Kannibalismus?
Trauer- und
Iieichen-
feierlich-
k eiten.
eine noch „schwerere“ Form, wie sie sich ausdrückten; darin bestehend,
dafs ein Sklave geschlachtet, dessen Blut in Kalebassen aufgefangen
und von den Blutsbrüdern getrunken würde. Alle von mir darüber
befragten Bali, auch Angehörige anderer Stämme, sowie Garega selbst,
erklärten aufs bestimmteste, daran sei kein wahres Wort; die oben
erwähnte Verwendung von Menschenohren und -knochen wäre „Sitte der
Buschleute“ (Ureinwohner?). Bei diesen ihren Versicherungen hatte ich,
wie ich in meinen Aufzeichnungen ausdrücklich vermerkt finde, den
Eindruck, dafs Garega und die anderen durchaus nicht etwa leugnen
wollten. Das geht auch schon daraus hervor, dafs mir der gleiche
Häuptling, als ich bei einer solchen Gelegenheit fragte, ob sie überhaupt
Menschen äfsen oder gegessen hätten, sagte: „Nein, sie, die B a li,
thäten das nicht, doch die B a ta n k a “ (also der Stamm, mit dem sie
um ihre derzeitigen Sitze gekämpft) „hätten das gethan, und unter
d e n B a ta n k o a n gäbe es noch je tz t welche, welche so »baba«“ (d.i. verrückt)
„wären.“ Auch zeigten mir die Bali bei einem der Tänze einige
Leute aus den Vasallendörfern, „welche das th ä ten “. Sie finden also
diese Handlung nicht verabscheuenswert, sondern einfach „baba“ ;
dumm, närrisch, wie wir sagen würden. Sollten meine Jungen vielleicht
doch Recht haben insoweit, als wenigstens die Ureinwohner noch die
von ihnen behauptete Gepflogenheit üben? B a fu e n und B am u n d a ,
die die Menschenohren und -knochen verwendeten, sind ja Autochthonen.
Aufser diesen von den Bali erzählten Fällen, über die ich nicht
aus eigener Anschauung berichten kann, habe ic h im Nord-Hinterland
von Kamerun nichts von Kannibalismus gehört und gesehen. Ich will
mich jedoch mit diesem Satz durchaus nicht in bewufsten Widerspruch
mit Zintgraff setzen, der diesbezügliche ziemlich bestimmt
bejahende Angaben über die Einwohner von K om b o n e bringt. Dieser
Forscher h a t sich ja zu wiederholten Malen und weit längere Zeiten
im Waldland aufgehalten als ich, und scharf und kühl zugleich stets
beobachtet. Nur das möchte ich betonen, dafs man auf blofse Gerüchte
hin mit der Zuteilung dieser weitgehenden Nächstenliebe recht
vorsichtig sein soll: defs zum Beweis erinnere ich an die auf S. 357
erzählte Sitte, welche unsere Bali, dank dem stets vergröfsernden Gerücht,
zu Menschenfressern stempelte. —
Den Schlufs der Schilderungen der Feste und Feierlichkeiten,
und damit des Kreislaufes der Lebensgewohnheiten und -Sitten der
Graslandbewohner möge die Beschreibung jener Bräuche bilden, mit
welchen sie das Ende des menschlichen Kreislaufes umgeben: der
Trauer- und Leichenfeierlichkeiten.
Dieselben beginnen eigentlich noch bei Lebzeiten des Toten.
Wenn die Umgebung des Kranken zur Ueberzeugung gelangt ist, dafs
weder natürliche noch abergläubische Mittel mehr helfen können und
der Todeskampf beginnt, rennen die Angehörigen bald vor das Haus
hinaus, bald umtanzen sie das Sterbelager, schreien und spektakeln
mit allen möglichen Musikinstrumenten. Das am häufigsten hierbei
benutzte ist eine Rassel (Abb. 107): an einem Ring hängen 10 bis 20
cylindrische oder halbrunde hohle, längliche Eisenstäbchen, die geschüttelt
werden. Der auf diese Weise verursachte Lärm „soll die
bösen Geister verscheuchen, so dafs sie nicht von dem Sterbenden
Besitz nehmen können“. Indes diese Ab- Abb. 107.
wehr Sache der männlichen Verwandten
und Familienangehörigen (im weiteren
Sinn) ist, beginnen die weiblichen, in der
Hütte um das Lager kauernd, Klagegesänge
in eigenartigen, bald einförmigen,
bald gellenden'Tönen.
In dem Augenblick, in welchem die
Seele den Leib verläfst, verstärkt sich
Lärm, Geschrei, Klagen und Rasseln zu-
einem ohrenzerreifsenden Getöse.
Die Totenklagen werden auch noch
Rasselinstrument der Grasländer.
fortgesetzt, wenn der Kranke verschieden Etwa % nat. Gr.
ist, und dauern (natürlich mit Unterbrechungen)
meist drei Tage. So lange währt auGh gewöhnlich die Totenfeier.
Ich bemerke noch,' dafs die Worte dieser Gesänge mir vollkommen
fremd klangen (der gewöhnlichen Balisprache gehörten sie nicht an);
ferner, dafs die vorgeschilderte Abwehr böser Geister beim Tod eines
Weibes n i c h t sta tth a t — alles übrige ist bei beiden Geschlechtern
gleich. Zweifeln die Bali an der Existenz einer Seele im weiblichen
Körper (wie einst das Provinzialkonzil zu Macon im sechsten Ja h rhundert
der christlichen Zeitrechnung)?
Der Leichnam wird in Stoffe bänderartig eingehüllt; je vornehmer
und reicher der Verstorbene war, desto umfangreicher und schöner
ist die Hülle. Die Beisetzung erfolgt in ausgestreckter Lage und stets
in dem zu Lebzeiten bewohnten Hause. In B am e s so n wird die Leiche
meist unter der Schwelle eingegraben.
Die weitere Totenfeier besteht in Tänzen und dem Leichen-
schmause. Die nächsten Angehörigen geben ihre Trauer äufserlich
kund, indem sie sich eine Zeit lang nicht rasieren lassen, nicht mit