Postalische
Hindernisse.
das wenigste; aber von da bierberauf oder hinunter. Nehmen wir
mal von der Küste hierher: den Mungo hinauf 10 Tage; dann
ist der Brief in Mundame. Dort sitzt ein Faktorist von Jantzen;
nehmen wir nun bei der ganzen Berechnung an, dafs alles glatt
geht, was aber n ie der Fall is t, so schickt dieser die Post, welche
meinetwegen Mittag ankommt, gleich am nächsten Tag nach Barombi.
Von da geht sie in fünf Tagen nach Batom, in weiteren fünf
Tagen nach Mi-Yimbi; von da in vier Tagen hierher; also mit
geradezu »D«Zugsgeschwindigkeit: Kamerun bis Bali 10 —]— 1 —)— 5
—j— 5 —)— -4 = 25 Tage, d. i. rund ein Monat. Einen Monat .braucht
der Dampfer von Hamburg nach Kamerun. Demnach, wenn alles so
g la tt und schnell geht, wie bei einem Exprefsbrief in Euerem paragraphenbehüteten
Deutschland, kann ein Brief von Euch erst zwei Monate,
nachdem Ih r ihn zugepappt, in meinen Händen sein, und beim gleichen
Tempo habt Ih r in weitern zwei Monaten meine Antwort. Solch ein
glattes Laufen kommt aber e in f a c h n i c h t vor. Rechnet für hin und
h e r von Baliburg bis München und zurück sechs Monate und die
»schwarze Post« h a t glänzend gearbeitet.
Seht die Post diesmal: Am 1. Ju n i habe ich Eure teuern Zeilen
erhalten. Am 3. Februar habt Ih r sie geschrieben: vier Monate ist der
Brief unterwegs gewesen. Da h a t vielleicht die Sache mit dem Dampfer
nicht geklappt. Von Kamerun kann auch nicht mit jedem einzelnen
Brief ein Boot nach Mundame rudern. Und wie ist’s ihm im Busch
gegangen! In Batom lag er 14 Tage; dann wurden die beiden Jungen,
die die Post brachten, zwischen Nguti und Ntok-Difang angeschossen,
rissen aus und schwammen über den Mbia (haben also ihre Sache
ganz gut gemacht). Dabei gingen ein paar Tage verloren und der
Postbeutel wurde bei der Gelegenheit voll Wasser. Dann kamen sie
auf Mi-Yimbi gerade recht zu einem von Conrau geschossenen Elefanten.
Je tz t wurden die Briefträger Elefantenfleischfresser, lagen
wahrscheinlich dann ein paar Tage mit Verdauungsbeschwerden dort
drunten. Als auch der letzte Knochen abgenagt war, fiel ihnen erst der
Postbeutel wieder e in ; müfsten keine solchen Windhunde von Wei gewesen
sein. Natürlich ward aber noch ein tüchtiger Brocken Elefantenfleisch
aufgepackt, alles in eine Last: Post, stinkendes Fleisch u. s. w.
lagen friedlich neben einander und gingen bei Regen und in den
Bächen noch innigere Verbindungen ein. So kam die Post endlich
am 1. hier an.
Durch dieses Durcheinander von Papier, faulem Fleisch, Wasser,
F e tt, zerflossener Tinte h a t Euer so lieber, lieber Brief, wie seine
papiemen Leidensgenossen, einen derartig lieblichen Geruch angenommen,
dafs er mir meinen ganzen Raum verpestet und ich ihn, wenn
ich ihn entziffert — was bei also geschildertem Zustand auch seine
Schwierigkeiten h a t — gleich verbrennen mufs. Diesen meinen Brief
nehme ich übermorgen selbst mit . . .“ . .
Mit derartigen postalischen Hindernissen sollte es aber nicht —
genug sein. Eines schönen Tages weigerten sich meine schwarzen
Postboten (ich benutzte dazu meist die gleichen Wei) nach Mi-
Yimbi hinunterzugehen: zwischen Aschu und Banti treibe sich ein
Elefant herum, der ohne jede Veranlassung sie nun schon zweimal
angegriffen habe. Bamessonleute bestätigten dies. Das war mir denn
doch zu toll, und ich machte mich selbst auf, mir diesen principiellen
Gegner der schwarzen Jünger Stephans anzusehen. Und es war in
der That so. An der gleichen Stelle fast, wo die Jungen attackiert
worden, brauste er auch diesmal an. Es gelang mir, ihn zur Strecke
zu bringen und damit wieder die Strafse für meinen „Postwagen“
gangbar zu machen. Es war ein Elefantenweibchen mit seinem Kalbe
(welch letzteres einzufangen uns leider nicht gelang): daher auch die
Attackenlust.
In dem Brief steht aber noch etwas: „ . . . Das freut mich, mein
tapferes Mütterchen, dafs Du den Zeitungen nichts mehr glaubst, wenn
sie von Rückzug der Nordexpedition, schwerer Niederlage, Niedermetz-
lung aller Weifsen im Nordhinterland von Kamerun und Ähnlichem
faseln. Solange keine am tlic h e Mitteilung des Auswärtigen Amtes
an Euch gelangt, dafs einem da hier oben etwas Menschliches passiert
ist, kannst getrost in den Zeitungen lesen: »Dem Leutnant Hu tte r ist
am so und so vielten laut Aussage von 100 Augenzeugen um 255 p.m.
der Kopf abgeschnitten und der übrige Teil aufgefressen worden.«
Ih r könnt durch Vergleich dieser wahrheitsgetreuen Berichte mit
meinen Briefen am besten bemessen, welch unbedingten Glauben diese
Druckerschwärze v e rd ie n t. . .“
Ich habe diesen Absatz aus dem Briefe noch hier aufgenommen, verantwor-
•i . . . tu n g leich t- Weil ich, an ihn anknüpfend, ein ernstes Mahnwort an die betreffenden fertiger r Zeitungs-
Adressen richten möchte. Ich greife nur das persönliche Momentll8richte-
heraus; auf die sachliche Tragweite unrichtiger Nachrichten gehe ich gar
nicht weiter ein. Möchten doch diese Herren, bevor sie leichten Herzens
und mit noch leichterer Feder so ein paar Weifse da drinnen in
Afrika fallen lassen, des Schreckens und der Angst der Angehörigen
in der Heimat gedenken. Wochen-, ja monatelang h a rrt die Mutter,
die Frau des Totgesagten in qualvoller Ungewifsheit, bis endlich ein