Die Wortsprachen im Grasland; insbesondere die Baiisprache.
In A d am a u a herrscht als allgemeine Umgangssprache die Haussa-
sprache. Ueber diese habe ich mich in meinem Buche nicht näher
zu verbreiten: einmal weil ich persönlich nicht nach Adamaua
hineingekommen hin, und dann weil darüber bereits ausführliche
Grammatiken u. s. w. vorhanden sind (ich führe unter anderen ganz
besonders an: „Vocabulary of the Haussa Language etc. by the
Rev. Schön, London 1843“, welche meines Wissens immer noch als
die beste und vollständigste Arbeit über diese reiche, wohllautende
und hochausgehüdete Negersprache West-Afrikas bezeichnet werden
muTs). Aufser dieser Sprache der herrschenden Kaste giebt es unter
den Heidenstämmen Adamauas zweifelsohne eine Reihe anderer oder
— vielleicht richtiger — eine Reihe von dialektisch mehr, weniger verschiedenen
e in e s gemeinsamen Sprachstammes.
Wie ich, in Bezug auf die Völkerverhältnisse, analoge Vorgänge in
Adamaua und dem südlichen Teil des Graslandes, den B a lilä n d e rn
nachgewiesen habe, ähnüch wird es wohl auch auf sprachlichem
Gebiet gegangen sein. Nur war es keine einheitliche Sprache, die
die Eroberer ins Land getragen haben; jeder der nach Süden weichenden
Stämme h a t seine eigene oder seinen eigenen Dialekt mitgebracht;
die Ureingesessenen hesafsen gleichfalls bereits ihre sprachlichen Verschiedenheiten.
Da treten uns gleich mehrere Fragen entgegen, die ich leider
offen lassen mufs: sind die Sprachen der Einwanderer und der Ureinwohner
sprachstammlich oder dialektisch' verschieden? Wie verha
lt es sich in dieser Beziehung mit den Sprachen der Ureinwohner
untereinander? Welchem grofsen Sprachstamm oder welchen -Stämmen
gehören dann die Sprachen der einzelnen Völkerschaften (Einwanderer
und Ureinwohner) an? Und schliefslich drängt sich als weitere noch
jene auf. stehen die Sprachen der Baliländer in einer sprachverwandt-
schaftlichen Beziehung zu jenen des Waldlandes? Schon allein vom
linguistischen Standpunkt aus ist die Lösung dieser aufgeworfenen
Rätsel wichtig; vom weitesten ethnographischen und anthropologischen
sowie geschichtlichen Interesse wäre sie, über dieses gerade in dieser
Ecke des Meerbusens von Guinea herrschende Gewirr von Völkerschaften
Klärung bringend in Bezug auf Rassenzugehörigkeit und
Ausdehnung der Völkerverschiebungen.
Ich enthalte mich der naheliegenden Versuchung, auf Grund
meiner fast zweijährigen Beobachtungen allgemeiner Art und des in
diesem Zeitraum gewonnenen teilweisen Einblickes in eine dieser
Sprachen, die der B a l i , eines eingewanderten Stammes, Beantwortung
dieser oder jener der angeregten Fragen auch nur zu versuchen.
Ich beschränke mich auf ledigliche Niederlegung meiner diesbezüglichen
Ausbeute, der Fachgelehrsamkeit es überlassend, weitere Schlufsfolge-
rungen daraus zu ziehen. •
Bezüglich des Verhältnisses zwischen W a ld - u n d G r a s l a n d - sprachliche
s p r a c h e n habe ich festgestellt, dafs die Bewohner dieser Gebiete dMUndt6
gleichgiltig welchem Stamm sie oben bezw. unten angehörten sich Waid- i:mi
von vornherein nicht verständigen konnten. Im B a n y a n g la n d gelang
das den B a l i allerdings in sehr kurzer Zeit; in welchem Grad aber
hierzu die dortselbst lebenden, aus dem Grasland stammenden Sklaven
beitrugen, entzieht sich meiner Beurteilung. Vergl. hierzu Abschnitt V,
S. 259 u. f., sowie Abschnitt VI, S. 324 u. f.: „Bäyong“ und „bäta“.
Zu letztgenanntem Worte noch ein paar Bemerkungen: die B a n y a n g
bezeichnen damit die Sklavendörfer; im G r a s la n d findet sich dieses
Wort in zwei Stammnamen unterjochter Ureinwohner: „Batänka“ und
„Batankoän“. Auf die Komplikation, die einerseits darin besteht, dafs
es im Grasland in Eigennamen vorkommt, andererseits darin, dafs es
mit einem Wort, das in der Balisprache das Gleiche bedeutet wie
„b a ta “ im Waldland, nämlich mit „kuän“ — Sklave verbunden ist,
habe ich S. 325 aufmerksam gemacht und eine ethnographische Mut-
mafsung daran geknüpft Hier möchte ich auf letztgenannten Umstand:
die Verquickung zweier, im jeweiligen Gebiet das Gleiche
bedeutender Worte vom sprachlichen Standpunkt aus besonders aufmerksam
machen: wir stehen entweder vor der Thatsache, dafs die
Sprache der Waldland Stämme u n d eines fast untergegangenen Ureinwohnerstammes
im Grasland für den Begriff „Sklave“ das gleiche
Wort hatten bezw. noch haben, während ein aus Adamaua eingewandertes
Volk hierfür ein g a n z anderes Wort: „kuän“ aufweist — oder
das Ganze ist nur Zufall; „Batänka“ und „Batankoän“ sind thatsäch-
lich reine Stammnamen im Grasland gewesen, und das „häta“ der
Waldlandstämme hängt in keiner Weise damit zusammen.
Die Sprachen der Stämme in den B a l i lä n d e r n u n t e r s ic h in sprachna«,
Beziehung bringend, beschränke ich mich auf die Mitteilung, dafs Ver- S ? '
schiedenheiten vorhanden sind und zwar derartige, dafs auch hier ländern.’
die Graslandstämme sich teilweise ohne weiteres nicht verständigen
können. Wie weit die Balisprache im Grasland gesprochen oder
wenigstens bekannt und gekannt ist, habe ich in Kartenbeilage 2 zum