Die Zeichensprache im Wald- und Grasland.
E r s a tz der
W o rtsprache.
Einzelbeobachtungen.
-
Nun zu der, wie gesagt, dem ganzen, von mir durchzogenen Nordhinterland
von Kamerun gemeinsamen Zeichensprache (etwaige Verschiedenheiten
sind jeweils vermerkt).
Schon der europäische Südländer begnügt sich nicht wie der
ruhige, gemessene Nordlandbewohner mit der Rede, mit dem gesprochenen
Wort allein, seine Gedanken den anderen mitzuteilen.
Während aber hei ihm Bewegungen der Arme und Hände nur Begleiter
der Rede sind, ist diese Gebärdensprache hei dem Neger zu
einer förmlichen Zeichensprache geworden. Nicht nur, dafs dieser alle
seine Gespräche mit lebhaften Bewegungen begleitet, nicht n u r, dafs
er durch Tonfall in weit höherem Mafse als wir eine Tonmalerei in
seine Rede zu legen weifs, nicht n u r, dafs auch ihm, gleich uns,
Zeichen und Gebärden dann aushelfen müssen, wenn er sich mit
Worten aus irgend einem Grunde nicht verständigen k a n n— die Zeichensprache
ist ihm ein gestikuliertes Volapük, wenn ich mich so aus-
drücken darf, geworden.
Meistenteils begleitet diese Zeichensprache das gesprochene Wort,
häufig aber auch tr itt erstere geradezu an Stelle des letzteren. Man
k ann, wenn man diese Zeichensprache beherrscht, manche Gespräche
der Eingeborenen verstehen, ja ich kann aus Erfahrung sagen, dafs
man kleinere palaver, wie E ssen -, Quartierangelegenheiten, Erkundigungen
nach Weg, Zeit, Antwort darauf und dergl. mehr vollkommen
verständlich in ih r erledigen kann, ohne ejn Wort zu sprechen* Bei
längeren und gewichtigeren Unterhandlungen natürlich tr itt das gesprochene
Wort wieder in sein notwendiges Recht; doch is t gerade in
den voraufgeführten kleineren, auf Märschen täglich unvermeidlichen
Verhandlungen eine derartige internationale Verständigungsweise für
den mit ih r vertrauten Reisenden ganz angenehm, zumal in Gebieten,
wie in der Urwaldregion, wo die Stämme n u r klein sind und man
nach ein p a a r Tagen schon wieder das Gebiet eines neuen betritt.
Aufser durch die Lebhaftigkeit, ja Leidenschaftlichkeit des Negers
ist diese weitgehende Ausbildung der Zeichensprache wohl zweifelsohne
begünstigt worden durch die verhältnismäfsig niedrige Stufe
linguistischer Vervollkommnung, auf der diese hier in Betracht kommenden
Sprachen stehen dürften.
Die gemachten Beobachtungen habe ich annähernd gruppenweise
zu ordnen versucht.
Z e it u n d O r t a n d e u te n d : Mit der flachen Hand sich von der
Stirn über Augen, Nase und Mund fahren = morgen. (Offenbar von
der Bewegung, die man am Morgen beim Erwachen oft unwillkürlich
macht.) Dazu sagt der Bali noch „kökoloko“. Derartige Tonmalerei Tonmalerei,
mufs auch zur Zeichensprache gerechnet werden: es ist der Ruf des
Hahnes („kökoloko“ heifst in der Balisprache übrigens auch — Hahn
[u n d ] = Morgen), der am Morgen kräht. — Ohr und Wange unter seitlichem
Kopfneigen auf die flache Hand legen = schlafen. — Die verschiedenen
Zeiten des Tages bezeichnet der Neger, indem er den
gestreckten Arm in dem Winkel zur Erde h ä lt, welchen die Sonnenstrahlen
zur betreffenden Zeit bilden würden: also den Stand der
Sonne zu der bezüglichen Zeit bezeichnend. — Mit ausgestrecktem
Arm und leicht naeh unten gekrümmten Fingern winkend = komm!
(Gleiche Bedeutung wie unser Winken; nur machen wir es umgekehrt,
d. h. wir winken bei eingeschlagenen übrigen Fingern nur mit dem
Zeigefinger, Handrücken dabei abwärts gekehrt.) — Mit dem Zeigefinger
über dem Boden in der Luft eine geschlängelte Linie beschreiben
(~-) ||= Weg. — Mit ausgestrecktem Arm, Handrücken aufwärts,
Zeige- und kleiner Finger ausgestreckt, die übrigen eingeschlagen
¡ JH deuten.
L e b e n sm i tt e l u. s. w. a n d e u te n d : Die fünf Finger einer Hand
zu einem Kreise zusammenkrümmen und hindurchsehen f l Ei. (Dieses
Zeichen h a t offenbar seine Entstehung in der Art der Untersuchung
des Eies auf seine Güte, indem man dasselbe hierbei so in die Hand
nimmt, dafs die beiden Pole, einer gegen das Auge, einer gegen das
Licht oder die Sonne gerichtet sind, und so durch die Schale zu
sehen versucht.) *S In Hüfthöhe ausgestreckter Arm mit ausgestreckter
Hand, kleinen Finger nach unten = Ziege. (Das ungefähre Höhen-
mafs derselben.) — Ein Arm ausgestreckt und ausgestreckte Hand,
mit Rücken nach unten; darüber, etwa eine Hand hoch, die andere
Hand ausgestreckt haltend, kleinen Finger nach unten = Huhn.
(Gleichfalls das ungefähre Höhenmafs des Tieres zur Bezeichnung desselben
genommen.) — Zeigefinger bis zum ersten ’Glied in den Mund
stecken = Palmöl. — Ganzen Zeigefinger in den Mund stecken =
Honig. — Am Zeigefinger mit der Zunge lecken = Salz. — Die
Finger einer Hand gestreckt, mit den Spitzen sich berührend, mehrmals
zum Mund führend = essen. (Die Zuführungsart der Speisen;
vergl. Abschnitt V, S. 288.) — Zur Bezeichnung des Trinkens h a t der
Neger die gleiche Gebärde wie wir.
S o n s t ig e Z e ic h e n : Mit dem Zeigefinger an Nase oder Auge