„Baliburg, 25. H. 92.................Mal wieder zur Abwechslung einen
Bleistiftbrief. Da liege ich nnn heute den vierten Tag auf meinem
Feldbett, esse, trinke, rauche; kurz, bin pudelwohl — nur kann ich
auch nicht e in e n Schritt gehen: diese v e r d ................Sandflöhe! Zwei
Nägel am Fufs sind bereits ganz vereitert und aufserdem besitze ich
noch etliche, centimetergrofse Löcher an den Fersen und Zehen.
Jeden Morgen hinke ich wie ein Invalide auf meine Veranda; dort beginne
ich die ärztliche Sprechstunde. Wie unterhaltend es dann
gerade hier ist, den ganzen Tag mutterseelenallein dazuliegen — je tz t
ist’s gerade 7 30 p. m. und neben meinem Bett steht die trübselige, unvermeidliche
Palmöllampe, die unruhig hin und her flackert, weil der
Wind durch die breiten Spalten meines Bambuskastens (Verzeihung:
Hauses) bläst — könnt Ih r Euch wohl lebhaft denken. Zu lesen gar
nichts, und bei meinen Soldaten sollt’ ich so notwendig sein wie ’s liebe
Brot; gerade kommt eine Deputation an: »wann sie wieder un ter mir
exerzieren dürften«. . . . Morgen versuche ich noch das letzte Mittel,
schneide mir aus Büffelleder ein paar Sandalen, und wenn die gröfsten
Löcher n u r einigermafsen zu sind, bandagiere ich sie mir an ...............
Wenn man den ganzen Tag so liegt, ist’s natürlich mit dem Schlafen
auch nichts, und aufserdem ist in meinem Hause nachts immer
Schnitzeljagd einer ganzen Rattenfamilie. Neulich war’s besonders lebhaft:
ich war un ter Stöhnen und Fluchen in mein Bett gekrochen, das
ich mir frisch mit getrockneten Bananenblättem hatte füllen lassen; kaum
lag ich, da tu rn te eine solche Menge Sandflöhe an (man spürt sie an
den Beinen laufen), dafs ich die Flucht ergriff und auf mein Feldbett
retirierte. Eben h a tte ich das Licht ausgelöscht: patsch, fiel was von
der Decke herunter, patsch, nochmal was, auf den Hals; ich griff hin,
da fafste ich eine lange Raupe und hatte auch schon eine Unzahl
ihrer Härchen im Hals und in der Hand. Brannte wie Feuer und
schwoll gleich an. Das war doch noch unangenehmer als die Sandflöhe.
Also un ter beiden Übeln das kleinere gewählt und wieder zu meinen
Sandflöhen ins alte Bett. Soeben h a tte ich mich un ter die Decke gestreckt,
da rü h rt sich was unter meinem Kopf im Strohsack; ich vermute
eine Ratte, die sich da drinnen verfangen, mache Licht: aus dem
Schlitz des Strohsackes ringelt sich eine etwa zwei Spannen lange
grünliche Schlange heraus. Das war mir nun doch zu toll. Das Vieh
war offenbar mit den trocknen Bananenblättern hineingekommen;
und ich sagte diesem Bett endgültig Lebewohl. Nun wohin mein
Haupt legen? Ich entschlols mich zum Raupenbett, hing eine meiner
Decken darüber auf, dafs mir diese Reben Tierchen wenigstens nicht
ins Gesicht fallen konnten, und so hatte ich endlich Ruhe,
Je tz t haben wir Tag für Tag p. m. wieder starke Tornados. Vorgestern
in das alte Vorratshaus, wo gegenwärtig die Weiher einquartiert
sind, der Blitz eingeschlagen, aber nicht gezündet. Uandi kam mit
der ganzen Hexenschar entsetzt angestürzt: »neben ihr sei das Feuer
heruntergefahren«. Eine Seitenwand h a t der Blitz zerrissen; nun,
wollte es so demnächst abbrechen..............“
„Balihurg, 2. XL. 91 Drohen im Norden ist heute der trübe,
nafskalte, traurige Allerseelentag mit Schnee und Regen, grau in grau.
Hier lacht die Sonne und das ganze Land; die lange, lange Regenzeit
ist ja zu Ende. Jeden Morgen von der Veranda meines Hauses aus Ein Grasaufs
neue entzückt von dem wunderschönen landschaftlichen Bild. morgen in
derTrookei
Mit der Sonne um 6°° auf, nach erfrischendem Bad Kakao auf der
Veranda getrunken. Hinter meinem Hause steigt eben die Sonne
empor, frischer Tau und Morgenduft liegt über der ganzen Landschaft,
die Bananen rauschen leise im Winde, Schwärme von zierlichen
kleinen Vögeln zwitschern im hohen Gras, die Viduas singen ih r lustiges
»Bubi, Bubi«, hoch kreisen mächtige Falken in den blauen Höhen und
im Dorfe drüben kräuselt sich der Rauch. Die Hügel ringsum im
weiten Grasland tauchen tauduftig auf; aus dem Dorfe ziehen die
dunkeln Gestalten herüber und in die Farmen, oder in die nächsten
Dörfer auf den Markt, mit elastischen Schritten, auf den langen Speer
sich stützend, auf dem Rücken einen mächtigen Sack voll Bohnen, Mais
und Koko: ein Bild tiefsten Friedens. Nur der Glockenklang fehlt
zu einer deutschen Sonntagsmorgenstimmung Herrlich ist auch
mein Bädeplatz am kleinen Bach. Das helle klare Wasser in dem
kleinen Becken un ter dem noch kleineren, aber reizenden Wasserfall,
der Grund helle Kiesel; darüber ragen hoch auf einige Palmen, riesige
Kakteen und Baumfarne; niedriges Gebüsch in üppiger Fülle säumt
ihn ein. Drüber hin flattern und gaukeln prachtvolle Schmetterlinge;
oben hausen Trupiale und Wildtauben, und ein p a a r grüne Papageitauben
spektakeln auch mit; und da in der kühlen Flu t wohHg herumzuplätschern.
. . . Wahrhaftig; ich fühle mich hier so heimisch, so
hergehörig: ich gründe ein Balireich im Grasland und sage dem alten
Europa fü r immer Lebewohl; hätte ich meine Lieben in der Heimat
nicht, ich ginge mein Lebtage nicht mehr an die Küste, geschweige
nach Deutschland. Fühle mich hier so frei, so der Natur ganz zurückgegeben,
dafs ich auf die europäische Vergangenheit zurückblicke, wie
auf einen schweren Traum. Ich glaube immer, auch mich haben
bereits die Reize der schwarzen Schönen, geheifsen »Afrika«, in ihre