Handelsbündnisse.
Stamme an. Damit ist dann schon ein „Kriegsfall“ gegeben, der zum
mindesten zu privaten Repressalien führt. War der Verstorbene oder
Kranke ein angesehener Mann, so verlegt sich seine Sippe auf das
Wegfangen des Schuldigen oder überhaupt Angehöriger des Stammes;
dem der Uebelthäter angehört. Dieser oder sein Anhang vergilt in
gleicher Weise, und die Reiberei ist im besten Gange.
Der ganze Stamm wird selten in solche Privatstreitigkeiten hineingezogen,
aber diese vererben sich oft durch mehrere Generationen: also
eine Art Blutrache. ■
Eine Lösung der Weggefangenen durch Zahlung von Vieh, Elfenbein,
Weibern und Sklaven ist angängig. Kümmert sich der Stamm
oder die Familie um denselben nicht, so bleibt er eben Sklave oder
wird als solcher weiter verkauft. ,
Einer gewissen Komik entbehrt eine hier einschlägige Gepflogenheit
der Graslandstämme nicht, insofern als sie, das Bewufstsein dieser
Vergeltungsgelüste und der damit immerhin verbundenen Gefahr fü r
weitergreifende Verwickelungen bekundend, in gewissen Fällen zu einem
sonderbaren Auskunftsmittel g re ift Wie wir gleich hören werden, besitzen
doch einzelne Stämme die Einsicht, Handel und Wandel sich
sicherer und freier zu gestalten, und hegen den Wunsch, dieserhalb in
Unterhandlungen zu treten. Da aber keiner sicher weifs, wie ein
solcher erster Schritt aufgenommen wird, so sind die ersten Unterhändler,
die geschickt werden, meist Sklaven. „Würde der getötet, so gäbe es wegen
eines solchen kein weiteres palaver“ ist die Begründung fü r deren Wahl.
Nie ist demnach der Nichtstammesangehörige auf der Landstrafse
sicher vor Ueberfall, Plünderung und Freiheitsberaubung. Es herrscht
aus politischen, noch mehr aus privaten Ursachen ein beständiger
Kriegszustand, der sich, namentlich in letzteren Fällen, weniger
in entscheidenden Gefechten als in gelegentlichen Ueberfällen und
Plünderungszügen kundgiebt.
Trotzdem besteht aber ein reger Handelsverkehr. Das begreifliche
Bestreben, diesen sicherer und freier auszugestalten und vor Busch-
kleppereien anderer Stämme zu schützen, h a t es zuwege gebracht, dafs
bereits in Handelsverbindung stehende Völker sich durch Abscblielsung
von Verträgen, die durch Blutsfreundschaft eine geheiligte Grundlage
erhalten haben, zu gröfseren Verbänden, wenigstens eben zur Gewährleistung
gesicherteren Handelsverkehrs, einigten. So die Bali*) und
*) Unter „B a li“ (kurzweg) verstehe ich fortan — wenn nicht eigens anders
vermerkt — denjenigen Stamm dieses Volkes, bei dem unsere Station Baliburg
lag; also die B a li-N ’Y ong.
B am e s so n und B an zo a ; die B a fu t und B a n d e n g ; die B a li, B a fu e n
und B am u n d a u. s. w.
Naheliegend und verführerisch fü r eine kluge Regierung ist es zu staatenwi-
. • • n dungs- und
allen Zeiten und Orten gewesen, diese merkantilen Bündnisse in vorhen- Bcnaftsbepolitische
weiter zu gestalten; und als nächster Schritt: s i c h die atte’J™6<m.
leitende Stellung in diesem nunmehrigen Staatenbund zu verschaffen.
In den Baliländern h a t es zur Zeit meines Aufenthaltes eine solche
Regierung gegeben in Gestalt des weitschauenden und herrschbegierigen
Häuptlings der B a li-N ’Y o n g , Garega. E r war es, der damit den
politischen Vorteil einer Staatenbildung erkannt h a t, und in der Zu- Gare«a-
sammenfassung der Graslandvölker unter seiner und seines Stammes
Führung sah er seine hauptsächlichste Herrscheraufgabe; ihre Verwirklichung
war ihm das Endziel seiner Wünsche. Durfte er sich
also in der Weitsichtigkeit seiner Pläne dreist mit einem weifsen
Staatsmann vergleichen, so nicht minder in der Klugheit und — (sagen
wir) Vorurteilslosigkeit bei der Wahl der Mittel. So hatte unter
anderem seine unentwegte Anhänglichkeit an den Weifsen ihren Hauptgrund
in diesem seinem ehrgeizigen Streben: der Weifse sollte ihm
mit seinen Waffen, Schätzen und Ratschlägen bei Erreichung seiner
Absicht behülflich sein. Diplomatische Verhandlungen waren ihm
weitere Mittel, die er einem Krieg, so kriegslustig und waffenfreudig
er auch für seine Person war, stets vorzog. „Krieg und Gewalt
machen die Menschen scheu wie vom Leoparden aufgescheuchte Ziegen
und treiben sie in den Busch; und ein Dorf ohne Menschen ist wie
ein ausgebranntes Feuer“ : war eine seiner politischen Anschauungen.
Dafs er aber auch den Krieg nicht scheute, h a t er uns mehr als
einmal bewiesen. Seine Skrupellosigkeit kennzeichnet sich in einem
anderen seiner Aussprüche gelegentlich einer geradezu doppelzüngigen
Unterhandlung mit unseren beiden Hauptgegnern, den Bafut und
Bandeng. Von beiden Stämmen waren eines Tages Gesandtschaften
eingetroffen. Während er persönlich jene der. Bafut zu gemeinsamem
Herfallen über Bandeng zu bereden versuchte, bewirtete sein Sohn
Mbo die Abgesandten der Bandeng freundlichst in einem anderen Teil
des ausgedehnten Königsgehöftes. „Geht man aus, im Busch ein Huhn
zu fangen, so klopft man nicht mit einem Stock an die Bäume, sondern
streut Maiskörner“, meinte er.
Den besten und sichersten Weg, diese erstrebte Vorherrschaft zu
erlangen, sah er übrigens — und das ist ein weiterer Beweis seines
richtigen politischen Blickes — darin: zu erreichen suchen, dafs die
Nachbarstämme vor’ ihm als Schiedsrichter ihre Streitigkeiten zur Ent-
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