und der „casus belli“ war gegeben. (Im Uebrigen pflegen sonst die
Waldstämme in dieser Beziehung ein ziemlich weites Gewissen zu
haben, und das Familienoberhaupt oder der Ehemann sucht nicht eben
selten aus den Reizen seiner weiblichen Angehörigen durch Anbietung
derselben zum Beischlaf Kapital zu schlagen.)
Gegen' auswärtige Feinde aber scheinen diese Banyanggaue geschlossen
aufzutreten. Ein solcher Feind war und ist den klugen
Banyang stets der Weifse, der eben den Zwischenhandel zu brechen
droht. Das haben Zintgraff und ich zu verschiedenen Zeiten erfahren,
Die Ba n y a n g scheinen überdies Ausdehnungsgelüste an den Tag
zu legen, die sie jedoch damals noch, als ich das Waldland durchzog,
mehr in friedlicher Weise bethätigt haben. Und in der That, ihre
entschieden weit höhere Kultur mag nicht ohne Einflufs- auf ihre
Nachbarstämme sein. So zeigte der nördliche Teil des Mabumgebietes
in Bauart der Dörfer und Häuser, Instandhaltung der Wege u. s. w.
ganz entschieden Anklänge an die Banyangart; die politische Unabhängigkeit
aber hatte sich auch der ihnen zunächst sitzende Häuptling
von Nguti noch zu erhalten gewufst.
g) S o c i a l e G l i e d e r u n g .
• Eine solche genau anzugeben wäre natürlich nur nach längerer
Beobachtung möglich. Bei flüchtigerem Einblick liegen klar nur die
Gegensätze zwischen Häuptling und Volk, Freien und Sklaven zu Tage.
Doch scheint ein Gefolgschaftswesen, ein Hörigkeitsverhältnis auch
bei den Waldlandstämmen zu bestehen, wie wir es ausgeprägt im
Hochland vorfinden werden-
Die Form der Sklaverei ist mild; das geht schon aus der Sitte,
die Sklaven in eigenen Dörfern wohnen zu lassen (siehe S. 260), zur
Genüge hervor. Auch hier h a t die Haussklaverei ein patriarchalisches
Verhältnis angenommen. Man darf überhaupt die Bewohner
eines Landes, in dem die Eltern ihre Kinder zum Verkauf als
Sklaven anbieten, wie ich es selbst einigemal im Waldland erlebt
habe, nicht mit unserem, bisweilen übertriebenen Gefühlsmafsstabe
messen. Sklavenjagden giebt es nicht, nur Einzelverkauf und Weg-
fangen einzelner, sowie Verwendung kriegsgefangener Männer und
Weiber als Sklaven; wobei ich betone, dafs die Kriege n i c h t zu
diesem Zwecke geführt werden.
h) M ä r k t e .
Lebhaft entwickelt ist der Handel, namentlich bei den Banyan g .
Ich sehe hier ganz ab von dem mit Europäern getriebenen, sondern
habe nur den Marktverkehr der Stämme untereinander im Auge. Auf
die örtliche Beschränktheit infolge der Zwischenhandelssperre brauche
ich nicht noch einmal aufmerksam zu machen. Die Mabum, Ba tom,
Ba k u n d ü treiben hauptsächlich Palmöl- und Gummihandel, welch
letzterer bereits in den Faktoreihandel einschlägt. Im B a n y a ü g -
gebiet werden regelmäfsige Märkte an bestimmten Tagen abgehalten, Markttage,
meist mit achttägigen Zwischenräumen, an den einzelnen Plätzen aber
zu verschiedenen Zeiten, so dafs die, Märkte allseitig besucht werden
können. So war zur Zeit meines Aufenthaltes im- Waldland bei Mi-
Yimbi jeden Dienstag, bei Sabi jeden Donnerstag Markt.
Merkwürdig ist, dafs ein solcher bei keinem Stamme in einem “ “ JJ-
Dorfe stattfindet, sondern an einem freien lichten Platze im Urwald,
nicht selten in ziemlicher Entfernung von den nächstliegenden Orten.
Wahrscheinlich verträgt der gegenseitige Neid nicht eine derartige Bevorzugung
der einen oder anderen Ansiedelung; auch unparteiische
Verteilung der Weglängen mag mit Ursache sein. (Aehnliches hatte
übrigens z. B. im bayerischen Ammergau bis vor kurzem sta tt: nicht
in einem der Städtchen oder grofsen Dörfer, sondern auf einer flachen,
weit ausgedehnten Rasenkuppe wurden förmliche Märkte [sog. „Dulten“]
im Freien abgehalten.) Ich habe solch einen Marktplatz zu besuchen,
nur einmal Gelegenheit gehabt; im Banyangland südwestlich der Mi-
Yimbistation.
Kleinvieh, Farmprodukte, Palmöl, Gummi und das oben be- Marktg
, • produkte.
schriebene Natron salz waren die Hauptgegenstände. Auch ein paar
Messer, in der Form der sogenannten „cutlasses“, wurden von Händlern,
die offenbar keine Banyang waren, feilgeboten. Sie sollen aus dem von
Tinto in Ost Richtung gepeilten Bergland gekommen sein; die Arbeit
war auch zweifelsohne einheimische. Eine bedeutende Ausdehnung
hatte der Markt nicht. Ware wird gegen Ware, wozu ich auch Perlen,
Zeug u. s. w. rechne, umgetauscht.
Drollige Bilder spielten sich bei den von der Mi-Yimbistation
aus mehrfach beobachteten Uebergängen der Marktleute über die
Hängebrücke des unten rauschenden Fi ab, namentlich wenn sie mit
lebender Ware beladen kämen. Die Ziegen, Schafe oder Hunde wurden
einfach fest in die „kingar“ verschnürt, dafs nur mehr der Kopf heraussah,
und un ter lebhaftester Protestation der also behandelten Vier-
füfsler ging der Uebergang vor sich. Manchmal brachte dann das
lebende Packet den Träger in’s Schwanken, und hülflos und lau t schreiend
lag er in das Netzwerk der Brücke verstrickt, bis entweder Hülfe kam
oder das geängstigte Tier sich vollends frei gemacht ha tte und in die