Ultima
ratio.
nach geistigen und körperlichen Anstrengungen jeder Art, neben
wissenschaftlicher Thätigkeit, der Sorge für Verpflegung, den verschiedensten
sonstigen palavern bis tie f in die Nacht hinein heim
flackernden Feuer die Führer-, die Durchzug-, die Geschenkfrage zu
erledigen. Stunden der so sehr ersehnten Nachtruhe, des so nötigen
Schlafes zur Gewinnung neuer Kräfte für die Ereignisse des nächsten
Tages mufs der Führer opfern.
Da mufs sich die passive Schneid zeigen; Geduld, Geduld und
nochmals Geduld und Zähigkeit. Alle afrikanischen Diplomatenkünste
kommen da auf beiden Seiten zur Geltung. Gut g e s p i e lt e r Zorn ist
nicht selten von überraschender Wirkung. Aber nur geschauspielerter,
bei dem man innerlich Herr über sich bleibt. Nachtigal erzählt bei
Schilderung seines Auszuges aus Kuka, dafs ihm ein alter Ratgeber
Scheich Omars eine Strecke Wegs das Geleite und dabei eine Fülle
guter Ratschläge gab, darunter ganz besonders den, „sich vor der
unschicklichen und gefährlichen Heftigkeit der Weifsen“ zu hüten.
Auch da, wo man durch Anwendung von Gewalt sich die Strafse
für den nächsten Tag mit zweifelloser Aussicht auf Erfolg frei machen
könnte, mufs der Führer der so nahe liegenden Versuchung widerstehen,
s ta tt stundenlanger Verhandlungen den rauchenden Karabiner
das palaver führen zu lassen. Rücksicht auf sich selbst, d. h. auf
seinerzeitigen offenen Rückweg, Rücksicht auf einen allenfallsigen Nachfolger
andererseits verbieten es. Gerade diesen letzteren Punkt darf
der Forschungsreisende niemals aufser acht lassen. Mag der Nachfolger
wieder ein Forscher oder mag es der Kolonialbeamte sein; er
wird es an Land und Leuten und damit am eigenen Leibe bald
merken, wie sein Vorgänger „gearbeitet“ h a t
Die Waffe, der Kampf darf nie und nimmer etwas anderes sein
als die „ultima ratio “. Unmittelbare Bedrohung, offene Feindseligkeit,
Wortbrüchigkeit, die Notwendigkeit, wenn alle anderen Mittel erfolglos
gehlieben sind, auf Durchführung seines einmal ernsthaft kund gegebenen
Willens zu bestehen, und damit die Macht und Überlegenheit des
Weifsen zu zeigen: das sind die Fälle, in denen das Gewehr nicht
n u r sprechen d a r f , sondern mufs.
In Einzelbildern n u r, mit wenig Strichen hingeworfen, habe ich
versucht, westafrikanisches Marschleben in Urwald und Savanne mit all
seinen Schwierigkeiten, mit all seinen Reizen zu schildern.
Nicht zum letzten in der Ecke des Golfes von Guinea ist beides,
leider der Schwierigkeiten mehr als der Reize, vereint. Aber durch
sie, über sie weg geht der Weg in’s Unbekannte; und-mächtig lockt
Unerforschtes. Im April 1901 bringe ich dieses Kapitel zum Abschlufs,
im April 1892 habe ich auf Baliburg in mein Tagebuch geschrieben:
„Ein schöner Blick bot sich mir heute abend' auf dem Hügel.
Über dem malerischen Waldthal im Osten hingen weifse Wolkenmassen
tief herab, das unbekannte Land dahinter verschleiernd — vom
Widerschein der untergehenden Sonne ganz blafs zuerst, dann heller
und herrlicher in zartestem Rot verheifsungsvoll gemalt. Das sendete
seine Strahlen hinauf bis fast zum Zenith in sechs Zacken gleich einer
Krone von rotem Gold, die sich dem auf die Stirne drückt, der
forschend einmal eindringt in jene Gebiete, wo »das Geheimnis, selten
nur entsiegelt, sich lockend um die Länder schlingt«.“