Fehler in
der Zeitrechnung.
Lebenszeichen des Fernen sie daraus erlöst — der Herr Nachrichtenverfertiger
h a t schon längst vergessen, was er als Eintagsfliege, um
die Spalten zu füllen, in die Welt gesetzt h a tl —
Weiter.
„Baliburg, 16. XI. 91 . . . Will sehen, wie unser Mondpalaver
ausgeht, und damit der Fehler in unserer Zeitrechnung. Am 15. Novemb
er soll lau t nautischem Jahrbuch totale Mondfinsternis, in äquatorialen
Gegenden vollkommen sichtbar, eintreten. Wir haben das
benutzt und den Bali bereits gesagt, wir wollten »den Mond töten«.
Nun tr a t aber gestern dieses Naturereignis nicht einl Also haben wir
uns im Kalender geirrt. Das ist auch etwas, was man sich in der
Heimat nicht vorstellen kan n ; aber im Busch kann einem so was
schon passieren, wo es keine Kalender giebt und keine Kirche und keine
Kirchenglocken. Als die Bali uns heute trugen, warum wir denn
gestern den Mond nicht to t gemacht, halfen wir uns damit aus der
Klemme, dafs wir sagten: »wir hätten gestern palaver mit dem Mond
gehabt und er habe uns gebeten, ihn noch ein paar Tage leben zu
lassen.« Denn heute oder morgen m u fs die Finsternis eintreten; um
so viel können wir uns doch nicht verrechnet hahen . .
„Baliburg, 16. XL -91. Gestern abend Vollmond und nachts
l 44 a.m. totale Mondfinsternis. Dies liefs uns erkennen, dafs wir im
Datum seit unserer Ankunft auf Bali um zwei Tage voraus waren;
daher heute diese scheinbare Rückdatierung *) . . . — Schlufs des
Womatanzes. Gegen 4°° p.m. kam alles auf den freien Platz vor der
Station und wird uns zu Ehren bei lohenden Feuern die ganze Nacht
weitergetanzt: zweifelhaftes Vergnügen. Von Schlafen ist natürlich
keine Rede . . .“
„Baliburg, 5. XU. 91. Beginn des Ledatanzes, des grofsen Waflten-
festes der Bali. Heute früh h a t ein Trupp Krieger, die wegelagernd
gegen Bandeng sich geschlichen, zwei Bandeng eingebracht; daroh
grofse Freude drüben. Dem einen schnitten sie gleich den Kopf ab,
den ändern erwartet dieses Schicksal morgen beim grofsen Tanze.
Den Kopf brachten sie, eine heulende, johlende Menge, auf die Station,
ihn zu zeigen: eine Lianenstrippe durch den Mund und den Hals gezogen,
tru g und schwang ihn bald der eine, bald der andere. Dann
ward d e r bluttriefende Schädel draufsen am freien Platz an einen
Baum gehangen und un ter ihrem Schlachtgeheul hielten sie Kriegstanz
') Bei den in dem Bache enthaltenen o b j e k t iv e n Zeitangaben ist der
gemachte Fehler natürlich berücksichtigt.
darum. Den Gefangenen liefsen wir uns abends von Garega herüberschicken,
ihn auszufragen. Als er auf keine der an ihn gerichteten
Fragen Antwort gab, zog Fonte (Vertrauter Garegas) sein Messer aus
der Scheide, und ehe wir wufsten, was er damit wolle, h a tte er dem
Gefangenen schon ein Ohr abgeschnitten; meinte ganz ruhig, indem er
die blutige Klinge bedächtig abwischte: »da der Bandeng so schlecht
versteht, was der Weifse sagt, so müsse man ihm ein Ohr abschneiden,
damit er besser höre« . . .“
„Baliburg, 6. XH. 91 . . . Nachmittags mit meinem Zug hinübermarschiert
zum Tanze; an 3000 Krieger da, auch Gesandtschaften von
Bagam und Bafuen. Sechs Zugssalven abgegeben. Ein Murmeln der
Bewunderung ging schon durch die Reihen der Tausende hei den Aufmärschen
zur Front, und als die Salven glatt und ru n d krachten,
tosender Beifall. Das wissen sie morgen in Bandeng und Bafut auch
schon. Die deutsche Flagge und die des Balihäuptlings flatterten über
dem Steinsitz Garegas, neben dem wir uns niederliefsen, die Soldaten
kauerten um mich im Kreise. Weniger angenehme Nachbarschaft
waren die beiden frischen Bandengschädel und einige andere, schon
acht Tage alte; und in dieser stillen Gesellschaft ein p a a r Stunden
bei fleifsigem Palmweinumtrunk. Wenn die Scharen zur Begrüfsung
anstürmten, packten sie die Köpfe und schüttelten sie uns entgegen.
Köstlich waren zwei von den Weibern der Station. Wir batten
ihnen vor einigen Tagen zur würdigen Feier des Tanzes ein
p aar weifse, lange Frauenhemden (aus Spangenbergs Nachlafs) geschenkt.
Nun stolzierten sie damit an. Als sie sich zu unsem Füfsen
zum Palmweineinschenken niederkauerten, hoben sie in gänzlicher
Verkennung des Zweckes die Hemden hoch auf bis über die Hüften,
damit sie ja nicht schmutzig würden! . . .“
„Baliburg, 14. XH. 91 . . . Gestern Abend auf dem Hügel schöne
Nacht in ernsten Gesprächen. Der voUe, glänzende Mond strahlte auf
die Wildnis; die paar Häuschen der einsamen Station heU bescheinend.
Dazwischen die mächtigen, dunkeln Gestalten der hohen Palmen, der
grofsblätterigen, sturmzerfetzten Bananen, leise im Winde rauschend.
In erhabener Ruhe liegt die Landschaft, in den dunkeln Thälern
wallen feuchte Nebelmassen auf und nieder, aus der Tiefe in der
kalten Nachtluft schwirren die grofsen Fledermäuse herauf, von drüben
aus dem nebelverhüllten Dorfe schallt Lärm und Tanz: das is t eine
Mondnacht hier draufsen auf der fernsten Grenzwacht Deutschlands,
wo weltabgeschieden zwei einsame Pioniere hausen. Düster, geheimnisvoll
ernst, ahnungsvoll packend ist die Wirkung. Heute besonders.
E in e Tropen
Yoll-
mondnacht.