Was die Behandlung der Aufnahmen anlangt, so bin ich auf
Grund gemachter Erfahrungen der Ansicht, dafs man sich draufsen
damit begnügen mufs, nur die Negative herzustellen; auf dem Marsch
und auch auf der Station. Dem hiermit verbundenen allerdings grofsen
Nachteil der Gewichtsbelastung stehen als Vorteile gegenüber: die Zahl
der mitzuführenden, dem Verderb nur allzu leicht ausgesetzten Chemikalien
wird wesentlich vermindert, Herstellung tadelloser Abzüge zu
Hause ist gewährleistet; und andererseits ist doch die Möglichkeit
gegeben, mifsglückte Bilder zu erkennen und den Fehler durch Neuaufnahmen
wieder gut zu machenJ). Eine Dunkelkammer auf der
Station sich herzustellen, ist keine besondere Schwierigkeit und die
vier roten Gläser, die man in die Wetterlaterne s ta tt der weifsen
einsetzt, sind auch keine wesentliche Vergröfserung der Ausrüstung.
Das anfängliche Mifslingen unserer Aufnahmen schreibe ich, abgesehen
von verdorbenen Platten u. s. w., einer zu langen Expositionsdauer
zu, zu der wir uns namentlich bei bedecktem Himmel verleiten
liefsen. Die Lichtwirkung in den Tropen ist eben doch eine weit
intensivere als in unseren Breiten.
Die Objekte, auch die lebenden, machten uns keine Schwierigkeiten;
im Gegenteil. Besonders die klugen Graslandkinder, Männlein
und Weiblein, hatten das gröfste Vergnügen, wenn sie uns „sitzen“
durften. Und das „ayilato“, wenn ihnen das mehr oder weniger schöne
Konterfei auf der P la tte entgegengrinste! Drollig war eine Frage der
Weiber auf der Station, bevor sie selbst verewigt worden, als sie in
meinem Hause auf dem Tisch zwei Bilder meiner Eltern sahen: „ob
die ändern Weifsen in Deutschland alle so klein wären.“ —
Verständnis der kleinen Stationsbücherei befand sich der erste Band von
Werte Nachtigals Werk.
Mit welch anderen Gefühlen, mit welch anderem Verständnis liest
man so etwas da draufsen, s e lb s t in der Wildnis, s e lb s t auf Forscherpfaden!
Da erst verstehk man die ungeheuren, schier übermenschlichen
Schwierigkeiten zu schätzen, die es gekostet haben mufste, eine
solche Ausbeute nach Hause zu bringen. Neidlos, aber bewundernd
schaut man zu solchen Männern auf. Zu Hause ist man vollkommen
unfähig, ihre ganze Gröfse zu fassen; nicht wenige legen solch ein
schlicht und anspruchlos geschriebenes Buch wohl gar beiseite: es
*) Falls Verwendung von Films bei den im vorigen und gegenwärtigen Abschnitte
geschilderten Marsch-, Witterungs- u. s. w. Schwierigkeiten möglich ist
(was ich nicht weifs), liegt die Sache ja viel einfacher: da hat Entwicklung lediglich
der Negative nur die hervorgehobenen Vorteile ohne den (buchstäblich) ins
Gewicht fallenden Nachteil.
enthält zu wenig afrikanische Schauergeschichten von Menschenfressern
und Jag d ab en teu e rn .--------
Was Lebensweise auf der Station als Teil westafrikanischer Lebenstechnik
und, damit zusammenhängend, Ausrüstung anlangt, kann ich
mich im grofsen und ganzen auf meine diesbezüglichen Ausführungen
im vorigen Abschnitt berufen.
Die G e g e n s tä n d e der Ausrüstung sind auch fü r den Aufenthalt Ausrüstung,
auf einer Station die gleichen wie fü r den Marsch. Angaben über
Zahl und Umfang lassen sich hier auch nicht annähernd geben; es
hängt das von den verschiedensten Umständen, wie Entfernung von
der Küste, Häufigkeit des Nachschubes, Gröfse der Station und Stationsbesatzung
u. a. m., ab.
Aufgabe der aussendenden Stelle bezw. des Führers einer Expedition
wird es sein, schon bei Ausrüstung und Zusammenstellung einer
solchen die Möglichkeit oder mehr, minder ausgesprochene Absicht
einer Stationsanlage ins Auge zu fassen. Wö’s dann noch fehlt, mufs
Nachschub die Ergänzung bringen. Ich mache ganz besonders aufmerksam
auf die Wichtigkeit reicher Ausstattung einer Station mit
Werkzeugen und mit ärztlicher Ausrüstung — in beiden Richtungen
kann ich aus eigener, negativer Erfahrung sprechen.
Letztere ist ja nicht blofs fü r die eigene Person und die eigenen Ärztliche
Leute von gröfster Bedeutung, sondern auch fü r die Eingeborenen des usl1i8tttng'
Landes, die bei dem Weifsen auf der Station Hülfe suchen; und glückliche,
ärztliche Eingriffe festigen Ansehen und Anhänglichkeit rascher
und nachhaltiger als manches Gefecht. Auch das habe ich selbst erfahren.
Während der im Februar und März. 1892 in .Balidorf wütenden
Ruhrepidemie bin ich Tag fü r Tag mit Opiumlösung und Dowerschen
Pulvern, gleich in ganzen Kalebassen angemacht, mit kondensierter
Milch und Liebigschen Fleischtöpfen, mit Karbollösung zur Desinfektion
von Haus zu Haus gewandert. Abgesehen von dem eben genannten
praktischen Nutzen manch glücklicher Kur habe ich gerade bei dieser
Gelegenheit vielfach Einblick in sociale und kulturelle Verhältnisse
thun können, wie sie mir sonst vielleicht nicht möglich geworden
wären. Für Übung in Wundbehandlung sorgten die unaufhörlichen Wege-
lagereien der Bali und unsere militärischen Unternehmungen. Mein
erster schwerer „Fall“ in dieser Richtung war leider nicht glücklich:
Noch spät nachts brachten mir die Bali einen Schwerverwundeten auf
die Station; ein Speer stak ihm in der Brust, den Schaft hatten sie,
wie sie das zu thun pflegen, sorgsam abgebrochen. Ich nahm alle