Körperliche
Leistungsfähigkeit.
meist auf ärztliche Hjilfe verzichten mufs, nicht selten schwer. . Eine
eigene körperliche Schulung dnrchzumachen, halte ich für. den Offizier
z. B. für unnötig; was ein kräftiger, rüstiger, junger Mann in der
Heimat als Soldat zu leisten hat, genügt. Auf dieser Grundlage lernt
sich schon gesteigerte Leistungsfähigkeit draufsen. Verweichlichte und
energielose Menschen gehen schon so wie so nicht in den Busch; sie
sprechen wohl viel davon, doch dabei bleibt es auch. Der Nichtsoldat
allerdings wird gut th u n , sich an scharfe Märsche, an zeitweiliges
Fasten und Dursten bereits zu Hause etwas zu gewöhnen.
Körperliche Leistungsfähigkeit macht .einen aufserordentlich guten
Eindruck auf die Neger und erhöht das Vertrauen der Soldaten und
Träger zum Führer ganz wesentlich, gerade so wie in der Heimat bei
der Truppe auch. Mein anfänglicher Expeditionsgenosse, ein schwächlicher,
kränklicher H e rr, machte, als wir auf Barombistation. zu
Dr. Zintgraff stiefsen, auf die Bali, selbst hochaufgeschossene, muskelkräftige
Graslandssöhne, einen nicht sehr vertrauenerweckenden Eindruck
und sie baten des öfteren unseren Führer durch den Dolmetscher:
„you must keep the old man for house, he no fit for
the bush,“
Ich bin und war stets ein tüchtiger Fufsgänger und ist mir dies
auch da draufsen gut zu statten gekommen. Ich finde in meinen
Tagebüchern einen Ausspruch meiner Leute aufgezeichnet, auf den ich
geradezu stolz bin. Mit einem Teil meiner einexerzierten und einmarschierten
Truppe hatte ich im Ju n i und Ju li 1892 eine längere
Streife ins Waldland gemacht, die mich bis zur Tintostation führte.
Von da kehrte ich mit einer Trägerkarawane in Eilmärschen nach
Baliburg zurück. Im letzten Quartier vor der Station mulste ich einen
unfreiwilligen Rasttag einschalten, weil mir der gröfste Teil der Träger
nicht zu folgen vermocht hatte. Im Laufe des Tages kamen die Kerls
allmählich angehunken, zeigten ihre wunden Füfse und meinten „the
road be bad too much, you pass the black man for walk, you run
like one monkey.“ Auf eine solche Anerkennung körperlicher Leistung
kann man sich schon etwas einbilden, wenn man die Marschausdauer
des Negers und seine, wenn’s not th u t, zähe Entsagungsfähigkeit
kennt. Beschämt steht man allerdings auch mit bedeutenden Leistungen
zurück bei der Schilderung Nachtigals von dem Wüstenstamm
der Tubu-Reschade: „Nach tagelanger Nahrungslosigkeit pulverisieren
sie die gebleichten Kamelknochen der Wüste und verwandeln
sie mit dem einer Ader eines Kamels entnommenen Blut in einen geniefs-
baren Teig, oder machen den Lederring, welcher ih r langes Messer am
Handgelenk befestigt oder ihre Sandalen durch Klopfen, Zerschneiden und
Kochen efsbar. Ein Tubumann vermag vier Tagemärsche ohne Wasser
zu ertragen, wenn er im Besitz eines Kamels is t, wohl verschleiert bei
Nacht reist und bei Tag regungslos und. schweigsam im Felsschatten
liegt, ohne durch Einnahme von Nahrung oder überflüssige Bewegungen
den D u r s t‘zu vermehren. E rst nach dieser Zeit sollen
sich seine Sinne trüben und er zum letzten Mittel greifen, nämlich
sich am Sattel seines Kamels zu. befestigen, jed e r eigenen Initiative
zu entsagen, und sich so rückhaltlos dem Ortssinn des Tieres anver-
träuen.“ .
Gerade für körperliche positive oder negative Fähigkeiten haben
die Eingeborenen einen ungemeinen Scharfblick. Einige Herren von
der Küste, die sich bei einem Versuch, auch einmal ein. bifschen ins
„Innere“ zu gucken, nicht gerade sehr gewandt gezeigt haben mochten,
hatten seitens der stets spottbereiten Träger bald den Spitznamen
^habies in the woöd“ weg. Stanley hiefs am Kongo „bulamatari“, d. i.
der Felsenbrecher, mich nannten meine Bali zuerst „fuon ssissa“, d. i.
der lange Herr (wegen meiner langen Gebeine), später, als sie die
Wirkung der ihnen gelehrten Schiefskunst zum erstenmai erprobt hatten,
„fuon-nakang“, d. i. Herr des Gewehres.
Auch ihre eigenen Namen sind vielfach Anspielungen, ehrende
oder spöttische, auf körperliche Eigenschaften oder Leistungen.
So viel über körperliche Vorbereitung.
In einem gesunden, kräftigen, gestählten Leibe wohnt aber auch mycMseiie
meist schon ein gesunder, gestählter Geist, feste Willenskraft, Muth «“ SST
und Schneid. Die Anforderungen, die das Leben in der Wildnis in
dieser Richtung stellt, sind bedeutend schwerer zu erfüllen als in der
Heimat, namentlich deshalb, weil sie vielfach in anderer Form, unter
anderen Verhältnissen bethätigt werden müssen.
Mut, Tapferkeit zu üben vor den Augen der Welt, in der Hoffnung
auf Ruhm und Auszeichnung, an der Seite seiner Kameraden
ist wohl leichter als allein, fern im Innern Afrikas. Auch der
Gedanke an das, was bei Verwundung, bei einer Niederlage, bei
Gefangennahme unfehlbar bevorsteht: qualvolle Martern, qualvoller
Tod ist wohl weniger angenehm als das Lös in diesen Fällen in der
Heimat. Andererseits ist aber auch sicher eben das Gefühl, vollkommen
auf sich angewiesen zu sein, allein in des Wortes vollster
Bedeutung seinen Mann zu stehen; kein geringer Ansporn und Reiz.
Ich habe am Tage nach meinem ersten Gefecht (am Weihnachtsabend
1891) in einem Briefe an meine Angehörigen geschrieben: