
Überschätzung
der Meber-
gefahr.
jährlich ein hoher Procentsatz der Weifsen draufsen zu Grunde — und
doch braucht die Malaria nicht in der Weise gefürchtet zu werden,
wie es wirklich geschieht. Denn bei ruhiger, sachlicher Betrachtung
müssen wir uns fragen,, ob denn wirklich alle, die draufsen sterben,
Opfer des Klimas sind. Und darauf mufs die ehrliche Antwort lauten:
nein.
Ich unterschätze die grofse Gefahr der Malaria durchaus nicht,
habe ich sie doch am eigenen Leibe da draufsen in Form von zahlreichen
minder schweren und auch einmal in ihrer schwersten akuten
Erscheinungsform, dem sogenannten Schwarzwasserfieber, zu kosten bekommen
und bin mit knapper Not dem Tode entronnen; habe auch
nach meiner Rückkehr danach ausgesehen. Aber trotzdem wiederhole
ich meine aufgestellte Behauptung. Ich führe den Beweis am besten
mit den aufserordentlich klaren und eingehenden Beobachtungsergebnissen
Dr. Falkensteins, der zwei Jah re an der Tschiloangoküste (nördlich
des Kongo) sich aufgehalten und in seinem Werke „Die Loango-
expedition“ (II. Abteilung) sich über die Malaria verbreitet. E r
schreibt: „ . . . Sehen wir doch erst einmal zu, aus welchem Material
sich die Europäer an der Küste rekrutie ren, was für Stammmannschaften
sie aufweist.
Einen Teil der Europamüden bilden solche, welche die Bedingungen
zur Existenz in der Heimat nicht erfüllen und körperlich und
geistig zu schwach sind, um den Kampf mit den viel tüchtigeren Konkurrenten
zu bestehen. Ich habe Schwächlinge dieser Art mehrfach
ankommen und schnell zu Grunde gehen sehen, habe mich aber höchstens
darüber gewundert, dafs sie die Küste überhaupt erreichten.
Sie waren Todeskandidaten bereits vor ihrer Ankunft in Afrika.
Einen anderen Teil bilden Abenteurer, die es in der Heimat zu
nichts brachten, weil Thorheit und Unbesonnenheit sie zu keiner ruhigen,
gleichmäfsigen Thätigkeit kommen liefsen. Sie sind wie die groben,
ausspringenden Fäden in einem schönen, gleichmäfsigen Gewebe, die
sich nicht in dasselbe einfügen und unterbringen lassen. Sie werden
aber auch wie diese in keinen Stoff passen, man mag es versuchen,
wie man will. Ihre Unvernunft wird sich vor allem darin kund geben,
dafs sie dem Klima zu trotzen versuchen; sie treiben diese Thorheit so
lange, bis auch sie ein selbstverschuldeter Tod erreicht.
Drittens haben wir es mit Ansiedlern zu th u n , welche zwar vermöge
ihrer Konstitution die Verpflanzung in den fremden Boden gut
vertragen, aber ihren Leidenschaften ungezügelten Lauf lassen und
sich systematisch zu Grunde richten.“
Hier möchte ich mir die Einschaltung meiner eigenen Beobachtungen
in dieser Beziehung gestatten.
Dem geschlechtlichen und noch mehr dem Alkoholgenufs wird an
der Küste in aufserordentlich hohem Grade gehuldigt und ihre Opfer
dem „tückischen Klima“ aufgebürdet. Wohin man kommt: das erste,
was einem angeboten wird, ist ein Gläschen Cocktail (ein kräftiges
und allerdings sehr wohlschmeckendes Gebräu, aus Angostura, Kognak,
Zucker, Ei, Muskatnufs und Champagner gemischt). Dabei fafst dieses
„Gläschen“ ein ganz beträchtliches Mafs. Jeder h a t seine besondere
Art, das Ding zu brauen. So trin k t man sich bei einer Besuchsreise
durch eine ganz stattliche Zahl von Sorten hindurch. Dann folgt
Kognak und Rum und zuletzt, aber nicht als letztes, bayerisches Bier.
Allenthalben, wo n u r Europäer leben, trifft man auch die Aufschrift
„Spatenbräu“, „Hackerbräu“ u. s. w. als alte Bekannte wieder, von Goree
bis Banana; in den Häfen und auf jed e r Rehde tanzen munter auf den
Wellen die bei der Begrüfsung geleerten Flaschen. Die so hungrigen
Haie auf der Rehde vor Lagos, die fast nach jedem über Bord geworfenen
Cigarrenstummel schnappen, lassen diese bauchigen, kleinen,
harten Dinger in Ruhe; sie haben sich wohl schon zu oft Zahnweh
daran geholt und Verdäuungsbeschwerden.
Ich bin kein Mäfsigkeitsvereinler und ein guter Bayer, aber gerade
das schwere bayerische Exportbier halte ich für das tödlichste Gift
unter den Tropen. Mäfsiger Genufs von Alkohol ist als anregendes
Mittel in den südlichen Breiten bisweilen nützlich, sogar notwendig.
Um jeden Verdacht allzu grofser Puritanerstrenge von mir abzustreifen,
will ich eine That beichten, die mir ein gestrenger Meteorologe
schwerlich jemals ganz vergeben kann: In den Höhen des Graslandes
auf der Station Baliburg haben Dr. Zintgraflf und ich sogar den für
das Kochthermometer bestimmten Spiritus mit ruchloser Hand zum
Teil zum Brauen einer Ananasbowle als Wärmemittel in den mitunter
recht kalten Tagen der Regenzeit verwendet.
Aber ebenso nützlich bescheidener Genufs, ebenso schädlich ist
das Übermafs. Vereinzelte Naturen giebt es ja allerdings, denen
auch zügellose Ausschweifungen nichts anhaben zu können scheinen;
die Mehrzahl unterliegt; und wir werden stets Leute als Märtyrer des
Klimas genannt hören, die n u r an ihren ungezügelten Leidenschaften
zu Grunde gegangen sind.
Das sagt auch Falkenstein und fäh rt dann fort:
„Endlich erst sind die aufzuführen, welche trotz einer tüchtigen nie wiit-
Konstitution, trotz eines vernünftigen, angemessenen Lebens allein Seropfer