Die höchsten und bedeutsamsten Fragen, die sich dem Menschen
je gestellt haben, die sich ihm überhaupt stellen können
und deren Erforschung die Aufgabe seiner auf Bereicherung des
Gedankenreiches hingewiesenen Existenz bilden, die Fragen über
die Stellung des Menschen zu der Natur, Uber die ursächlichen
Momente des Denkens und über jene Zukunft, der dasselbe entgegenstrebt,
sie können in der Ethnologie allein ihre einstige
Deutung erhalten. Bis jetzt gelten diese Probleme für unlösbar,
sie werden es bis zu einem gewissen Grade immer bleiben ; aber
ehe wir jede Hoffnung zurücklassen, sei wenigstens derjenige
Weg versucht, der einzig und allein zur Lösung führen kann
und der sonderbarerweise dennoch der einzig und allein unversuchte
geblieben ist, der Weg der vergleichenden Psychologie
auf der Basis ethnologischer Thatsachen. Keine naturwissenschaftliche
F rage wird sich durch Raisonnement,*) so geistreich,
so scharfsinnig, so vielseitig und umfassend dasselbe auch angestellt
sei, zur endgültigen Entscheidung bringen lassen. Dahin
können nur au f strenge Beweise basirte Folgerungen leiten,
wenn dieselben neue Beweisführungen erzwingen und das Schlussresultat
als nothwendigen Wirkungseffect aus vorangangenen
Ursachen in die Erscheinung bringen.
*) On s’occupe maintenant de la recherche des faits, on a levé peu à peu le
voile des illusions, que l ’ignorance a enfantées, et on se prépare à des découvertes
positives, qu’une logique sévère saura extraire des faits qu’on aura accumulés.
Mais le temps des inductions positives n’est pas encore arrivé (1838),
à mesure que les facts se découvrent, ils se pressent autour de nous et semblent
nous inviter à former des hypothèses (sur l’origine et la formation successive du
langage humain). Cependant on a déjà trop abusé des théories et des hypothèses,
il faut s'arrêter pour quelque temps et continuer à rassembler des faits et
surtout de les biens constater (Du Ponceau). Mit dem System einmal fertig, ist
jeder weitere Fortschritt gelähmt. Neu hinzutretende Facta werden eins nach
dem ändern verworfen, denn da man jedesmal das vorhergehende annullirt hat,
so ist es immer nur eins, das nicht passen will, und mit einem einzelnen wird
man schon fertig, bis dann vielleicht ein zufälliges Wühlen in dem Papierkorbe
der Ausnahmen zeigt, dass gerade die bisherige ßegel die Ausnahme ist.
Die inductive Forschungsmethode verlangt ihre Vergleichungen,
um die Grundlage des thatsächlich Gegebenen zu gewinnen,
und zu fester Umsehreibung desselben bedarf es der
descriptiven Wissenschaften, die nicht nur durch das Ohr oder
aus Büchern, sondern auch mit den Augen und in den Sammlungen
der Museen gelehrt werden. An die durch Maass bestimmten
Krystallisationssysteme der Mineralogie, an descrip-
tive Botanik und Zoologie schliesst sich die Anthropologie als
descriptive Menschenkunde, die in Schädeln und Skeletten Auskunft
über die Morphologie der existirenden Menschenrassen
giebt und in den fossilen Funden der Archäologie auch Rückschlüsse
erlaubt auf früher vorhandene, während die Ethnologie
die psychologischen Grundgedanken zusammenordnet. Herodot
lacht über Solche, die den Umfang der E rde beschreiben wollen
(yfjs nsQtoSovg yaipavtag) ohne genügenden Einblick, und eben so
müssig dürfte der Versuch einer Beschreibung des Menschengeschlechts
sein, ehe ein Ueberblick über die constituirenden
Elemente gewonnen ist. Zuerst tritt scheinbare Verworrenheit
an die Stelle vermeintlicher Einfachheit; wäre man aber stets
bei dem Grenzfluss des Oceanus stehen geblieben, so hätten wir
uns nie durch die Masse angehäufter Thatsachen zu unserer
jetzigen Kenntniss vom Erdenrund durcharbeiten können.
In der Reihe der übrigen Naturwesen, die in der körperlichen
Erscheinung den Ausdruck ihrer charakteristischen Wesenheit
gewinnen, spricht sich die exceptionelle Stellung des Menschen
in seinen geistigen Schöpfungen aus, die in der Gedankenwelt
leben und weben. Wir vermögen subjectiv in sie einzudringen
auf dem Wege der individuellen Psychologie, die als
integrirender Theil emporwächst innerhalb der nationalen Denkgebäude,
wie sie sich im Sprachaustausch der Gesellschaftskreise
entwickeln; wir können sie aber auch von einem objectiven
Standpunkte aus überschauen in den ethnologischen Samm