Skarifika-
tionen und
Schröpfen.
Beschneidnng.
E x trak tionen.
Geburtshülfe.
so fest, dafs der Blutumlauf gehemmt wird und es nicht lange dauert,
bis äufsere Erkrankung zur inneren hinzukommt. Auflegen von warmem
Mist der Haustiere ist ein weiteres, sehr beliebtes Mittel fü r interne
u n d externe Leiden.
Diese Schnürungen, Auflegen yon Unrat, sowie Palmöl sind auch
so ziemlich die einzigen Mittel gegen primäre äufsere Erscheinungen,
wie Hautkrankheiten, krebsartige Leiden, bei Wundbehandlung u. s. w.
Gelegentlich meiner Krankenbesuche im Dorfe der Bali bekam ich
grauenhafte Folgen dieser allen ärztlichen Grundbegriffen hohnsprechenden
Behandlung zu Gesicht.
Die chirurgischen Eingriffe zu Heilzwecken beschränken sich auf
Skarifikationen an der linken Bauchseite gegen Milzvergröfserung, und
auf Schröpfen. Die im ersteren Falle nicht seltene heftige Blutung wird
durch Auflegen von Mist zu stillen versucht (Verblutungen kommen
vor). Das Schröpfen geschieht in der Weise, dafs zuerst leichte Einschnitte
in Bauch, Brust und auch Rücken gemacht und sodann kleine
Antilopenhörnchen, zuerst über’s Feuer gehalten (erwärmte und verdünnte
Luft), rasch fest über die Schnitte gesetzt werden und die
obere kleine Öffnung mit Wachs verklebt wird. Auch durch Heraussaugen
der Luft mittels solcher aufgesetzten Hörnchen bewerkstelligen
sie die Blutabzapfung. Die allgemein übliche Beschneidung des männlichen
Geschlechtes gehört gleichfalls hierher. Sie wird, erst in einem
Alter von etwa zehn bis zwölf Jahren vorgenömmen. Die Ausführung
selbst habe ich nicht gesehen, wohl aber wieder die Mistverbände und
daraus entstandene Eiterungen. Bis zu einem gewissen Grade läfst
sich die Entfernung von Speerspitzen u. s. w. aus den Wunden hierher
rechnen. Is t die Waffe in eine der drei grofsen Körperhöhlen oder in
den Hals eingedrungen, so wagen sie eine Extraktion nicht; steckt dagegen
der Speer in einer Extremität, so stofsen sie denselben noch
vollends durch und entfernen ihn auf diese Weise.
Weitere operative Behandlung kennen sie nicht, waren auch gegen
solche meinerseits anfangs sehr ängstlich und stets sehr wehleidig, z. B.
heim Aufstechen oder Aufschneiden von Geschwüren, Reinigen und Ausspülen
von Wunden. Andererseits aber fügen sie sich selbst, abgesehen
von den Tättowierungen u. s. w., Schnitte und Stiche zu zum Zeichen
tiefster Trauer.
Ueber Geburtshülfe vermag ich nichts Näheres mitzuteilen; wenn
überhaupt, so wird sie durch ältere Frauen der Verwandtschaft be-
thätigt. Männer werden nie zugelassen. Dafs ich einmal mit diesem
grofsen Vertrauen beehrt ward (siehe S. 328), hatte seinen Grund in
meiner gerade damals anläfslich der Ruhr sehr lebhaften „Praxis“ und
vielleicht einiger glücklicher Kuren dabei. Die bei dieser Gelegenheit
beobachtete Hockstellung der Kreifsenden und das Abreifsen der Nabelschnur
ohne vorherige Unterbindung ist nach Aussage der Weiber allgemein
gebräuchlich.
Eines Naturheilverfahrens mufs ich noch Erwähnung thun, an sich,
und weil ich religiöse Schlufsfolgerungen daraus ziehen zu dürfen
e.
Bei innerlichen Erkrankungen wird der Patient, wenn es ihm noch rJ L'anz als
H eilmittel.
möglich ist, angetrieben zu tanzen; offenbar zur Erzielung von Schweifs.
Nun besteht —i wie wir bei Schilderung der Leichen- u. s. w. -Gebräuche
gehört haben (S. 441 u. f.) — die Sitte, dafs die Umgebung im Augenblick
des Verscheidens zu tanzen beginnt; auch um das Krankenlager
selbst wird getanzt; oben haben wir gehört, dafs die Ruhr durch Tanz
„in den Busch gejagt werden soll“. Ich folgere nun so: der Grundgedanke,
dafs der Tanz des P a t i e n t e n s e l b s t schweifstreibend, also
heilend wirken sollte, ist zum Teil noch da, zum Teil in den Hintergrund
getreten, und an Stelle des Tanzes des Kranken tr it t nun der
der U m g e b u n g als Heilmittel. Allmählich h a t diese Sitte religiöses
Gepräge angenommen, und in dieser Form wird sie nun in der Gegenwart
weitergeführt. Vielleicht h a t auch ein kluger Kopf erkannt, dafs
u nter diesem Deckmantel der Tanz als Heilmittel sicherer angewendet
wird? (Vergleiche die von Moses zu religiösen Vorschriften gemachten
rein sanitären Mafsregeln bei den Juden.)
Soviel über ärztliche Kunst, soweit sie, wenn auch mit teilweise
falschen Mitteln und Anschauungen, doch immer noch auf dem Gebiet
des Natürlichen sich bewegt.
Zu bemerken ist noch, dafs ich bei den Bali von keiner Kaste von
Aerzten oder „Medizinmännern“ je gehört habe. All das Aufgezählte Ke™
kann man als Art Hausmittel, in jeder Familie gekannt und geübt,
bezeichnen. Aber auch die nunmehr zu nennenden, abergläubischen
Gebräuche überliefern sich in den Familien, sind nicht Eigentum
einzelner „Wissender“.
Diese rein abergläubischen Heilgebräuche sind eigentlich nicht viel Abergwubi-
anderes als unsere sogenannten Sympathiemittel, vielleicht um einen gebrauche.
Grad mehr mit religiösen Vorstellungen zusammenhängend. Zweifellos
giebt es deren da draufsen eine ganze Menge, und was ich erfahren,
ist nur ein kleiner Bruchteil. Zum Teil scheinen sie nachträglicher,
zum gröfseren vorbeugender Art zu sein.
Zum besseren Verständnis mufs ich, bevor ich sie aufzähle, auf die