land zu durchziehen,
bis der richtige Augenblick ihres Endzweckes gekommen ist. In Japan
ist jedes Familienhaupt für seine Verwandten, jeder Edelmann für seine
Vasallen verantwortlich, und deshalb stösst man schon in der alten Ge-a
schichte des Landes auf die Sitte, dass solche, die zu einer verwegene^*
Unternehmung entschlossen waren, sich vorher aus diesem Verbände lps-
sagten, um bei etwaigem Fehlschlagen nicht Unschuldige in ihre (Bestrafung
hineinzuziehen. Die Abneigung der Daimiofürsten gegen die
fremden Niederlassungen kennend, sieht der Client einen sichern Weg,
die Gunst seines Herrn zu gewinnen, wenn er heimlich einen der verhassten
Barbaren umbringen sollte. Er lässt sich vorher als einen Lonin
erklären, so dass die Eegierung unter keinen Umständen das Becht hat,
auf seinen Patron zurückzukommen, obwohl ihm dieser gern Obdach und
Schutz gewähren wird. Wenn nach einiger Zeit die gerichtliche Untersuchung
als fruchtlos eingestellt ist, tritt der wohlbeschenkte Lonin wieder
in die bürgerliche Stellung ein, die er früher einnahm.
Die japanesischen Geschichtsbücher beschreiben in glühenden Farben
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