Wahl des
Bauplatzes.
au f einem Marsch ins Unbekannte hinein, nur der nachzufühlen ver-
mag, der beide in vollen Zügen getrunken hat.
Mir is t auch dieser Reiz der Wildnis beschieden gewesen. Einmal
im Waldland, als am 3. Juli 1891 der erste Urwaldriese auf einer
Anhöhe in der Hügellandschaft von Batom zwischen Dikumi und
Kokobuma krachend zu Boden splitterte, um Raum zu schaffen für die
von mir dort angelegte Batomstation. Das zweite Mal oben im Grasland,
als ich daran ging, die Station Baliburg auszubauen, genauer
gesagt — ohne Zintgraffs Thätigkeit zu schmälern — von Grund aus
um- und neu zu bauen.
Anlage und Bau.
Die angedeuteten Aufgaben treten an jede Station heran, mag sie
in West- oder Ostafrika, im Süden oder Norden in unerforschten Gebieten
angelegt werden.
Anders is t es mit Bau und Anlage derselben. —
Ich wiederhole meine Warnung, durch Übertragen der Schilderungen
von und auf räumlich weit getrennte Gegenden, wenn auch im
gleichen Erdteil gelegen, unrichtige Bilder und Vorstellungen zu
schaffen; ich wiederhole, dafs ich in m e in em g a n z e n W e rk e eben
n u r vom N o r d h in t e r la n d v on K am e ru n vom Monga ma loba bis
zum Benue, also von einem kleinen Bruchteil des äquatorialen Westafrika
spreche 188111
Die Wahl des Bauplatzes ist von verschiedenen Gesichtspunkten
beeinflufst. Politische, militärische, materieüe und gesundheitliche
Rücksichten wollen und sollen beachtet werden. Und wie das zu Hause
in ähnlichen Lagen auch der Fall zu sein pflegt: allen zugleich kann
man mit dem besten Willen nicht gerecht werden. I c h meinesteils
bekenne mich offen zu der Anschauung, dafs die beiden erstgenannten
gegenüber den letztaufgeführten, insbesondere dem gesundheitlichen
Moment, zurücktreten müssen. Was hilft mir die herrlichste politische
und strategische Lage, wenn die ganze Stationsbesatzung, der Weifse
voran, krank am Fieber liegt, weil eben der Platz ein Malariaherd
ist: Nach Lage der; Dinge mufs abgewogen werden, welcher Gesichtspunkt
im gegebenen Fall der wichtigste ist;1 Lassen sich alle vier berücksichtigen,
um so besser; eine leidliche Übereinkunft wird der
praktische, buscherfahrene Stationschef immerhin meist zu treffen
imstande sein.
Zwei grundsätzlich zu beachtende Regeln sind folgende: Der Baugrund
mufs vollkommen trocken sein; der Platz darf sich nicht in der
Nähe von Sümpfen befinden, mufs zum allermindesten vor den aus
ihnen kommenden Winden, die seine Miasmen mit sich führen, vollkommen
geschützt liegen. Dabei hängt e s . natürlich ganz von den
Umständen ab, ob einer Anhöhe (was vom militärischen Standpunkt
aus vorteilhaft, ja notwendig wäre) oder einer Senkung der Vorzug zu
geben ist: in einem Fall kann der Platz durch einen dahinter Regenden
Hügel vor den Ausdunstungen jenseitiger Wasseransammlungen
geschützt sein und deshalb besser am Fufse der Anhöhe gewählt
werden, während im anderen zweifellos auf dem Rücken desselben gebaut
werden mufs. Die unmittelbare Nähe einer Quelle, eines fliefsen-
den Gewässers überhaupt, für Trinkwasser und Badegelegenheit ist ein
zweites unbedingt nötiges Erfordernis.
Von den fünf Stationen, die wir allmählich angelegt hatten:
Barombi, Batom, Tinto und Mi-Yimbi im Waldland, Baflburg im Grasland,
war es eigentRch nur Tinto, das den vierfachen, vorangeführten
Forderungen zugleich entsprach und zwar geradezu in selten erreichbarer
Vollkommenheit. Mitten -im Banyanggebiet an der grofsen Heer-
strafse, in die die zahlreichen Handelswege nach und von Westen einmünden,
auf einer weithin das ganze Gebiet beherrschenden Anhöhe
oder vielmehr einem langgestreckten Rücken gelegen, schweifte von
ihr der Blick nach Süden, Osten und Westen über ein gut Stück des
gesamten Waldlandes, in dem bald da und dort aufsteigender Rauch
zahlreiche, verborgene Ortschaften verrät, während im Norden und
Nordosten über das Urwaldmeer bereits die Höhenzüge des Graslandhochplateaus
verschwimmend den Horizont abschliefsen, die gewaltigen
südlichen Grenzmarken West-Adamauas. Das reiche Land der Banyang
bot Lebensmittel jeglicher Art in Fülle, und zwischen Station und
dem kleinen, auf dem gleichen Höhenrücken gelegenen Orte Tinto
rieselte eine Quelle zu Thal. Der Kaufpreis für den ganzen Hügel
nebst den paar Hütten von Tinto betrug 4 Steinschlofsgewehre,
4 Blechbüchsen Pulver und 4 Stücke Zeug.
In diesem Falle mufste der Anlage der Station ein Kauf des enma-
Bodens vorangehen, weil der Hügel teüs mit Hütten teils mit Pflan- erworl”mB-
zungen, dem HäuptRng von Nfo-Tabe gehörig, bedeckt war, also das
Land bereits einen Herrn hatte. Mit Gewalt sich da hineinzusetzen,
wäre ein schwerer Fehler gewesen; denn oberster Grundsatz mufs
f r ie d li c h e P o l i tik sein. Sonst d .h . auf unbebautem, ungerodetem
Boden findet Kauf nicht sta tt, denn es ist afrikanisches Landrecht:
nicht bebautes Land ist herrenlos und gehört dem, der es zuerst
urbar macht und bebaut.