arbeiten läfst, während der arme Teufel sich von seiner Hände Arbeit
ernähren mufs -r- genau wie bei uns auch. Aber unendlich weniger
schroff ist dieser Unterschied zwischen reich und [arm — oder genauer,
zwischen brutalem Eeichtum und absoluter, d. h. physiologischer Armut
als hei uns.
Solange ein Volk nur Ackerbau, Viehzucht und Hausindustrie
kennt, mag es an Edelmetall und Luxusgegenständen arm sein, aber
es fehlt keinem seiner Mitglieder an Lebensrnitteln. „Erst wenn der
Mensch den Zusammenhang mit der nährenden Mutter Erde verliert,
erst wenn er sich von der treuen Furche des Ackers losreifst und von
der Natur nicht mehr erreicht werden kann, die ihm Brot und Früchte,
Milch und Kalb der Kühe, Wildbret und Fische darhietet, erst wenn
er sich hinter Stadtmauern hockt, seinen Anteil am Boden, Wald und
Flusse aufgiebt und nicht mehr mit eigenen Händen aus den Vorratskammern
des Tier- und Pflanzenreiches seinen Bedarf an Speise und
Trank schöpfen k an n , sondern auf den Austausch der Erzeugnisse
seines Gewerbefleifses gegen die von anderen monopolisierten Naturprodukte
angewiesen is t, erst dann beginnt mit der Möglichkeit für
eine kleine Minderheit grofse Reichtümer aufzuhäufen, für eine zahlreiche
Klasse die Möglichkeit absoluter Armut, physiologischen Elends.“
Und elend in diesem Sinne ist auch der relativ ärmste Neger da
draufsen n ich t, eben deshalb nicht, weil keiner von der Scholle
gänzlich losgerissen ist. Auch in seiner Gewerhethätigkeit verläfst er
diesen gesunden Boden nicht; Feldbehauung sowie Gewinnung und
Ausbeutung der vorhandenen Naturprodukte bilden die Grundlage seines
industriellen Schaffens.
me'Fant- Ich möchte übrigens diese Gelegenheit mir nicht entgehen lassen, heit (?) des . ° .
Negers. aufs neue der gang und gäben, aber ganz und gar unrichtigen An-
schauung, dafs der Neger faul sei, entgegenzutreten; wenigstens was
die Wald- und Graslandstämme Nord-Kameruns betrifft. Nicht blofs
der Mensch mit weifser Hautfarbe is t aus dem Paradies vertrieben
worden, das gleiche Los h a t den dunkelhäutigen getroffen. Auch der
Neger mufs sich im Schweifse seines Angesichts sein tägliches Brot
verdienen, soweit er nicht zu den schwarzen „oberen Zehntausend“
gehört — wenn ihm auch der glücklichere Himmel, unter dem er
lebt, verstattet, dies mit einem geringeren Aufwand von Anstrengung
und Arbeit zu thun. Dieser Umstand in Verbindung mit seiner beneidenswerten
Anlage, bescheidene Bedürfnisse zu besitzen, h a t ihm den
unverdienten Ruf der Trägheit zugezogen. Dafs er nichts thut, wenn er
genug zu leben h a t, meine ich, machten wir ihm alle recht gern nacht
g) W e h r -V e r h ä l tn i s s e u n d K r ie g fü h ru n g .
Wehrpflichtig ist jeder Graslandneger, sobald und solange er
noch einen Speer schleudern und ein Messer schwingen kan n , dem
gefallenen Gegner den Schädel vom Rumpfe zu trennen. Hiermit
finden auch die hohen Sätze hei Angabe der Krieger u n te r den statistischen
Angaben (S. 335) ihre Erklärung. Halbwüchsige Knaben sah ich
mitten im Kampfgetümmel eines brennenden, überrumpelten Dorfes
an den Erschlagenen mit einem Messer herumsägen, diese Trophäe
für ihre Väter, mit denen sie ins Gefecht gelaufen waren, einzüheimsen
und hei der Rückkehr ins Dorf im Triumph zu schwingen. Nur der
Häuptling selbst zieht, wie ich bereits berichtet, nicht in den Angriffskrieg.
Gefolgschaftsweise sammeln sich die waffenfähigen Krieger, und
treffen so truppweise entweder im Stammdorfe auf dem Volksversammlungsplatze
oder in einem verbündeten Orte oder an einem vereinbarten
Punkt im Gelände ein. Dort werden die Scharen in Heer- -
häufen abgeteilt, die sich mit militärischem Gehorsam angesehenen
und bewährten, selbstgewählten Führern unterordnen: meist Söhnen
des Häuptlings oder Vornehmen. Innerhalb dieser Haufen halten
aber stets die einzelnen Gefolgschaften, um ihre Herren geschart,
zusammen: bilden so gewissermafsen kleinere Einheiten. Die Stärkeverhältnisse
sind ganz bedeutend (siehe statistische Angaben). Die
in einem Ahhängigkeitsverhältnis stehenden, zur Kriegsfolge verpflichteten
Uran gesessenen treten un ter den Befehl von Führern aus dem
herrschenden Volke. Die Fahne des Stammes, ein grofses, vier- Fahne,
eckiges Stück einheimischen weifsen Baumwollzeuges an langem Speerschaft,
befindet sich stets bei einem von einem Häuptlingssohn geführten
Haufen.
Nun folgt der Kriegsrat. Ueberraschung, Ueberrumpelung ist bei
einem Angriffskriegszug oberster „strategischer“ Grundsatz. (Dabei
qualmt die unvermeidliche Pfeife, die auch beim Aufmarsch zum Gefecht
nicht ausgeht!) Auch der Grasländer greift, wie der Neger überhaupt,
selten, fast nie nachts an, erst mit dem Morgengrauen. Der Marsch g«fe<*te.
findet stets nachts, möglichst nahe an das zu überrumpelnde Dorf
oder die gewählte Ueberfallstelle heran, statt:
Die Einnahme der im Kriegsrat besprochenen Stellungen, von
denen aus auf ein verabredetes Zeichen (Schufs, geschleuderten Feuerb
rand, Hornsignal u. dergl.) vorgebrochen, oder auf die man den
Gegner auflaufen lassen will, erfolgt lautlos, gewandt und mit selbst
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