Anlage der
Faktoreien.
dem Krankheitscharakter des Landes zum Opfer fallen, gerade so, wie
wir auch in unseren Städten täglich blühende Menschen, die alle Ansprüche
auf ein hohes Alter zu machen berechtigt wären, verderblichen
Epidemieen erliegen sehen.
Die Zahl dieser Leute ist es allein, welche hei der Betrachtung
der Sterblichkeitstahelien Berücksichtigung verdient, und wenn wir die
ersten drei Kategorieen von der ganzen Summe ahziehen, wird sie
niedrig genug ausfallen. Sie würde sich aber noch mehr vermindern
lassen, wenn die Principien einer gesundheitsgemäisen Lebensweise in
den Tropen allgemeiner bekannt und a u c h b e a c h t e t würden.“
Auch bei Anlage der Faktoreien, bei der Wahl des Platzes, ward
(und wird) dagegen gesündigt: es wurde weit weniger auf möglichst
gesunde Lage als auf den Handel Rücksicht genommen und nicht genug,
dafs der flache, teils sandige, teils schlammige Strand, an dem unmittelbar
die Niederlassungen meist angelegt wurden, und der bei der Ebbe
20 und mehr Meter blofsgelegt wird, an sich schon Herd der fieberatmenden
Miasmen ist; vielfach wurden (und werden) nicht einmal
die einfachsten sanitären Mafsnahmen beachtet. An eben diesen Strand
wird sämtlicher Abfall und Unrat der Wohnungen entleert, verendete
Tiere und nach dem Schlachten übrig gebliebene Reste werden dorthin
geworfen.
Erwähne ich noch die Thatsache, dafs bisweilen nicht gerade die
körperlich und sittlich widerstandsfähigsten Naturen als Faktoristen
hinausgeschickt wurden, so darf man sich nicht wundern, dafs besonders
der Kaufmannsstand, namentlich zu Beginn des Faktoreihandels,
eine aufserordentlich hohe Sterblichkeitsziffer aufwies, und,
vielfach die wahren Ursachen verkennend, die Gefährlichkeit des
Klimas an der westafrikanischen Küste für noch gröfser hielt und
schilderte, als sie es thatsächlich ist.
Ursprünglich wurden die Faktoreien thunlichst aus einheimischem
Material mit möglichst wenig europäischen Zuthaten aufgeführt: nicht
zum Schaden der Gesundheit. Allmählich gestattete dann die immer
mehr sich steigernde Ausdehnung des Handels, sowie namentlich der
Anfang der 70 er Jah re beginnende, Westafrika mit Europa verbindende
Dampferverkehr durch Heranschaffung europäischer Baustoffe mit der
Zeit weit umfangreichere Wohnungen zu errichten.
Je tz t begannen einzelne Plätze, namentlich solche, wo die bereits
(S. 33) angeführten Bedingungen gegeben waren, herauszuwachsen.
So kam es, um nur ein paar Beispiele an der Küste Oberguineas
herauszugreifen, dafs, trotz der offenen, stürmischen Rehde, der gefährlichen
Barre, die die Hochseeschiffe zwingt, fünf Seemeilen draufsen
in freier See liegen zu bleiben, dafs trotz der versteckten Lage im
Sammelbecken des Kalabar, dessen Krieks die Schiffe nötigen, langsam,
vorsichtig tastend im schmalen Fahrwasser stromaufwärts zu
gehen, dort Lagos, hier Duke-Town und Bonny sich zu westafrikanischen
Haupthandelsplätzen aufgeschwungen haben.
Solch eine neuzeitliche Faktorei ist eine stattliche Anlage.
Das Wohnhaus, leicht und hübsch gebaut, ist in seinen Grundmauern
aus Stein; der weitere Aufbau Holz. Darüber erhebt sich
das Dach, etwas in die Höhe gerückt, dafs die Luft durchstreichen
kann; das Ganze ist blendend weifs. Zu ebener Erde, aber mindestens
1,0 bis 1,5 m über dem Boden befindet sich das Kontor, ein paar
kleinere, verfügbare Zimmer und der Speiseraum. Im ersten und zugleich
obersten Stock sind dann die Wohnr, Schlaf- und Empfangsräume.
Um das ganze eigentliche Haus, dessen Ausmafse verhältnis-
mäfsig klein sind, läuft eine breite Veranda, zu der Treppen hinauffahren;
an einer, auch zwei Seiten erweitert sie sich zu kioskartigem
Vorbau. Auf diese Veranda münden alle Räume des ersten Stockes,
auf ih r nebst den Ausbauten spielt sich das ganze Leben ab; darum
sind sie auch meist reich und behaglich ausgestattet.- Felle, üppiger
Pflanzenschmuck deckt und verdeckt die Wände, Madeirastühle und
-Ruhebetten laden zum Ausruhen ein und zahme Graupapageien vollführen
ihre bedächtigen Kletterübungen an Treppengeländer und
Stühlen, wenn sie sich nicht gerade über eine mutwillige, possierliche
Meerkatze, die, soweit ihr feines Kettchen ge sta tte t, Unfug tre ib t, erbosen
müssen.
Neben dem Wohnhaus stehen Küche und die Vorratsräume mit
Verpflegsartikeln, den „Provisionen“, sowie das Schlachthaus.
Weit davon ah sind die mächtigen Lagerhäuser, in denen die
Ausfuhrwaren aufgehäuft sind. Dann folgen kleinere, wellblechgedeckte
Räume: in ihnen wird das Palmöl geklärt und geprüft. Wieder andere
langgestreckte Bauten bergen die Kaufmannsgüter, die die Dampfer
aus der Heimat gebracht, Tauschgegenstände aller Art. Dann kommt
ein ganzes kleines Negerdorf: die Wohnungen für die vielköpfige
Arbeiter- und Dienerschar. Zwischen diesen Häusern und Hütten
geräumige Hofanlagen und schattenspendende Bäume; um all das eine
hohe feste Mauer aus Stein oder Holz; am Haupteingangsthor das
Gelafs für den Wachmann und seine Hunde: das ist das Reich des
H u t t e r , "Wanderungen in Kamerun. ' ^
Entwick elu
n g der
grofsen
Handelsplätze.
E ine neuze
itliche
Kiisten-
faktorei.