Religiöse und noch weit mehr materielle Furcht also erzeugt in ihm
den Wunsch, dafs der weifse Forscher sein Gebiet nicht betrete; ver-
anlafst ihn, offen und versteckt, je nachdem, gegen ihn zu arbeiten.
Wohl verstanden, ich spreche hier nur von dem th a t s ä c h l ic h e n
reinen Forschungsreisenden! Dafs k o lo n ia le Absichten vom idealen
Rechtsstandpunkt aus eigentlich nichts anderes als eine Vergewaltigung
bedeuten, das dürfen wir — unter uns — schon eingestehen. Ihnen
gegenüber befindet sich der freie Eingeborene in berechtigter Notwehr,
und wir sind nichts anderes als Eindringlinge. Wenn wir auch nicht
gleich den Konquistadoren auftreten, nicht mit Feuer und Schwert
zerstören, wie jene ein Inkareich, ein blühendes Tenochtitlan zertrümmert
haben: an der Thatsache ändert das nichts. Diese That-
sache, insbesondere die für Behandlung des Negers daraus sich ergebenden
Folgerungen, dürfen wir nie vergessen; leider geschieht das
bei kolonialem Vorgehen nur zu häufig.
Doch das gehört in ein anderes Kapitel.
Ist der Weifse jedoch einmal zu einem Stamm gelangt, so erwachen
beim Neger neue Leidenschaften, dem Reisenden nicht minder
gefährlich, ja bedrohlicher; befindet er sich doch gewissermafsen nunmehr
in der Falle: Habsucht und Eitelkeit. Die Tauschwaren, die
Waffen, alles, was der Weifse mit sich führt, sind in den Augen
des Negers wahre Schätze; und es ist ihm wirklich nicht zu verübeln,
wenn er beschliefst, sich in den Besitz aller zu setzen, sta tt mit einem
geringen Geschenk zufrieden, den Europäer weiter ziehen zu lassen.
Auch die zweite Regung, der Stolz, birgt die Gefahr in sich, dafs
dem Weitermarsch Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden. Der
Weifse is t dem Neger ein mit den begehrenswertesten Sachen ausgestattetes,
höheres Wesen, das auch alles können und machen mufs;
es h a t bessere Waffen, bessere „Medicin“. Dafs er diesem „Gott“
dennoch in der verschiedensten Weise zu Leibe geben will, ihn zu
überlisten sucht, steht damit in keinem Widerspruch — auch Götter
werden gestürzt. Nichts liegt näher, als dafs er dieses Wunder sich
sichern und damit den Nachbarstämmen gegenüber sich rühmen und
brüsten will.
Der Reisende bewegt sich also meist zwischen Skylla und Charyb-
dis: zuerst will ihn der Neger nicht herein- und dann nicht wieder
hinauslassen.
Entschieden leichter und klarer liegt der erste Fall. Entweder
bin ich zu schwach und kann also nicht weiter Vordringen, oder ich
bin sta rk genug, und es bahnt mir schliefslich Gewalt den Weg.
Dann aber auch wieder heraus! 0 nein, durchaus nicht immer;
es machen oft die verschiedensten Umstände die Anwendung des
gleichen Mittels nicht mehr möglich. Ein recht beliebtes ist u! a.,
dafs der Häuptling durch die Träger auf den Führer einen Druck auszuüben
sucht, indem er auf den Sinnesmenschen in ihnen spekuliert,
ihnen einerseits mit Weibern und Essen und Trinken ein wahres Kapuä
schafft, andererseits durch Schilderung der schrecklichsten, beim Weitermarsch
unfehlbar drohenden Gefahren die Furcht weckt
Auch ist zu bedenken, dafs ein weiterblickender Häuptling,
namentlich wenn er sich mächtig fühlt, die ersten Regungen des Argwohns
und Mifstrauens unterdrückt und den E in tritt gar nicht sonderlich
verwehrt Dann aber schliefst die Habsucht die Falle um so
fester zu.
Was den Baliberrscher Garega so fest und unentwegt am Weifsen
halten liefs, war zum guten Teil Habsucht. Habsucht niedriger Art nach
dauerndem Genufs und Zufuhr der neuen Schätze; Habsucht mit höheren
Beweggründen. Im Verstand und in den Waffen des Weifsen sah er
das Mittel, dem Ziel seines glühenden Ehrgeizes näher zu kommen:
allgewaltiger Herrscher im ganzen Grasland zu werden. Er sagte das
auch mit ganz verblüffender Offenherzigkeit: „Ich könnte euch ja
töten, wie eine Antilope bei den Grasbränden, ich könnte euch und
eure kleine Trägerschar zermalmen, wie ein Weib das Maiskorn auf
dem Stein zermalmt, aber ich will nicht eure Köpfe und eure
Koffer, ich will die Klugheit des Weifsen!“
Diese höhere Stufe der Habsucht kann, vom Weifsen geschickt
benutzt, Mittel zum Zweck werden. Im gegebenen Fall ist sie es
auch geworden. Anhänglichkeit, Bundesgenossenschaft und schliefslich
geradezu Freundschaft bauten sich auf ihr auf.
Ist oder bleibt die Begierde aber rein materiell, so beginnt nunmehr
systematisch das schamloseste Auspressen. Mit offener Gewalt
sich der Schätze des Weifsen zu bemächtigen, scheut auch ein übermächtiger
Häuptling in den meisten Fällen.
Gewifs stöfst der Forscher nicht im m e r auf derartig mehr oder
weniger offen feindlich gesinnte Eingeborne; auch freundliche Aufnahme
vom ersten Augenblick an findet er. Aber häufiger ist, wie
gesagt, das geschilderte Gegenteil der Fall.
Zum mindesten ziehen sich die Unterhandlungen über E in tritt nangwierig-
zuerst, und dann über Weitermarsch, über Führer, ungehinderten unterhand-
Durchzug und Geschenke stundenlang hin. Es ist wahrlich nicht treffs Durcli-
der leichteste Teil der Expeditionsführung, nach ermüdendem Marsche, zugesu'8,w*