Bei dieser Gelegenheit erinnere ich mich einer köstlichen Frage
eben des mit seinen Schiefsergebnissen vorstehend verewigten Unteroffiziers
Landi, als ich ihn wieder .einmal zur Anfertigung von Scheiben
(aus gespaltenem Bambus und, mit Rufs und Palmöl darauf gemalten
Figuren bestehend) kommandierte: Bemerken mufs ich noch, dafs wir
ein paar Tage zuvor einige Bandeng gefangen eingebracht hatten.
„Es wäre doch nicht mehr nötig, noch Holzscheiben zu machen, nachdem
wir ja nunmehr lebende Scheiben hätten!“
Zu statten kam mir hei der Ausbildung der kriegerische Sinn der
Bali, ihre körperliche Gewandtheit, Geschicklichkeit und Abhärtung
gegen Strapazen, worin sie unseren heimatlichen Bauernhuben weit über
sind, sowie der Umstand, dafs ihnen Knallereien ganz und gar nichts
Neues waren, sie also eine Feuertaufe weit weniger nötig hatten als ich
selbst. Andererseits aber befürchtete ich gerade in ihrer Kampfweise (wie
ich sie in Abschnitt VI näher schildere) ein schweres Hindernis in Erreichung
der Feuerdisziplin zu finden. Der Disziplin überhaupt mufsten
schwere Anfechtungen drohen: einmal der Umstand, dafs ich die Leute
in ih r em e ig e n e n L a n d e auszubilden hatte, die verführerische Nähe
des Heimatdorfes und der Mangel an disziplinärem Rückhalt. Dazu
kam noch, dafs die Bali ja noch nie militärischen Drill auch n u r gesehen
ha tten , ihnen also vorerst namentlich die Exerzierbewegungen
unverständlich und wertlos erscheinen mufsten. Das letztere ward mit
einem Schlag anders, als ihnen das Gefecht am "Weihnachtsabend 1891
die Wirkung der neuen Kampfweise zeigte. Nun war das Vertrauen
hierzu, das Vertrauen zum Führer gewonnen. Die Disziplin, der Gehorsam
war von Anfang an wider Erwarten tadellos.
Ein gewichtiges Beispiel, wie festgewurzelt die Anhänglichkeit war,
h a t Dr. Zintgraff in seinem Werke bereits angeführt; ich nehme es
hier herüber. Es ist die bereits (Abschnitt III) erwähnte Unternehmung
gegen Bagangu am 1. Mai 1892. »Ich“ (Zintgraff) „hatte
eine kriegerische Aktion gegen ein Dorf im Graslande geplant und
rückte ohne Wissen des Häuptlings Garega mit 40 Soldaten, gefü
h rt von Leutnant Hutter, aus. Der Häuptling, welcher das Unternehmen
mit so wenig Leuten zu gefährlich fand, schickte Boten
nach, »wir möchten doch wieder zurück kommen und erst einen
Kriegsrat ha lten , damit noch viele irreguläre Bali mitgehen könnten«.
Wer die Gebräuche der Eingeborenen kennt, wird das Ansinnen
des Häuptlings richtig finden. Auch direkte Sorge um unsere eigene
Sicherheit war es, uns abzuraten, mit einer Handvoll Leute gegen
einige Hundert vorzugehen. Ich ging nach Balidorf zurück, befahl
Meine Balitruppe. 231
jedoch Leutnant Hutter, jedenfalls bis an die Farmen des feindlichen
Dorfes zu gehen und daselbst weitere Befehle zu erwarten.
Während ich beim Häuptling safs, erschien der älteste Sohn Garegas,
Tita N’Yi, bei unseren Balisoldaten. Tita N’Yi geniefst fast eine ähnliche
absolute Verehrung wie der alte Garega selbst; aufserdem befanden
sich an zehn zu seinem Haushalt gehörige Leute als Soldaten
unter dem Kommando des Leutnants Hutter in der mittlerweile bezogenen
Vorpostenaufstellung. Obgleich nun dieser Königssohn aus
Leibeskräften auf die Balisoldaten einsprach und sie durch Bitten und
Drohen dazu zu verleiten suchte, nach Bali zurückzukehren, b lie b e n
d ie L e u te , t r e u dem B e fe h le ih r e s O ffiz ie rs g e h o r c h e n d . Erst
später wurde die Abteilung durch mich zurückberufen.“
Ein andermal bemerkte ich beim Exerzieren, dafs der linke Flügelmann
ängstlich nach dem nahen Gras zu schielte. Ich folgte der
Richtung seines Blickes und gewahrte, ihm ganz nahe, eine Schlange
auf den freien Exerzierplatz herauskommen. Es war gerade,, die Zeit
der Grasbrände, und da wird es in dem Schilf allenthalben lebendig.
Wer weifs, ob ein deutscher Rekrut bei dieser Ueberraschung so standgehalten
hätte?
Ich hahe nur zwei Fälle erleht, in denen die Disziplin versagte.
Der eine war gelegentlich des Vergiftungsversuches in Fomum (siehe
Abschnitt HI), wobei meinen Soldaten die Feuerdisziplin durchging,
und sie ohne Kommando zu einem tüchtigen Schnellfeuer sich fort-
reifsen liefsen. Der andere tr a t ein, als ich bei einem Marsch in ein
starkes Hagelwetter geriet. Da löste sich die ganze Kolonne auf; mit
über den Kopf gehaltenen Gewehren, Rucksäcken u. s. w. suchten sich
die Leute gegen die niederprasselnden Körner zu schützen, bargen sich
da und dort im Gelände, ohne der vorwärtstreibenden Kommandos
mehr zu achten. Wer den Neger kennt und seine Empfindlichkeit
gegen derartige Elementarereignisse, wird diesen an sich ja schweren
Fall milder beurteilen.
Dem Zusammengehörigkeitsgefühl, das mich allmählich immer mehr
mit meiner Truppe verband, haben beide keinen Eintrag gethan.
Heute noch gedenke ich gern und oft der gemeinsam bestandenen
Strapazen und Unternehmungen; und dafs auch die Bali sich noch
meiner erinnern, hahe ich erst jüngst erfahren: die einstigen Soldaten
erkundigen sich heute noch, wenn sie als Arbeiter auf die Plantagen
der Viktoriagesellschaft kommen, nach dem „Herrn des Gewehres“.