Diese Sperre auf friedlichem oder gewaltsamem Wege aufzuheben,
wird eine der vielen Aufgaben jeder Kolonialregierung sein. Je jünger
eine solche, desto ungeschwächter steht ihr dies Handelshindernis entgegen,
wie z. B. in Kamerun. Ein Hauptgrund für die vielen Unruhen
an der Küste dieser unserer Kolonie, für die Schwierigkeiten, die jede
Expedition dort noch bei ihrem Vordringen ins Innere gefunden hat,
ist gerade die Befürchtung, die Ahnung der jeweiligen Vordersassen,
dafs ih r einträglicher Zwischenhandel die längste Zeit gedauert haben
möchte.
Wie zur Zeit der Sklavenausfuhr der westafrikanische Handel ein
Tauschgeschäft war, so ist er das bis zur Stunde geblieben; allerdings
bei weitem nicht mehr in der einfachen, ursprünglichen Form wie
damals.
Es haben sich ganz bestimmte Wertmafse herausgebildet, wie bei
uns das Geld. Aber es sind die einzelnen Waren, welche diese Mafse
abgeben.
Jene landläufige Vorstellung, dafs man irgend einem „Wilden“
Afrikas irgend eine glitzernde Perlenschnur für irgend einen Elfenbeinzahn
oder dergleichen vor die Augen hält und umhängt, um alsbald
die Sache zu bekommen, h a t sich vielleicht vor ein paar hundert
Jahren mit der Wirklichkeit gedeckt; heutzutage ist das ein kindlicher
Gedanke. Kaum, dafs ein Reisender im innersten Innern mal noch
so ein Geschäftchen, macht. Die Leute sind auch im dunklen Erdteil
bereits helle geworden und haben, wie gesagt, vollständig ihre Wertmesser.
Nur sind diese noch sehr umständlich. Zintgraff bezeichnet
ihre Handhabung und die Kenntnis derselben treffend mit dem Ausdruck
„Technik“ des westafrikanischen Handels.
An den verschiedenen Plätzen der Küste sind diese Werteinheiten
verschieden. So rechnet man in Gabun nach Dollars, am Kongo nach
Espignadas (Flinten). Aber weder in Gabun wird der Dollar als bare
Münze, noch am Kongo die Espignada als wirkliche Flinte ausbezahlt.
Vielmehr sind dies allgemein von den dortigen Eingeborenen anerkannte
und feststehende Begriffe, denen eine bestimmte Anzahl oder Gattung von
Waren unterzusetzen ist. Verdeutlichen wir uns das an der am Kongo
gangbaren Werteinheit, der Espignada. Ursprünglich besagte es nichts
mehr und nichts weniger als eben eine Flinte (Steinschlofsgewehr). Verlangte
also ein Mann für eine Sache zehn Flinten und kam das Geschäft
zustande, so erhielt er auch zehn Gewehre. Nun tr a t aber bald der
Fall ein, dafs der Verkäufer für die gleiche Sache das nächste Mal
nicht wieder zehn Gewehre, sondern vielleicht nur fünf Gewehre wollte,
während er sich die anderen fünf gegen andere Ware .eintauschte.
Durch gegenseitiges Handeln kam man überein, was man bezw. wie
viel man an anderen Waren für eine Espignada gab und nahm. Damit
war aus der Flinte ein Wertmafs geworden. Allmählich tra t
die eigentliche Bedeutung des Wortes ganz in den Hintergrund und
man spricht jetzt von 2 Espignadas Salz, 1 Espignada Schnaps u. s. w,
Ähnlich war es mit dem Dollar, ähnlich mit dem im Kamerun-
fiufs gang und gäben Wertmafs, dem Kru. Woher dieses Wort
kommt und welchen Gegenstand es ursprünglich bedeutete, vermag
ich nicht anzugeben. Es besagt- ebenfalls einen feststehenden Begriff
von Waren nach A rt, Zahl und Gewicht, für welche andere nach
Vereinbarung des Käufers und Verkäufers gesetzt werden können.
Wir werden derartiges auch im Inneren des nördlichen Hinterlandes
von Kamerun finden.
Die Kunst, einen möglichst gewinnbringenden Handel abzuschliefsen,
besteht nun d a rin , dafs der die einzelnen Kru u. s. w. zusammensetzende
Kaufmann un ter Berücksichtigung der verschiedensten Marktverhältnisse,
der Preisschwankungen u. s. w. draufsen und in der
Heimat ihm möglichst billig zu stehen kommende Kru, Espignada
oder Dollar an den Mann zu bringen sucht.
Die den eben genannten Werteinheiten zu substituierenden Gegen- Taunch-
stände, die Tauschwaren, sind fast die gleichen geblieben, wie sie einst
zu den Zeiten des Sklavenhandels zum Einkauf der lebenden Ware
gedient haben. Ein Gang durch eines der Lagerhäuser einer Faktorei
fü h rt sie vor Augen.
Mächtige Ballen verschiedenster Stoffe, von schimmerndem Brokat
und glänzender Seide bis herab zum elendesten, bedruckten Kattunfetzen,
sind in erster Linie zu nennen.
Dann folgt gleich — leider, und in manchen Gebieten steht an schnaps,
erster Stelle — der Schnaps! Fafs auf Fafs, Ballon an Ballon ist
aufgetürmt, alles gefüllt mit jener giftigen Flüssigkeit, die als „Negerrum“
bekannt und berüchtigt is t, Fusel der gemeinsten Sorte. Von
gleicher Güte ist der Inhalt der unzähligen würfelförmigen, grün-
angestrichenen Kistchen. Jedes enthält 12 a/4" Literflaschen sogenannten
Genevre, ebenfalls Schnaps. Einen grofsen Teil der Schiffsladungen
bildet dieses Geschenk der Kultur, das w ir den „armen
Schwarzen“ bringen. Ich will nicht mit statistischen Aufzählungen
ermüden; n u r berichten, was ich mit eigenen Augen gesehen habe.
Der Dampfer, auf dem ich im Jahre 1891 nach Kamerun ging,
löschte a l l e i n in L a g o s 6000 Demijohns (Glasballons zu 10 Liter)