sich ein erbliches Königtum zuerst durch Selbstwahl, dann auch
rechtlich herausgebildet.
Die Führerschaft des herrschenden Geschlechtes, also p o li tis c h e s
S tam m e s o b e rh a u p t, erkennen gegenwärtig die anderen, ursprünglich,
und vielleicht auch jetzt noch gleich einflufs- und anhangreichen
vornehmen Familien willig an; an Adel aber und Ansehen wollen sie
ihm nicht nachstehen. Das läfst sich unter anderem z. B. auch daraus
schliefsen, dafs ich einigemal, wenn ein Vornehmer des Stammes gefallen
oder gestorben war, bei der Nachfrage nach seiner socialen
Bedeutung die Aufklärung: „the king no pass him“ (der König ist
nicht mächtiger), erhielt. Auch einem Absolutismus bilden sie das
Gegengewicht, und wahren sie sich den Einflufs auf innere und äußere
Angelegenheiten in der Form eines aus ihren'bejahrtesten Mitgliedern
gebildeten Rates, dem übrigens der Häuptling in kluger Weise, um
einer verstimmenden oligarchischen Regierungsform zu entgehen, aus
den Freien gleichfalls betagte Männer beigesellt. Sogar Sklaven mit
der nötigen Klugheit (und wohl auch Skrupellosigkeit) geniefsen hohes
Vertrauen beim Häuptling. Der Balifürst Garega z.B. hatte den klugen
Söhnen freigelassener Sklaven, ihres Zeichens Schmiede, Fonte und
Tituat (dessen Bildnis in Abb. 39 wiedergegeben wurde), geradezu die
Stellung einflußreicher Ratgeber und Vertrauter eingeräumt, die er
häufig mit geheimen diplomatischen Aufträgen und Sendungen betraute.
nar nat. Durch diesen Rat, aus allen socialen Kreisen zusammengesetzt__
er ist 50 bis 60 Köpfe stark — weifs der Häuptling klug die Wünsche
und Stimmungen der Volksseele zu erlauschen. Nichts wird u n te rnommen,
nichts als Gesetz verkündet, ohne die Sicherheit, dafs es auch
(durch Majorität oder Gewalt) durchgesetzt werden kan n So ist der
V o lk sm a sse gegenüber die Macht des Häuptlings eine fast unumschränkte.
Offenen Widerspruch gegen seine Befehle giebt es nicht,
und mehr als einmal sah ich Garega in grimmer Wut auf den gekrümmten
Rücken säumiger Unterhäuptlinge den Speer entzweischlagen.
” S g . Ward ihm aber von 8eiten seines Rates aktiver Widerstand entgegengesetzt
oder stiefs er beim Volke au f passiven Widerstand, so
wendete der Balifürst — von anderen Häuptlingen habe ich es nicht
in Erfahrung gebracht — ¡.ein uns sonderbar erscheinendes Mittel an,
seinen Willen,durchzusetzen, nämlich eine zeitweilige Abdankung! Der
Last der Regierung anscheinend müde, zog er sich ganz allein auf
eine abgelegene Farm zurück, setzte sich dort in einer verborgenen
Hütte nieder und verweilte stundenlang, in tiefen Groll versunken. Es
bedurfte vieler Bitten seiner ihn überall suchenden Umgebung und der
erneuten, wiederholten Zusage unbedingten,1 künftigen Gehorsams, bis
er sich erweichen liefs, sein Herrscheramt wieder aufzunehmen. Laut
ü b e r die Lasten des Amtes klagend, wandelte er dann, unter den
Schmeicheleien und Lobpreisungen seiner Umgebung, ins Dorf zurück.
Für den Aerger, den die lieben Unterthanen auch einem Grasland- J
herrscher nicht selten bereiten, vergilt dieser durch rücksichtslose Behandlung
in mancher Beziehung. Das loyale Volk läfst sich das auch,
ohne zu murren, gefallen. Der Neger w i l l beherrscht sein, und träg t
mit fatalistischer Gelassenheit jeden Druck. So üb t der Häuptling und
auch mancher Vornehme im eigenen Stamm eine Art Beitreibung; aber
nicht an Sachen, sondern an den Menschen selbst. . Garega pflegte
nicht selten irgend einen seiner .Unterthanen auf dem Wege zur Farm
einfach greifen, und einige 30, 40. km weiter als Sklaven verkaufen zu
lassen, um fü r den Erlös ein Trinkgelage zu geben. Niemand fand
etwas Besonderes darin, und wacker zechend pries jeder die offene Hand
des Fürsten. Das war eben ein Kronrecht;: und wir thun g u t, bevor
wir uns sittlich hierüber entrüsten, gut wie übrigens auch in sehr
vielen anderen Fällen —, an unsere eigenen Verhältnisse, namentlich
an die mittelalterliche Feudalzeit mit ihren gleichfalls oft recht weit
gehenden „Herrenrechten“ zu denken. Ich möchte z. B. doch dahingestellt
sein lassen, was ungerechter und empfindlicher ist: solche vereinzelte
Freiheitsberaubungen oder das berüchtigte „jus primae noctis“
oder der Frondienst in seinen verschiedensten Formen zum nacktesten
Vorteil des Herrn? Letzteren, den Frondienst, finden wir gleich auch
bei den Graslandvölkern. Hier wie dort vermifst man die nach unserem
heutigen Begriff mit den H e rrs c h e rre c h te n unzertrennlich verbundenen
H e rrs c h e rp flic h te n in Gestalt der Fürsorge fü r die Untergebenen.
Drastisch gab sich das unter anderem einmal kund, als die Heuschrecken
verheerend in die jungen Farmen einfielen. Garega und
die Vornehmen hatten nichts Eiligeres zu thun, . als sofort ihre Hörigen
in i h r e Farmen zu entbieten, die Tiere nach Kräften zu verjagen;
dafs bei diesem Frondienst die Pflanzungen der armen dienstpflichtigen
Teufel schutzlos preisgegeben waren, darum kümmerten sie sich nicht.
An den Höfen der Herrscher .in den Baliländern läfst sich sehr
wohl von einem gewissen Hofceremoniell sprechen. Dieses beginnt
schon mit dem Betreten des Häuptlingssitzes, und der Begrüfsung. In
Gruppen: versammeln sich, die vor dem Herrscher erscheinen wollen,
am Ausgang seines Gehöftes auf dem freien Volksversammlungsplatz
oder im Palmweinhaus, und hocken am Boden nieder. Im allgemeinen
ist es nicht gestattet, dem Häuptling bewaffnet zu nahen; nur Garega