Volkliche s
U n te rs c h e id
u n g sm e rk m
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Manch weitere Kunstfertigkeiten sind bei den Graslandstämmen
noch zu finden, wir haben sie da und dort bereits verstreut kennen
gelernt, werden ihnen im weiteren Verlauf dieses Abschnittes noch ab
und zu begegnen; ich wollte un ter der Aufschrift „Gewerbe“ l e d ig l
i c h jene Thätigkeiten und Erzeugnisse nennen, die auch nach
unseren Begriffen mit dieser Bezeichnung belegt zu werden Anspruch
haben. Dabei möge man nicht vergessen — ich habe das mehrmals
bereits betont — , dafs weder von einer s t r e n g e n T r e n n u n g zwischen
Gewerbetreibenden und Nichtgewerbetreibenden überhaupt noch
von einer solchen zwischen den einzelnen Industriezweigen selbst gesprochen
werden kann, mit der einzigen Ausnahme der Eisenbearbeitung.
Aber auch da nur insoweit, als der Schmiedekundige dieses sein Handwerk
als seinen H a u p tb e ru f betrachtet.
q) S i t t e n u n d G e b r ä u c h e .
Die Anwendung der geschilderten verschiedenen gewerblichen
Thätigkeiten auf Gepflogenheiten der Graslandbewohner in Tracht und
Waffen u, a. m. führt zu diesem Kapitel. Dabei werden wir nun bald,
namentlich bei Betrachtung ihrer privaten und öffentlichen Feierlichkeiten,
au f religiöse und abergläubische Momente stofsen; den Beteiligten,
d. i. in diesem Fall der Bevölkerung selbst, zum Teil oft weit weniger
bewufst als dem unbeteiligten Betrachter, d. i. dem Forscher. Ich habe
dieses Gebiet, das sich, wie die Verhältnisse da draufsen liegen, schwer
trennen und fü r sich behandeln läfst, auch schon früher da und dort
streifen müssen; erinnere nur an den gelegentlich der Beschreibung
unseres Vertrages mit Garega (S. 349 u. f.) zum Ausdruck kommenden
Hühnerkult.
1. B e w a f f n u n g u n d A u s r ü s t u n g . Wie der Waldlandneger,
kennt auch der Bewohner der Baliländer keine Schutz-, nur Trutzwaffen;
und zwar für den Fernkampf: den Speer, Pfeil und Bogen und
das Feuersteingewehr; für den Nahkampf: das Messer.
In der Verschiedenheit der einheimischen Femwaffen glaube ich
endlich einmal wieder ein völkerscheidendes Merkmal gefunden zu
haben. Die B a li und B a fu t (Eingewanderte) führen nur den Speer;
bei den B a t a n k o a n , sowie in B am u n d a und B a fu e n und bei den
B a p ig n i (sämtlich Ureinwohner) ist allerdings diese Waffe gleichfalls
überwiegend, viele aber bringen nur Pfeil und Bogen ins Gefecht.
Insbesondere bei den Babossa (zum Batankoanstamm gehörend) ist
das Verhältnis der beiden Waffen entschieden zu Gunsten des Bogens.
Eigentlich erwartete man eher umgekehrte Verhältnisse: sollen ja
doch die Haussa-Fulla aufser der Lanze fast ausnahmlos auch Bogen
und Pfeile führen. Das mehr oder weniger zahlreiche Vorkommen der
Gewehre hängt hauptsächlich mit dem jeweiligen Handelsverkehr zusammen;
die B am e s so n verfügen über fast gar keine, die B a li über
eine stattliche Zahl u. s. w.; dann aber spielt auch der konservative
Sinn, das Beharren an der Vätersitte mit herein: die älteren Männer
sind der Neuerung abgeneigt und halten fest an der Waffe der Altvordern,
die jüngere Generation geht mit der Zeit.
Die Bogen sind etwa drei Fufs lang, einfach gekrümmt aus hartem Ein- ° . ’ f heimische
Holz mit starker Bast- oder Tiersehne; der Köcher ist ein fellüberzogenes, Kernwaffen,
cylindrisches Holzgefäfs und fafst 20 bis 25 Bambuspfeile mit eiserner
Doppelspitze und Widerhaken, teils mit, teils ohne Schwinge. Auf 20
bis 30 m ist er eine nicht zu unterschätzende Waffe. Bei den bogenführenden
Stämmen — und nur bei diesen — sah ich ferner nicht
selten, dafs die Krieger um’s rechte Handgelenk geschlungen Wurfschlingen,
in dünnen Seilen bestehend, trugen. Die Wurfweite ist sehr
gering, höchstens 1 bis 2 m. Die Pfeile, sowie auch die Speere sind
nie vergiftet. ^Äftetcn
Die Speere sind mir, namentlich in der Hand des geübten Hoch- Waffen-
länders, stets eine unbehaglichere Waffe gewesen, als das Gewehr, und
h a t man sich stets recht artig verbeugt, wenn sie mit ihrem eigentümlich
rauschenden Sausen zischend angeflogen kamen. Sie werden meist im
Sprung geschleudert, auf 30, ja 40 m noch mit grofser Sicherheit und
Durchschlagskraft. Der Schaft ist aus Bambus oder einem sonstigen
leichten Holz, etwa 2 m lang, die Formen der Spitzen (mittelst einer
Oese und Eisennägeln fest mit dem Schaft verbunden) und der Widerhaken
sind verschieden; siehe Abb. 84 a bis g (a. f. S.). Der Speer
mit dem breiten, lanzettartigen Blatt ohne Widerhaken (Abb. 84h)
ist k e in Kriegsspeer, sondern ein sogenannter „Weiberspeer“. E r wird
von vornehmen Frauen geführt, wenn sie in die Farmen sich begeben:
als Zeichen ihrer adeligen Stellung, und daneben allerdings auch
als Waffe.
Ins Gefecht rückt kein speerbewaffheter Grasländer ohne ein Bündel
von acht bis zehn Speeren.
Bezüglich der Gewehre, der Munitionsausrüstung hierfür, der mehr Eauer-
als zweifelhaften Schiefsfertigkeit u. s. w. kann ich auf das diesbezügliche
Kapitel im vorigen Abschnitt (S. 292 u. f.) verweisen. Diese
Verhältnisse sind hier wie dort die gleichen. Es wäre nur noch etwa
zu erwähnen, dafs die Schutzkappen fü r das Schlofs von den Grasländern
nicht selten zu allem Überflufs noch mit der wallenden Mähne