gelöscht, Boote und Bootsleute angeworben, Kanus aufgetrieben und
alles, was eben aus dem Hochseeschiff ausgeladen war, in die kleinen,
elenden Fahrzeuge verstaut werden. Denn die erste Strecke meines
Vormarsches ■ ins Innere benutzte ich den Wasserweg, den Mungo
stromaufwärts bis Mundame.
Am 15. Juni fuhr ich an .d e r Spitze einer Flottille über den
Kamerunflufs, um 20°p.m. bog ich in den Mungo-Kriek ein — und nun
war die civilisierte Welt hinter mir versunken, die Wildnis hatte mich
aufgenommen, aus der ich erst nach 20 monatlichem ununterbrochenen
Leben in ihr wieder in jene zurückkehren sollte. 4 t-'
Geduld und Energie, zähes Abwarten und Ausharren auf der
einen Seite, im entscheidenden Momente alle geistige und körperliche
Spannkraft mobil machen auf der anderen Seite, und dann vollstes
Einsetzen der Persönlichkeit: das müssen die unbedingten Eigenschaften
eines jeden werden, der nicht ein Spielball der Verhältnisse
und derer sein will, über denen e r stehen soll. —
Die Regenzeit h a tte bereits seit einem Monat eingesetzt und fast
ohne Unterbrechung stürzten die Wassermassen herab. Der Feuchtigkeitsgehalt
der Luft in den Regenmonaten ist ein ganz aufserordent-
licher: die Kleidungsstücke sind stets feucht, die Stiefel weich; Gewehr
und Eisengegenstände binnen 24 Stunden von Rost überzogen, das
Papier des Notizbuches feucht und breiig.
Schmutzig gelbe Fluten führte der angeschwoUene Mungo uns
entgegen; obschon wir von früh bis abend mit allen Kräften ruderten,
machten wir ein p a a r Mal nur 5 bis 6 km im Tag. Die Strömung
rifs die Kanus einfach m it, und geraume Strecken trieben wir so
zurück, die aufs neue gemacht werden mufsten.
In Nyoke, einem der am Flusse liegenden Dörfer, in denen wir
abkochten und schliefen, lernte ich , bereits am dritten Tage meines
Aufenthaltes im Busch, die gefürchteten, grofsen, sogenannten Treiberameisen
kennen. Ich safs im Stern meines mit dem Vorderteil ans
Land gezogenen Kanus und wartete gerade der Buschsuppe, die am
Ufer im Feldkessel brodelte; da wanderte ein dichter Schwarm dieser
kleinen Quälgeister vom Land aus ins Fahrzeug: im Nu war alles ganz
schwarz überzogen von ihnen und in wenigen Sekunden auch ich.
Ich wufste mich den schmerzhaften Bissen nicht anders zu entziehen,
als dafs ich, wie ich war, ins Wasser sprang und eine Strecke weit
schwimmend wieder ans Ufer stieg.
Den ganzen Tag safs ich zusammengekauert in dem langen,
schmalen Kanu, das fast bis zum Rand im Wasser ging und beständig
mittels einer leeren Konservenbüchse ausgeschöpft werden mufste;
dicht um einen herum sitzen die Kerle auf den Bordwänden und unermüdlich
tauchen unter stetem Geschrei und Zischen die spitzen
Paddeln ins Wasser. Riesige Baumstämme kommen herabgeschwommen,
denen man nur mit Mühe ausweichen kann. Manchmal liegt ein
mächtiger Urwaldriese quer über die Wasserstrafse, Lianen vom Ufer
aus halten ihn noch; die Kanus kommen nicht weiter, eines nach dem
anderen mufs auf den morschen, schlüpfrigen Stamm ausgeladen, hinübergehoben
und drüben wieder beladen werden. Ab und zu hört
man einen- mächtig rauschenden Flügelschlag; hoch zu Häupten
streicht ein Nashornvogel mit miistönendem Geschrei; Von den
Bäumen hängen schöne, grofse Blüten herab, am selben Stamm auch
schon die Früchte; frisches, junges und welkes Laub am gleichen
Stamm: das ist es, was unter den Tropen jeden Unterschied der
Jahreszeiten in unserem Sinne aufhebt. Nie .findet man ganz entblätterten
Wald, nie solchen in jungem, frischem Grün prangen:
Werden und Vergehen verbinden sich innig in dem gewaltigen, sich
selbst überlassenen Naturhaushalt der Tropen.
Nach 10 tägiger Kanufahrt kam Mundame in Sicht, der Endpunkt
der Wasserreise. Eine kurze Strecke noch stromaufwärts braust der
Mungo in Fällen über Felsbarren herunter und setzt damit der Befahrbarkeit
ein jähes Hemmnis entgegen.
Tags darauf auf der Barombistation angelangt, ha tte ich die erste
Etappe, die F ah rt auf dem Mungo, hinter mir. Von hier aus nahm
die zweite ihren Anfang: der Landweg, der eigentliche M a rsch .
Hier ward die Expedition, mit der ich den neuen Einmarsch ins
Waldland äntreten sollte, zusammengestellt._____
Diese dem Antritt des Marsches als letzte Vorbereitung voraus- |
gehende Tbätigkeit ist infolge des einzig möglichen Verkehrsmittels: etoeHLpe-
des Reisens mit Trägern, eine wichtige und schwierige Aufgabe für den dltl°”'
Führer.
Es ist ein kleiner diplomatischer Vorteil, wenn die Träger nicht
sämtlich aus demselben Stamm oder wenigstens nicht aus dem gleichen
Heimatsdorf angeworben sind. Man kann dann einen gewissen Lokalpatriotismus
in den verschiedenen Trupps wecken und zur Erreichung
gesteigerter Leistungen benutzen.
Die idealste Zusammensetzung einer jeden Expedition, aucb wenn
sie nicht militärische Zwecke verfolgt, ist: Führer, einige Weifse als
Unterführer (Expeditionsmeister), ein Detachement farbige Soldaten,
Träger. Dann kann, gerade bei einer Forschungsexpedition, der F ü h re r