Dorf. Selbst liegt man nach beendeter „ärztlicher Visite“ und genommenem
Bad behaglich auf seinem Feldbett, trin k t eine Tasse Thee
und raucht und schläft. Um 2»op.m. aber heifst es fü r den Laubfrosch
der Station, d. h. für den mit den meteorologischen Beobachtungen
beauftragten Weifsen wieder die gleichen Ablesungen im Beobächtungs-
häuschen vornehmen wie um 7°» früh. 2 « ru ft das mehr oder
weniger (meist weniger) tadellos geblasene Signal zum Antreten. Der
Dienst bezw. die Arbeit nachmittags dauert von 3°° bis 520. Zwischen
53° und 680 haben wir dann unsere Hauptmahlzeit eingenommen. 68°
zog die Wache auf.
Damit war die Tagesarbeit zu Ende; wenigstens fü r die Besatzung,
die zum Teil ins Dorf hinübereilt zu „Muttem“ und den elterlichen
Fleischtöpfen oder zu verschiedenen Stelldicheins, zum Teil auf der
Station den Rest des Tages verträumt, verraucht, verschwatzt, vertanzt.
Des Weifsen harrten noch als tägliche Beschäftigungen Austeilung
von Lebensmitteln an die Köche für den kommenden Tag, und fü r den
Meteorologen die dritte und letzte Ablesung der Instrumente um
900 p. m. Daran schlofs ich, die für diese Thätigkeit benötigte Laterne
gleich benutzend, Prüfung der Kasemements. Da war freilich der eine
oder andere noch nicht einpassiert, abgehalten durch die verführerische
Nähe des Heimatdorfes mit seinen verschiedenen Anziehungspunkten.
Nun, in f r i e d l i c h e n Zeiten mufste man ein Auge zudrücken; wenn nur
beim Morgenappell alles da war.
Am Abend. F ü r uns beide, nämlich Zintgraff und mich, folgten nach des Tages
Mühen die angenehmsten Stunden. Wie lebhaft steigt mir doch die
Erinnerung an sie auf!
Während ich dies niederschreibe, schwindet mir Raum und Zeit
und ich meine, es könne erst gestern gewesen sein, dafs wir nach
unserer Abendmahlzeit, auf der Veranda von Zintgraffs Hause eingenommen,
uns unsere Balipfeifen stopften und auf dem freien Platz vor
der Station lustwandelten. Am Fufse des Flaggmastes stellten unsere
Diener die Blechtassen mit Thee nieder. Von was allem sprachen da
die beiden Weifsen, die weit, weit ab von der Küste, von allem, was
europäische Kultur und Oivilisation heifst, frei und glücklich sich
fühlten; hunderte von Kilometern tief drinnen im dunkeln Erdteil au f
dem fernen einsamen Posten! In deutschen Lauten eilt das Gespräch
von der Gegenwart in die Zukunft, zurück in die Vergangenheit; der
Heimat mit ihren Lieben weit über dem Meere gelten die Worte bald,
bald dem erschlossenen, erkämpften Land und seinen Bewohnern, weitreichende
Pläne entwerfend. Hinauf auf den Hügel lenken sich unsere
Schritte: im Vollmondschein der Tropennacht liegt hell vor uns das
weite Grasland mit seinen Menschenmassen; und im berechtigten Selbstgefühl
und Selbstvertrauen werden stolze Gedanken gedacht, stolze
Worte gesprochen.
Oder aber wir blieben, namentlich während der Regenzeitswochen,
im Hause, den Tisch ans Feuer gerückt, das lustig in der Mitte des
Raumes am Boden brannte, ich in meine Decken, mein trefflicher
Doktor in seinen von mir dann stets mit neidischen Augen betrachteten
Überzieher gehüllt. Das selbstgefertigte Schachbrett ward hervorgeholt
und bei ihm und heifsem Palmwein verflossen die - Stunden.
Selbstgefertigtes Schachspiel? Jawohl. „Das Brett war bald fertig
aus den Deckeln von Patronenkistchen, die Figuren sind Schrauben
verschiedener Gröfse mit viereckigen Köpfen, au f denen sie standen;
die Pferdeköpfe aus Holz geschnitzt, die weifse Partie dadurch kenntlich,
dafs jede Schraube einen Schopf aus alter Verbandwatte bekam.“
Nicht selten war Hausball bei Zintgraff oder bei mir! Auch das
schildert am besten die Aufzeichnung aus der vergangenen Zeit:
„ . Gelungen sind die Abendunterhaltungen, die wir je tz t schon
ein paarmal arrangiert haben. Wenn wir am flackernden Feuer in
unserm Hause sitzen und der mächtige Palmweintopf brodelt, so
schleichen sich die Damen (wir besitzen bereits acht von Garega
uns geschenkte Sklavinnen) der Station, ü an d i an der Spitze, herein;
auf ein Zeichen von ih r kauern sich alle nieder, klatschen dreimal in
die Hände“ (die Begrüfsungsart hei den Bali dem Häuptling und den
Vornehmen gegenüber) „und werfen so sehnsüchtige Blicke au f den
Palmweinhafen, dafs wir nicht widerstehen können. Blofs eines Kopfnickens
bedarf’s und jede bringt im Handumdrehen eine Kalebassenschale
zum Vorschein und acht schwarze Pfoten strecken sich damit entgegen.
Bald ta u t die ganze Gesellschaft auf; es wird geplaudert, gelacht, gescherzt;
wir kauderwelschen mit; übrigens lern t sich dabei gar manches
von der Sprache. Schnell improvisieren die lustigen Dinger verschiedene
Tänze, ganz graziös zum Teil, zum Teil — nun sagen wir —
sehr stürmischer und andeutungsreicher Art. Auch die sechs Katzen
stellen sich ein, an ihrer Spitze Kater Zwinkerbein mit wahrer Hiddi-
geigeiwürde.“ (Mufs schon wieder einschalten: wir haben diese Tiere
mit grofser Mühe mit heraufgebracht und hier eingebürgert; im Grasland
gieht es keine einheimischen Hauskatzen. Sie haben sich sehr
gut eingewöhnt und stark vermehrt. Dem Kater gaben wir, warum,
weifs ich nicht mehr, den Namen Zwinkerbein.) „Die zwei zahmen
Meerkatzen von Mi-Yimbi sind auch mit bei der Partie und bald tollen
H u t t e r , Wanderungen in-Kamerun,