Fiebers tim-
m ungen.
deutsche Fest,
der Höhe und
Hause manch-
74 Wanderungen. — Auf dem Marsche.
So feierte ich hier das schönste, trauteste
wo die Kirchenglocken predigen: Ehre sei Gott in
Friede den Menschen auf Erden. Ich habe mir zu
mal gedacht, wenn ich la s , dafs unsere Truppen am Christabend
draufsen lagen oder sich schlugen: welche Gefühle da wohl in ihnen
wach wurden? Ich kann dreist behaupten, ich habe heuer am Christabend
Ernsteres, Schwereres durchgemacht. Die,.wenn nur zwei, auf
Posten standen, konnten sich erzählen vom deutschen Weihnachtsbaum;
und wenn auch in Frankreich: sie waren doch der Heimat
nah und lag doch auch über dem feindlichen Lande die Weihnachtsstimmung.
Ich dagegen vom Knegszug zurückkehrend tief in der
Wildnis, wo man keine Weihnachtsgefühle kennt, mit 30 b lu t- und
raublustigen Balinegern schiefse mich mit gleich grausamem Stamme
herum, allein, und ziehe dann todmüde weiter, der einzige Weifse,
durch den Busch, umgeben von den triefenden Trophäen der abgeschnittenen
erbeuteten Schädel — und dann abends den Palmweintrunk
in der mir gestern wie eine Hexenküche yorgekommenen
Hütte des Häuptlings, dessen massige nackte Gestalt sich grinsend
zu den blutigen Köpfen herunterbeugte . . . .
Um nochmals auf das Gefecht zu kommen; da gerieten wir auch
hübsch in die gewaltigen Grasbrände hinein, die überall aufflammten,
so dafs wir manchmal Laufschritt machen mufsten; ich sah aus wie
meine Neger: Kleidung, Gesicht und Hände schwarz yon Qualm und
Rauch und Asche, die uns der steife Nordostwind entgegenwehte.
Ein schönes Bild war’s aber weifs Gott doch, wie mein Zug so dastand;
ringsum prasselten nah und fern die Brände und lohten die Flammen
und qualmten die Rauchmassen; drüben den Hang herauf die Bapigni
mit ihrem Knegsgeheul und meine kleine Fro n t schleuderte ihre Salven
in die anlaufenden Gegner; rrrum — rrrum krachte, es aus den
Gewehrläufen der Schwarzen aufs Kommando eines deutschen Leutnants
scharf und kurz; drüben stürzten die F e in d e “
Noch weit mehr als gegen Menschen h a t der Mut seine Probe zu
bestehen gegen einen unsichtbaren, unfafsbaren Gegner: das Fieber.
Nicht blofs den kräftigsten Körper knickt dieser furchtbare Feind der
Tropen; die eisernste Willenskraft, den frischesten Mut beugt er
und verwandelt ihn in Traurigkeit, Verzagtheit und tiefste Niedergeschlagenheit.
Ich scheue mich durchaus nicht, solche Stimmungen einzugestehen.
Nicht immer sind diejenigen, welche bramarbasierend jegliches Gefühl
ableugnen, Helden. Nicht alle sind frei, die ihrer Ketten spotten.
Anforderungen und Vorschulung. 75
Auch darf sich die Schneid nicht immer so zeigen, wie sie dem Passive
dqutschen Soldaten, dem Deutschen überhaupt eigen ist: im rück- ScImeid’
sichtslosen Vorgehen. Sie m u fs nicht selten im Interesse der Sache
gezügelt, gedämmt, ja unterdrückt werden. Häufiger als die aktive
ist die passive Schneid geboten, jWahrlich, die erstere wäre oft
leichter! Ausharren, ¡Zähigkeit, G e d u ld , „der zweite Mut“, wie der
Spanier sie nennt: das sind die Formen, in die sie beim richtigen
Afrikaner sich kleiden mufs.
Was körperliche Strapazen, auch was seelische Anforderungen, wichtig.!,
zum Teil wenigstens, anlangt, kann man von einer gewissen Vor- ^aeeüihe
bereitung und Schulung sprechen: das Schwerste aber kann man nicht gen-
üben. Und das is t? Die Antwort mag mein Tagebuch geben.
„Tintostation 23. VI. 9 2 Afrika ist fürwahr das Land der
Gegensätze und der Unberechenbarkeit. Nun liege ich hier in der
absolutesten Unthätigkeit den ganzen Tag, schaue bald in den Regen
hinaus, bald in die rauchige H ütte hinein seit 8 Tagen; — 4 Tage zuvor
durchzog ich Tag für Tag in den schärfsten Märschen den Busch.
Vielleicht morgen schon ist ein unerwartetes Ereignis; dann heifst’s
entschliefsen, Entschlufs ausführen, packen, marschieren. Vorausbestimmen
läfst sich nicht eine Stunde, vorher überlegen gar nichts
Derselbe Augenblick bringt die Frage und fordert auch schon den
Entschlufs. Ist das wohl auch einer der Reize der Wildnis? E n tgegen
dem monotonen Uhrwerk des civilisierten Lebens? Wohl
sicher . . . .
Ich habe die unthätigen Tage her Zeit gehabt, nachstehende
goldene Regeln für Afrika mir zurechtzulegen:
1. Man mufs hier heraufsen zwei entgegengesetzte Eigenschaften
m sich zu vereinen vermögen: G e d u ld nach allen Richtungen; in
palavern, m der Behandlung der Schwarzen, gegen hemmende Naturereignisse
jeder Art, gegen körperliche Leiden; und die,Fähigkeit, im
entscheidenden Moment alle geistige und körperliche Spannkraft mobil
zu machen, also E n e rg ie , trotz aller lähmenden, hemmenden üm-
stände, trotz vielleicht langdauernder Einsamkeit, Einförmigkeit, Unthätigkeit,
trotz langdauernder, quälender Leiden.
2. Unter allen Umständen und trotz aller Umstände H e r r ü b e r
sich b le ib e n im Geist und Körper . . . .“ _
Bisher, wenn ich von geistiger Schulung, von geistigen Anforde- w iMen-
rungen sprach, habe ich mehr die f M im Auge gehabt; nun zur
wissenschaftlichen Vorbereitung. tung’
Dafs der Laie nicht imstande is t, streng gediegene Wissenschaft