Fenstertlillren nach den Strassen geöffnet, wennWaaren in den
Verkaufsläden auszulegen sind. Mehr wie zwei Stockwerke
sieht man selten, doch sind am oberen mitunter Erker oder
Altane ausgebaut. Die Häuser der Daimio liegen von der
Strasse zurück in mehr oder weniger weiten Gehöften, mit
Wachen an den Thoren. Auch die Strassen können durch
Thore geschlossen werden, oder sind von Ehrenbogen überspannt.
Die an ihren Hufen mit Strohschuhen bekleideten Pferdchen
trippeln die Strassen-Treppen munter auf und nieder, so dass
man sich ihnen bald ruhig überlässt und nicht ans Absteigen
denkt. Ochsen werden zum Lasttragen gebraucht. Als wir
beim Hause des Gouverneurs vorbeigingen, kam gerade ein
Edelmann daraus hervor, der in einem käfigartigen Palanquin
getragen wurde und von einer Menge weissgekleideter Begleiter
umgeben w a r, während ihm eine Reihe von Kulis folgte, die
allerlei Kisten und Kasten auf ihren Rücken trugen. Auch ftlr
einen einfachen Besuch nimmt ein Vornehmer alle seine Para-
phemalien mit sich, als ob es sich um Antritt einer langen Reise
h an d le , wie es bei uns der gute Ton erfordert (oder doch
erforderte), das Gesellschaftszimmer mit dem Hut in der Hand
zu betreten. Im Hause eines Schneiders sass zwischen im Laden
beschäftigten Gesellen ein Priester, der aus Büchern vor sich
Gesänge ablas und mit den Klimpern einer Guitarre begleitete,
um durch diese Ceremonie Krankheit und böse Einflüsse fern
zu halten. Dann begegneten uns umherstolzirende Officiere,
denen ein speertragender Knabe folgte, oder eine Bettlerin,
die auf ihrem Gürtel eine Metallscheibe befestigt trug und diese
mit einem Hammer, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken,
schlug, oder ein Gemüseverkäufer, der schon von Weitem die
Ohren mit seinem Geschrei erfüllte. An einer Strassenecke stand
ein Gebete ablesender Bettler, dem ein runder Hutkorb über das
ganze Gesicht, von dem nur die Augen frei blieben, gezogen
w a r, eine Verkleidung, die besonders von entsetzten Beamten
oder sonst schuldlos Verarmten gewählt wird, um unerkannt zu
bleiben, die aber auch wieder vielfach von Spitzbuben benutzt
wird, um unter ihrer Decke desto sicherer zu sein.
Der europäischen Ansiedlung, wo ich Besuche zu machen
hatte, waren die dem mit Böten bedeckten Fluss (den eine
Brücke überspannte) zunächst gelegenen Strassen sehr belebt.
Auch Bettler fehlteö nicht, die sich auf Wägelchen ziehen Hessen.
In einem der Packhäuser wurde der Thee seinem Wiederer-
hitzungsprocess unterworfen, in einem ändern Tabak geschnitten.
Vor den Häusern höherer Beamten stehen Holzbogen, die auf
Pfeilern ruhen. Auf einer Treppe stiegen wir zu einem Tempel
empor, auf dessen ersten Absatz ein mit flacher Mütze bedecktes
Steinbild (Jundai-Kwanno-samna) sass, von dessen sechs Händen
zwei vor der Brust gefaltet waren. Zwei rothe Riesen (Niwo-
Sam) bewachten die Stufen, die zu dem Tempel Kotaitsch hinaufführten.
In dem Gebäude der oberen Terrasse sassen in
erhabener Stellung hinter einem Altartische drei kleine Figuren,
deren mittlere Shaka oder Amida repräsentirte (ein Ibis stand
vor ihnen). Kahlköpfige Priester in weiten Gewändern blauer
Farbe, die durch einen Gürtel zusammengehalten wurden, baten
uns, vor dem Betreten der Matten die Schuhe zurückzulassen.
Die Gesichter einiger Steinfiguren waren mit Papierbildern überklebt,
die einen Glorienschein um das Haupt trugen. An einem
ändern Theil der Baulichkeiten sass auf einem Lotus die Riesenfigur
des Daii-wutsan mit geschmücktem Kopfputz in Form eines
Diadems. Die glattrasirte Priesterfigur des Odaii-sama war auf
Pfeiler gestellt. Holzthüren zeigten sich durch Schnitzereien
verziert.
Bei einem Spazierritt durch die Stadt sahen wir an einem
Thore eine Sammlung von Steinbildern, einige in sitzender
Stellung. Auf den Strassen spielten Kinder, und um einige,
die sich im Ringen übten, hatte sich ein Kreis von Zuschauern
gebildet. Durch ein offenes Fenster blickte man von der Strasse
iu ein Badezimmer, wo eine nackte Gesellschaft in gemüth-
licher Unterhaltung um eine Kufe heissen Wassers sass.
Einige der Damen, als sie sich beobachtet sahen, schienen geneigt,
einen Gürtel um ihre Hüften zu leg en , und würden es
vielleicht gethan haben, wenn unsere Pferde einen Halt gemacht
hätten. Ausserhalb der Stadt betraten wir schmale Bergpfade,
die mit breiten Steinen gepflastert, sich eng und gewuuden
zwischen Gartenmauern hinziehen, mit Abzweigungen auf schma-
Ba s t i a n , Reise V. "