weisen, wie diese Namen sieh mit den Wandlungen der Civi-
lisation verändern mussten, und welcher Inhalt ihnen heute beizulegen
sei, um auf die Fragen der Gegenwart die richtige
Antwort zu geben. Die socialen Verhältnisse der Wilden mit
ihren durch die Natur der Sache gegebenen Rechtsbestimmungen
enthalten in nuce alle diejenigen Keime, die in den Gesetzsammlungen
der Geschichtsvölker zur Vollheit ausgewachsen
sind. Wenn die Philosophen von aphoristischen Begriffen und
Grundsätzen des Verstandes sprechen, von dem Gebrauch der
Kategorien, als der nothwendigen Bedingung für die Möglichkeit
und Wirklichkeit der Erfahrung, so muss es uns stutzig
machen, wenn wir auf tieferen Stufen Stämme antreffen, denen
diese Kategorien oder doch einige derselben noch fehlen, und
den inductiv Geschulten wird es anwehen, wie mit der Brise aus
einem neuen Hoffnungslande, das eine Fluth von Licht auf die
Denkoperationen zu werfen verspricht, wenn wir an der Hand
der Erfahrung auf vor-aprioristische Nervenschwingungen in der
psychischen Sphäre zurückzugehen vermöchten, auf ein embryologisches
Stadium, in welchem das erst wird und seine Entstehung
vorbereitet, was, wenn in’s Leben getreten, als aphoristisch
fertiger Begriff erscheint. Die Sprache selbst ist in ihrem
Bildungsprocess*) zu belauschen, man kann in ihr das Gras
wachsen hören. Die Tasmanier hatten (nach Milligan) kein
Wort für rund, für Härte oder Höhe. Sie sprachen vergleichungsweise
und nannten das Harte ein Ding wie ein Stein, das Hohe
ein Ding mit langen Beinen, das Runde ein Ding wie ein Ball
oder wie der Mond. Mit Kraine-joune (Kopf-Zähne) bezeichnen
*) Renault konnte die Botocuden mit Leichtigkeit bestimmen, neue Worte
fiir einen Gegenstand zu erfinden. In Bildung der Namen war mehr der Witz,
als die Urtheilskraft leitend (nach Locke). Bates beobachtete Erfindung neuer
Ausdrucksweisen und Wortverdrehungen in den indianischen Unterhaltungen am
Amazonas.
die Botocuden das Pferd,*) mit Po-kekri (fussgespalten) den
Ochsen. In Tahiti ward der Begriff der Kuh nach dem des
Schweines gebildet, bei den Amerikanern der des Pferdes nach
dem Ochsen, oder in W estafrika nach der Kuh. **) Sieht der A ustralier
einen neuen Gegenstand, so benennt er ihn nach der Aehn-
lichkeit eines bekannten (s. Eyre). Wie asiatische Stämme kein
Wort für den Baum hatten, sondern nur Namen für jede einzelne
Species, afrikanische keinen Gesammtausdruck für Waschen,
sondern das Waschen jedes Körpertheils besonders bezeichneten
(und ähnliche Berechnungen, die das Ganze mühsam aus seinen
Theilen***) zusammenzählen m u ssten , ehe die Logik erleichternde
Methoden erfunden hatte), ist schon häufig nachgewiesen
worden.
*) Im Ohippewäischen heisst Pferd : Pabaazhigogauzhemum (das Thier mit
festen Hufen), im Wyandotisehen: Hoosenar-Yosheta (das Sklaven-Thier, das auf
dem Rücken trägt). Die chinesischen Klassenwörter zählen Hausthiere als tse (Kuh).
**) In Kocch, Bodo and Dhimal there is not a single vernacular word to
express matter, spirit, space, instinct, reason, consciousness quantity, degree or
the like (Hodgson). In Bodo and Dhimal, cause and effect cannot be expressed
at all and in Kocch only by a word, borrowed direct from Sanscrit. Wenn die
Rothhäute wenige Begriffe haben, so haben sie (bemerkt du Ponceau) eine unzählige
Menge Wörter sie auszudrücken, oder (nach Golden) die Gewalt, sie bis
in’s Unendliche aus zusammengesetzten zu vermehren. L’aboiement est une voix
artificielle, que les chiens acquièrent, peut-être en essayant d’imiter la voix
humaine (Quatrefages).
***) Die Indianer sind mehr gewohnt, besondere oder speeiflsche, als generische
Benennungen zu brauchen. Mit dem Mangel an Abstracten fehlt dem Indianer
auch das Hülfsverbum sein, so dass Heckewelder Jehovahs Gottesnameu (ich bin,
der ich bin) durch Mein Wesen immer mein Wesen übersetzte. Die Neger verwenden
„leben“' statt „sein“. The poverty of the (Grebo) language, in point of
words, is a striking feature. The people themselves, as their intercourse with
civilized nations increases, and their own powers of thought and reflexion are
more extensively developed, feel cramped in the use of their own language and
are forced to adopt a large number of foreign words, which they readily d o , by
giving then a vowel termination. They have no words to correspond with „think“,
forget“, „angry“, „happy“, „remember“, „consent“, .,scold“, „agree“, „watch“,
»husband“, „wife“ etc.
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