S Ä - festen’ geschlossenen Volksgefügen zu thun. Zum guten Teil wird dieser
S i r Zusammenschlufs durch das Gelände begünstigt. Sicher hat ferner
schon bei den Ureinwohnern der Grasgebiete die verhältnismäfsige
Nähe der mohammedanischen Haussasultanate beigetragen; die Einwanderer
haben diese Staatenbildung ja aus eigener Anschauung kennen
gelernt. Bis zu dieser Stufe, der der Staatenbildung, sind nun die
derzeitigen Graslandstämme noch nicht gelangt; Versuche hierzu,
wenigstens bei einem der eingewanderten Völker, sind unverkennbar.
Wir werden gleich davon hören.
Die Ausdehnung der kleinsten staatlichen Einheit, eines Stammes,
zu wirklichen Staatengebilden findet man unter den Negern im allgemeinen
erst bei Annahme des Islam.
vminfnt6 Man mag über den Islam als Religion denken wie man will; ein
deutung des centralisierendes, staatenbildendes Element ist er zweifelsohne gewesen.
Islam. jt j • l i -• . -
Und nicht nur das; er war, insbesondere fü r den Sudan, auch ein
kulturbringendes. Von Osten, nicht von Norden, kam die Kultur in
diesen Teil Afrikas; darauf weisen alle Traditionen der hochstehenden
Staaten am Ufer des Tsäde. Die Gründer des Baghirmireiches z. B.
sollen, so geht die Sage, aus den Nilländern gekommen sein. Nachtigal
is t auf Grund seines vierjährigen Aufenthaltes in diesen Gebieten zu
dem bestimmten Ergebnis gelangt, dafs die hohe S tu fe . der Gesittung,
die Bildung der grofsen Reiche dortselbst lediglich dem Islam zu verdanken
ist.
Ueberhaupt ist der Islam auch als Religion eine Institution, die
den Lebensanschauungen der Neger weih mehr entspricht als z. B. das
Christentum. Der fatalistische Zug einerseits, die Sanktionierung der
Sklaverei andererseits insbesondere mufsten dem Neger mehr Zusagen
als die ethisch ja sehr weit höher stehenden Lehren der christlichen
Religion. Dafs dann, nachdem der Mohammedanismus in Afrika seine
kulturelle Mission zum Teil erfüllt h atte, er es war und ist, der mit
stagnierendem Formelwesen —- dem Ueberbleibsel übrigens j e d e r abgelebten
Lehre lähmend und erstarrend auf freierer Weiterentwickelung
lastete und lastet, die Keime ethischer Unzulänglichkeit
bereits von Anfang an in sich trug, fä llt mir gewifs nicht ein zu bestreiten.
I S t a S die Graslandstämme zurückzukommen: so bestehen demnach
hier zur Zeit folgende politische Verhältnisse. Die einzelnen Stämme
leben in geschlossenen Verbänden. Bei den Eingewanderten sind sie
vielleicht um einen Grad mehr gefestigt als hei den Ureinwohnern, und
zeigen einerseits Aufsaugefähigkeit der unterworfenen, Ausdehnungsbestrebungen
andererseits gegenüber den selbständig gebliebenen Eingesessenen
oder auch gegenüber der früher eingewanderten Bevölkerung.
Diese Ausdehnungsbestrebungen, mehr oder weniger offen betrieben,
mit mehr oder weniger Erfolg begleitet, tragen ih r gutes Teil hei zu der
immerwährenden „politischen Spannung“ , die in den Baliländem
zwischen den herrschenden Stämmen untereinander und den selbständigen
Autochthonen waltet. Keiner will nachgeben, keiner seine
kleinen Stammesinteressen der Erstarkung des Ganzen in einem Staatenverband
zum Opfer bringen. So erinnert denn diese politische Zerfahrenheit
unwillkürlich an die Zersplitterung, an den Partikularismus,
wie er, von unseren Altvordern ererbt, bis zur Stunde fast germanisches
Grundübel ist. Ueberhaupt is t es geradezu überraschend, wie häufig Aehnuoh-
• . . k e it m it gei und wie lebhaft die politischen, socialen und kulturellen Verhältnisse manischen
u. s. w. Yei
der Graslandstämme teils denen der germanischen Stämme, teils denen SiW.f'V. .
des feudalen Mittelalters gleichen: von der Eifersucht der Völker bis
herunter zum fleifsigen Kreisen des Büffelhomes im Gelage der trinkfesten
Mannen.
In der vorgenannten Aufsaugefähigkeit, wie ich es genannt habe,
zeigt sich hier wiederum eine ganz überraschende, weitschauende
Staatsklugheit. Was an den Plätzen, wo die wandermüden Eindringlinge
sich niederlassen wollten, safs und mit den Waffen um Haus und
Hof und Unabhängigkeit kämpfte, ward niedergeworfen, und hörte auf
ein Stamm zu sein; anders verfuhren die Eroberer mit jenen, die freiwillig
sich fügten. Ihnen ward allerdings die p o l i t i s c h e Selbständigkeit
genommen, sie wurden mehr oder weniger Vasallenstämme; sie
sind zur Leistung von Kriegsdiensten verpflichtet und wohl auch von
Naturalabgaben; entscheiden nicht mit über Krieg und Frieden, Bündnisse
u. s. w. Die s o c i a l e Selbständigkeit aber beliefs man ihnen;
eigene Dörfer, Fortbestand des Häuptlingsgeschlechtes u. dergl.
Politische Zwistigkeiten und Reibereien zwischen den verschiedenen zwistigkeiten.
p o li ti s c h selbständigen Stämmen sind also an der Tagesordnung.
Dazu treten noch solche mehr privater Art. Und an diesen beteiligen
sich flott auch die nur s o c i a l selbständigen Völker. Sie haben
ihren Grund hauptsächlich im Aberglauben, in der dem Neger angeborenen
kindischen Streitsucht, und nicht zum letzten in den Streitigkeiten
um die das Baumaterial liefernden Raphiawälder (S. 368 u. £
mehr davon). Bei Erkrankungen, Todesfällen neigt auch der sonst
aufgeklärt zu nennende Graslandneger nicht selten dazu, die Veranlassung
in der Uebelgesinntheit einer anderen Person zu suchen. Wer
sucht, der findet — und meist gehört der Schuldige einem anderen
H u t t e r , Wanderungen in Kamerun. o o