A n der
Küste to t
geglaubt.
„Baliburg, 28. X. 92 . . . Mein körperlicher Zustand bessert sich
allmählich, so dafs ich hoffentlich nächsten Monat meine geplante
Streife nach Westen machen kann. Kurierte seit August mit allen
möglichen hochweisen Medicinen herum; seit 8 Tagen reibe ich mich
mit einer Buschmedicin ein, die mir Fonte- gebracht, u n d schon ist’s
bedeutend b e s s e r . . . Grofse Weihnachtspost abgeschickt, nachdem
heute früh Post von unten kam, aber nur von Kamerun. In Hamburg
soll die Cholera herrschen? — Da drunten an der Küste ging das bestimmte
Gerücht, die Bali hätten mich to t geschlagen. Bedaure, leider
noch n ic h t.. . . Je tz t bereits beginne ich, Weihnachtsvorbereitungen
zu- treffen; hoffentlich wird der Ahend heuer friedlicher als voriges
J a h r ; quien sabe? Milch, Zucker, Honig, Kerzenstümpfchen: alles
wird zusammengespart. Sogar als Zuckerbäcker mache ich Vorübungen
: in eine mit F e tt ausgeschmierte grofse Kugelzange kommt
Kakao- und Honiggemeng hinein, etwas am Feuer getrocknet, die
Zange geöffnet und ein Praliné ist fertig. . . .“
„Baliburg, 31. X. 92. Vormittags plötzlich furchtbares Geschrei
draufsen, ich ’raus; was war’s? Eine zottige dunkle Masse braust durch
die starke Fenz vorn herein und durch Anlagen und Beete durch, dafs
die Bananenbäume n u r so rechts und links fliegen. Und schon war
es auch durch die jenseitige Wand neben meinem Gartenhaus verschwunden,
ein zweites grofses Loch in die Umzäunung reifsend. Es
h a tte Form und Gröfse eines Schweines. Ein zahmes konnte es nicht
gewesen sein; die drei Rüsseltiere der Station lagen friedlich in ihrem
Koben, aufserdem waren sie blond und kurzhaarig; der grobe Störenfried
aber rötlich dunkel und an den Seiten langbehaart; also wahrscheinlich
ein Pinselohrschwein. Die Bali riefen auch gleich: »kunyam,
kunyam« (d. i. Schwein) . . .“
Baliburg, 25. XH. 92 . . . Gestern mittag Tornado aus Nordwesten
mit Hagel. Die hohen Fenzen meterweise eingelegt. Stein-
äckers Haus (nach seinem einstigen Bewohner noch immer so genannt)
war mit seiner Veranda als Christabendplatz ausgedacht, wo ich mit
dem gerade anwesenden Expeditionsmeister Knetschke ein ganz nettes
Bäumchen zusammengerichtet hatte. Es war aus Bambus in Tannen-
baumform gezimmert, und Stamm- und Zweiggerippe mit Stechpalm
und Baumfarnzweigen dicht grün belegt. Auf den Deckeln von
Zündhütchenschachteln standen die zusammengesparten Kerzenstümpfchen,
Goldflitterschmuck gab’s aus den Tauschwaren. Das hatten wir
uns vormittags schon so aufgebaut. Stofs auf Stofs brauste das
afrikanische Gewitter; bald flatterten die Grasbüschel der Veranda und
der Häuser, wolkenbruchartiger Regen und Sturm fegte das Bäumchen
uns weg und schüttete sein Wasser in unsere wankenden, wackeligen
Hütten; reihenweise stürzten draufsen auf dem freien Platz die neu
gepflanzten Laubbäume; und auf einmal ein Schlag, dafs ich taumelnd
an die Wand fliege: der Blitz hatte den Flaggmast vor der Station
zersplittert und den Steinhaufen an seinem Fufse nach allen Seiten
auseinander geschleudert: ein Omen?? Abends die Station ein Bild
der Verwüstung . . . vormittags bis nachmittags 400 Heuschreckenschwärme
aus Nordwesten, aber in solchen Massen, wie ich sie noch
nicht hier gesehen, bedeutend stärker wie im Februar. Je tz t abends
liege ich auf meinem Bett; Erbrechen u. s; w., leichtes Fieber. — Das
ist mein zw e ite s Christfest im Busch!“ -------
Damit schliefse ich die bruchstückweise Wiedergabe meiner Stationstagebücher
und Briefe.
Acht Tage später tra f die verhängnisvolle Post aus Kamerun ein
und brachte den Auflösungsbefehl für die Nordexpedition. Nun wüfste
ich, was der zerschmetterte Flaggmast bedeutet hatte! — — 4*»;
Leicht war sie nicht, die Aufgabe des einsamen Stationschefs da
draufsen tief in der Wildnis auf dem vorgeschobensten Posten — dem
verlorenen Posten.
Allein ist der Stationschef, auch wenn ein weifser Untergebener
ab und zu auf der Station sich befindet, ein weifser Karawanenführer
ab und zu eintrifft. Unbedingt nötig is t schroffe Absonderung, weit schroffaAb-
mehr als zu Hause bei der Truppe. Dort steht dem Vorgesetzten das
eiserne Gefüge der Subordination zur Seite, bier ist er auf selbstgeschaffene
Autorität angewiesen. Diese mindert sich rasch und versagt
leicht, giebt man der begreiflichen Neigung zu aufserdienstlichem
Verkehr nach. Der Chef allein h a t die Verantwortung, allein die
Leitung.
Der Tag vergeht ja wohl rasch; aber die einsamen Abendstunden
sind lang, recht lang namentlich in der langen, einförmigen, trüben
Regenzeit bei der elenden Palmöllampe. Eintrag der Tagebücher,
Festlegung wissenschaftlicher Ausbeute, Fertigung von Berichten nimmt
doch nur einen Teil der Stunden in Anspruch, fällt oft naturgemäfs
ganz weg, mangels Stoff. Mit Lektüre ist’s schlecht bestellt. Vor 900
abends kann man sich nicht zur Ruhe begeben, weil noch die abendliche
meteorologische Ablesung gemacht werden mufs. Da freut man
sich denn wochenlang auf den Festtag einer ankommenden Post, und
schreibt selbst viel und gern. Einen ganz eigenen Reiz h a t es für