Lebzeiten. Man könne aber erkennen, dafs er »ein Geist« wäre“
(so verdolmetschte mir das einer meiner Leute), „indem man ihm
Speisen vorsetzte. Aefse er, dann wäre er thatsächlich lebend wieder
heimgekehrt, äfse er aber nicht, dann wäre er eben ein Geist“.
Mtaohen. Die B a n y a n g scheinen auch sagen- oder märchenartige Geschichten
zu besitzen. Einige habe ich in Erfahrung bringen können.
Der einen läfst sich die Ueberschrift „der unsichtbare Mann“ geben;
diese, sowie eine zweite erinnert lebhaft an unsere Neck- und Nixenmärchen.
„Der unsichtbare Mann. Im Urwald zwischen Mi-Yimbi und
Tinto ist ein freier, lichter Platz neben einem kleinen Weiher; au f
ihm befindet sich eine Säule aus Holz; daran hängt eine Trommel.
Will nun ein Neger etwas verkaufen, so geht er damit an diesen
freien Platz, legt die Sachen oder bindet sie an die Säule und
trommelt. Hierauf mufs er wieder abgewandten Blickes fortgehen und
darf überhaupt nicht mehr hinsehen. Dann kommt bisweilen ein Mann
aus dem Wasser, aber unsichtbar, schaut die Sachen an und trommelt,
was er dafür giebt. Nach einer Weile geht der Verkäufer, aber fortwährend
zu Boden sehend, wieder hin und) giebt gleichfalls mit der
Trommel Antwort, ob ihm der Preis recht ist bezw. was er dafür
verlangt; sodann entfernt er sich wieder. Fü h rt nun dieses Handeln
zum gegenseitigen Einverständnis, so findet der Verkäufer, wenn er
zum Schlafs wieder hingeht, den Kaufpreis an der Säule liegen; die
Gegenstände sind verschwunden. Jetzt darf er auch wieder frei
umhersehen. Thäte er das, während der ganze Handel noch im Gang
ist, so würde er von dem Manne erwürgt. Hier und da h a t ein
Jäg e r den Mann auch schon gesehen; er h a t lange Haare und ist
ganz he ll“.
An dieser Geschichte ist einmal bezeichnend, dafs der Neger als
eingefleischter Handelsjude auch in seinen Sagen vom Feilschen und
Schachern nicht lassen .kann. Was mir aber das Wichtigere war:
wenn anders mein Junge mir dieses Märchen richtig verdolmetscht
h a t, so haben wir die ethnographische Thatsache, dafs es auch hier
Trommel, bei den B a n y a n g eine Trommelsprache giebt. Im gewöhnlichen Leben
habe ich im ganzen Waldland nichts davon beobachtet. Auffallend
war aber stets, wie rasch sich Nachrichten verbreiteten. Die Kunde
von dem unglücklichen Ausgang der Bandengschlacht am 31. Januar
1891 war am 3. Februar bereits in Kamerun bekannt; Gravenreuths
Tod bei Buea wufsten wir in Bali fü n f Tage später; und so könnte
ich mehrere derartige Fälle anführen. Der Gedanke an irgend ein
optisches oder akustisches Signalisieren liegt also nahe; aber wie gesagt,
diesbezügliche Beobachtungen mangelten mir.
Haben wir in dem mitgeteilten Märchen einen Wassermann kennen
gelernt, so fehlen auch die Wassernixen nicht. „Sie hausen gleichfalls
in kleinen Tümpeln im Urwald, und manche Jäger haben sie schon
erblickt. Sie sind rot und haben lange gelbe Haare; sobald sie sich
aber entdeckt sehen, tauchen sie schnell u n te r“.
Dem Umstand, dafs uns auf Mi-Yimbistation einmal eine Schlange
einen nächtlichen Besuch abstattete, verdanke ich die Kenntnis zweier
Schlangenmärchen. Wie das auch bei uns so geht: im Anschlufs an
die stattgehabte Aufregung drehte sieh das Gespräch mit unseren
Leuten und den Banyang am folgenden Tag um diese Reptilien. Hier
sind die beiden Märchen.
„Wenn zwei Schlangen miteinander kämpfen, und die eine hat
die andere totgebissen, so erfafst sie darob Reue. Sie eilt tiefer in
den Wald“ (»far away«; dolmetschten meine Leute), „reifst von einem
Strauch einen Zweig ab, und mit diesem bestreicht sie die tote
Schlange. Diese wird wieder lebendig und beide gehen dann in den
Wald. Der liegen gelassene Zweig aber ist ein sicheres Heilmittel
gegen Schlangenbifs; doch genügt dann nicht das blofse Bestreichen,
wie es die Schlange gethan, sondern der Gebissene mufs davon essen“-
Mit der Wiedergabe der anderen, geradezu lieblichen Sage schliefse
ich diesen Abschnitt. Sie h a t mich heimatlich angeweht: klingt sie
doch wie unsere anmutigsten Märchen. „Der Schlangenkönig. Es
giebt einen Schlangenkönig, der träg t einen schönen, glänzenden Stein
auf dem Kopfe. Wenn er nun in’s Wasser geht sich zu baden, legt
man ein frisch gebrochenes Bananenblatt an’s Ufer und bleibt versteckt
in der Nähe. Der Schlangenkönig legt sein Steinkrönchen
darauf und badet. Nun nimmt man geschwind Blatt und Stein und
läuft davon, was man laufen kann. Aber wehe, wenn er es sieht;
dann pfejft er und alle Schlangen kommen und beifsen den Räuber
tot. Der Stein aber ist eine grofse Medicin gegen viele Krankheiten
und namentlich gegen Schlangenbifs.“