verschiedenen Thierklassen entnommenen Erklärungen in der
Osteologie, Neurologie, Angiologie zusammen abhandelt. Da
der Mensch auf dem tiefst denkbaren Zustande bereits mit
Sprachen und Regungen geistigen Bewusstseins gesetzt werden
muss, um überhaupt seine Menschennatur*) zu wahren, so löst
sich die Ethnologie, durch ihre Analysirungen, in die anthropologischen
Vorbereitungswissenschaften eben so nothwendig auf, wie
schon die individuelle Psychologie ohne ihre physiologische
Grundlage sich keine exact-empirische Gültigkeit sichern könnte.
Die Ethnologie begreift also die Kenntniss sämmtlicher Menschenrassen
von ihrem ersten und frühesten Erscheinen an; sie hat
nach unten hin, durch den unmittelbaren Uebergang in die anderen
Naturwissenschaften, keine Grenze, wohl aber nach oben,
indem sie dort aufhört, wo die Geschichte beginnt, und dieser
Wendepunkt kennzeichnet sich durch das Hervortreten historischer
Persönlichkeiten, durch das mehr oder weniger erfolgreiche
Eingreifen des Menschen in die Natur und durch den, wenn auch
nur oberflächlichen Abdruck seines Willens auf die planetarische
Erde. Wenn das Volk, die Nation geboren is t, so tritt die
Ethnologie vor der Geschichte zurück, aber sie pflegt die in der
Erde verborgenen Bildungsorgane, die die Nahrungssäfte für den
an’s Licht getretenen Spross herbeiziehen. Jene Propyläen, die
nur spärlich vom historischen Lichte erhellt sind, jene äussersten
Vorhallen, die die Geschichte rasch zu durchwandern pflegt und
die dann der Tummelplatz der Mythen und T raditionen bleiben,
*) „Die Natur des Menschen ist,“ wie v. Baer bemerkt, „der Gipfelpunkt oder
der Ausgangspunkt, je nachdem man seine Richtung nimmt, sehr verschiedener
Wissenschaften, der Zoologie, der vergleichenden Anatomie und Physiologie, der
Weltgeschichte, der Philologie, der Staats Wissenschaft und der Rechtsphilosophie ;
sie enthält die Psychologie g an z , da wir von den Seelen der Thiere nur so
viel wissen, als wir anthropomorphisch in sie hineingedacht haben, und die
Philosophie ist ja nur ein Ausdruck der verschiedenen Weisen, wie der Mensch
die Welt zu begreifen gestrebt hat.1-
sie gehören als erb uud eigen der Ethnologie an, die dieses ihr
zukommende Gebiet von den Verkäufern falscher Fabelwaare
zu reinigen hat, um die ersten Regungen psychologischen Schaffens,
das früheste Ahnen des Menschengeistes zu belauschen.
Streng lässt sich allerdings bis jetzt diese Scheidung zwischen
Ethnologie und Geschichte nicht durchführen. Der von hervorragenden
Heroen dem Geschichtsgange mitgetheilte Impuls kann
in der für nutzbringendes Verständniss nöthigen Causalität bis
jetzt meistens nur bei denjenigen Völkern lohnend verfolgt
werden, die mit uns oder doch mit unseren Vorfahren durch Bande
eines engeren Zusammenhangs verknüpft wurden. Manche Völker,
die schon an der Schwelle der Geschichte stehen, andere
selbst, die sie bereits überschritten haben, bleiben bei der Unvollständigkeit
ihrer Documente oder bei der noch nicht genügenden
Sichtung derselben durch die Kritik vorläufig von dem
historischen Gesichtspunkt ausgeschlossen und fallen bis dahin
der Ethnologie anheim, die sie bis an das Feld der Specialisten
führt und dort der Hut der Sanscritaner, Chinologen u. s. w.
iibergiebt. Die schwierigste Aufgabe der Ethnologie liegt in der
Behandlung unserer eigenen Culturstaaten vor, bei denen sie die in
dem Nebel fernster Vorzeit verschwimmenden Spuren zusammensuchen
muss, um mit empfindlichen Apparaten die schwachen
Schwingungen aufzufassen, in denen die ersten Lebenskeime jener
Völker gährten, die mit dem Glanze einer göttlichenWeihe umstrahlt,
die dunkeln Fragen nach ihrem Ursprung in die Schatten der Vergessenheit
stellten. Auch mit dem ganzen Rüstzeug der classi-
schen Alterthumskunde würden hierüber nur unsichere Resultate
zu erlangen sein, wenn nicht die seit Kurzem rüstig von Jah r zu Jahr
in neuen Entdeckungen fortschreitende Archäologie Aussicht auf
unerwartete Hülfsmittel gewährte, wenn nicht das entziffernde
Studium der Monumente eine Fernsicht nach der ändern eröffnete,
weite Perspectiven, vor denen wir jetzt noch staunend stehen,
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